Arnsberg/Menden. Im Schatten gutbürgerlicher Küche an der Bundesstraße 7 in Wimbern florierte unbemerkt ein reger Waffenhandel zwischen Arnsberg und Menden.

Die alte Poststation in Wickede-Wimbern ist historisch schon immer ein Umschlagplatz gewesen. Längst geht es hier nicht mehr um Briefe und Pakete. Das Haus ist als Restaurant und Hotel ein beliebter Treffpunkt und Ort der Geselligkeit. Für 7,50 Euro wird ein Mittagstisch angeboten. Der aktuelle Prozess vor dem Arnsberger Landgericht zeigt nun auf, wie im Schatten gutbürgerlicher Küche über Jahre hinweg ein offenbar lukratives Geschäft um illegal besorgte und zusammengebaute Waffen aus dem Hause Umarex betrieben wurde.

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Ein Restaurant, ein Parkplatz an der Bundesstraße 7. Sie ist die Hauptverbindungsstraße zwischen Menden und Neheim, beliebte Pendlerroute. Der Ort war beiden Hauptangeklagten des Waffenhandels-Prozess gut bekannt. „Ich habe da vorher auch schon mal gegessen“, sagt der Deutsch-Portugiese V.. Er hat bereits gestanden, seit 2015 bis zu 90 Pistolen der Marke Walther P22 aus Teilen, die er bei seinem damaligen Arbeitgeber Umarex entwendet hatte, zusammengebaut und verkauft hatte. Umschlagplatz war die Parkfläche an der „Alten Poststation“.

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Kriminelles Geschäft

Kaum vorstellbar. Wo Restaurant- und Hotelgäste parken, kommen zwei Männer zusammen und treiben ihr kriminelles Geschäft. Kennengelernt haben sie sich über Umwege. Der Umarex-Mitarbeiter sagt, die erste gebaute Waffe eigentlich „in seinen Schrank stellen“ gewollt zu haben. Für einen Funktionstest hatte er sich Munition in Dortmund besorgen wollen und erhielt beim dubiosen Ansprechpartner die Rückmeldung, dass man sich bei ihn melden würde. Das geschah erst Monate später. Der Mendener Dimitri H. bot dem Waffenbauer Munition für die P22 an. Wieder ein paar Monate später meldete sich der Mendener bei V. und fragte, ob er die selbstgebaute Waffe nicht kaufen könnte. Eingehüllt in original Umarex-Packpapier, das er von Heimarbeitsaufgaben im Haus hatte, übergab V. die Waffe an Dimitri H.. 250 Euro wechselten den Besitzer.

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„Kannst du mehr besorgen?“, kam einen Monat später die Anfrage von Dimitri H. per Whats App. Und fortan ging der Deutsch-Portugiese in die illegale „Serienproduktion“. Wieder trafen sich beide an der „Alten Poststation“ - diesmal im August 2016 wurden zehn Waffen verkauft. Geld erhält V. dafür nicht sofort. Erst zwei Tage später traf man sich erneut auf dem Parkplatz, um die 2500 Euro zu übergeben. Dimitri H. hatte die Waffen erst an seine Abnehmer verkauft und so das Geld zusammengekriegt. Weiter verkauft hat er sie allerdings für 750 Euro.

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Erinnerungslücken

Nicht ganz klar vor Gericht wird, wie viele Waffen wann den Besitzer in Wimbern wechselten. An genaue Stückzahlen können sich beide Angeklagte nicht erinnern. Im Gegenzug erhielt V. immer wieder Munition. Preis: zwischen 1 und 1,50 Euro pro Patrone. Mehr als tausend Patronen gingen von Hand zu Hand - eine Zahl, die auch den Vorsitzenden Richter Daniel Langesberg immer wieder irritiert, weil V. für reine Funktionsprüfungen und Aufladung seiner verkauften Waffen so viele ja gar nicht benötigt hätte. „Ich habe aber nie geschossen“, betont V. immer wieder vor Gericht. Den Preis für Waffen und Munition verrechneten beide „Geschäftspartner“ oft, so dass auf dem Parkplatz nicht immer Bares floß. Beide Angeklagten sprechen vom „Vertrauensverhältnis“. Später nimmt V. für die P22 auch 350 Euro vom Zwischenhändler.

Prozess vor Landgericht

Der Prozess vor dem Arnsberger Landgericht wird am 13. November um 9.30 Uhr fortgesetzt.

Im Mittelpunkt wird dann stehen, wie die der Waffen-Weiterverkauf des Zwischenhändlers Dimitri H. aus Menden an seine Abnehmer lief.

Der Parkplatz an der Gaststätte blieb während der ganzen Zeit der Umschlagsplatz für die Waffen. Mal zehn, mal fünf, mal 20 Pistolen. „Bei großen Mengen übergab ich die Waffen in einer Plastiktüte“, erzählt der Deutsch-Portugiese. Nur bis Ende 2018 will er die P22 aus geklauten Teilen gebaut haben. „Die letzte als Spezialedition für mich“, erzählt er. Das Besorgen der Teile für P22 sei immer schwieriger geworden.

Maschinengewehr gekauft?

Von Dimitri H. kam dann noch eine Anfrage, ob er auch eine PK380 bauen könnte. Auch dieser Typ wurde in drei Lieferungen (insgesamt 16 Stück für 400 Euro) am Treffpunkt gehandelt, ebenso wie die dafür nötige Munition und eine Walther CCP (Preis: 700 Euro). „Ich habe aber nie an einen anderen als an Dimitri verkauft“, beschwört V. vor Gericht. Einmal, so berichtet V., der sich selber als „Waffenfanatiker“ bezeichnet, habe er von Dimitri auch ein tschechisches Maschinengewehr erworben und in Wimbern entgegengenommen. Daran will sich der Mendener aber nicht erinnern.

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Die Treffen an der „Alten Poststation“ endeten spätestens im Frühjahr 2019, als V. in einer Kontrollschleuse beim Waffenhersteller Umarex auffiel, als er beim Verlassen des Unternehmens einen Waffenlauf im Rucksack hatte. Wenig später war V. gekündigt und sein Haus in Neheim von der Polizei durchsucht worden. Das war der Anfang der Aufklärung des großen illegalen Waffenhandels.