Arnsberg. Brotdosen-Trick: Angeklagter im Waffenhandel-Prozess erzählt vor Gericht, wie er Sicherheitslücken bei der Arnsberger Firma Umarex ausnutzte.

Der zweite Verhandlungstag beim Waffenhandel-Prozess vor dem Arnsberger Landgericht wirft Fragen zu den Sicherheitsvorkehrungen beim Arnsberger Waffenhersteller Umarex zu Beginn der kriminellen Machenschaften eines ehemaligen Mitarbeiters auf. Ein 47-jähriger Deutsch-Portugiese hatte seit 2015 Waffenteile aus der Firma entwendet und daraus im großen Stil fertige Waffen gebaut und verkauft.

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Der ehemalige Mitarbeiter sagte am Freitag aus und gab den Zusammenbau und Verkauf von aus seiner Sicht bis zu 90 Pistolen Walther P22, 16 PK380 und einer CCP zu. Vor dem Gericht erzählte er, wie es ihm gelang, die Waffenteile aus dem Unternehmen zu schleusen. „Das ging damals so leicht“, sagt der Angeklagte V. auf Befragung des Vorsitzenden Richters Daniel Langesberg, „viele Teile lagen da ja so rum.“

Heimliche Taten während der Nachtschicht

Nach einem ersten Prototyp, den er für sich selbst habe bauen wollen und für den er Teil für Teil auf Basis einer aus dem internen Firmencomputer ausgedruckten Teileliste mit nach Hause genommen hatte und den er später an den Mendener Zwischenhändler Dimitri H. verkauft habe, begann das große Geschäft. Der Mitarbeiter nahm eine Bestellung von weiteren Waffen auf. Mehrmals kam es zu Treffen auf dem Parkplatz der Gaststätte „Alte Post“ in Wimbern. Eingewickelt in Packpapier von Umarex und in Tüten haben die Waffen den Besitzer gewechselt. Dimitri H. bestellte die Waffen und hatte direkt auch seine Abnehmer dafür, denen er die Pistolen P22 weiterverkaufte. Im Gegenzug besorgte er dem Neheimer Munition, der diese angeblich allein für Funktionstests benötigte. „Geschossen habe ich nie mit einer Waffe“, beteuerte er auf mehrfacher Nachfrage des Vorsitzenden Richters.

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Immer in der Nachtschicht habe er sich aus seiner Abteilung in die anderen unbeaufsichtigten Abteilungen geschlichen und die benötigten Teile besorgt. In einer Butterbrotdose habe er diese dann in den Pausen herausgebracht und im Auto versteckt. „Anfangs wurden wir ja gar nicht kon­trolliert“, sagt er. Lediglich Stichproben in Rucksäcken habe es bei den Mitarbeitern gegeben.

„Wollte mehr Geld für Lebensunterhalt“

Der Angeklagte betont vor Gericht, nicht verschuldet gewesen zu sein, nur sein Einkommen habe verbessern wollen. Vorbestraft ist der Mann nicht.

Geboren wurde der Mann 1972 in Portugal, ehe er mit seiner Familie als Kind nach Arnsberg kam.

Die Hauptschule in Arnsberg beendete er ohne Abschluss. Er arbeitete als jahrelang als Hilfsarbeiter und bei Leihfirmen. Seit 2008 war er fest bei Umarex beschäftigt.

Unternehmen verschärft Sicherheitsvorkehrungen

Das änderte sich 2017, als es zunehmend Hinweise auf möglicherweise entwendete Waffen oder Waffenteile bei Umarex gab. Das Unternehmen verschärfte die Sicherheitsvorkehrungen - darauf ging ja auch Geschäftsführer Eyck Pflaumer kürzlich in einem Interview mit unserer Zeitung ein - und baute auch Scan-Schleusen ein. Der Trick mit der Butterbrotdose aber, so erzählt der Deutsch-Portugiese, klappte offenbar weiterhin. „Die ist nicht kontrolliert worden“, sagt er. Sie habe er zusammen mit Handy und Portemonnaie zur Seite gelegt, ehe er durch die Kontrolle gegangen sei.

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Will die Verteidigung diesen Umstand vor Gericht zugunsten ihres Mandaten nutzen? Sie fragte diesbezüglich mehrfach nach und wollte wissen, ob interne Diebstähle denn bei Umarex nicht aufgefallen und ob die Türen zwischen den nicht durchgängig rund um die Uhr arbeitenden Abteilungen während der Nachtschicht denn nicht verschlossen gewesen seien. Einer der Verteidiger sprach abschließend sogar von „einem Selbstbedienungsladen bis 2017“.

Der Hauptangeklagte aber räumte auch ein, dass das Besorgen der Waffenteile zunehmend schwieriger geworden sei. Auch deshalb hatte V. den Preis für die Weitergabe der P22 im Verlauf seiner Geschäfte mit dem Mendener Zwischenhändler von 250 auf 350 Euro erhöht. Später gab es bei der P22 kein Waffenteile-Nachschub. In dieser Phase habe er dann die 16 Modelle vom Typ PK380 aus gestohlenen Teilen zusammenmontiert.

Mitarbeiter wird im Frühjahr 2019 gestellt

„Irgendwann wurde es mir aber zu heiß“, so der Angeklagte. Er will Ende 2018 mit dem Entwenden von Waffenteilen und dem Verkauf aufgehört haben. Erwischt worden war er aber im Frühjahr 2019, als er seinen Rucksack auf die Sicherheitsschleuse legte und sich darin ein Pistolenlauf befand. „Den hat mir jemand da reingepackt“, sagt der Deutsch-Portugiese, „so doof wäre ich doch nicht gewesen.“

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Näher geklärt werden konnte das vor Gericht noch nicht. Sehr wohl fest steht aber, dass der Mann, der sich selbst als „Waffenfanatiker“ bezeichnet, die Waffen im Arbeitszimmer seines Hauses montierte. Dort machte er auch Heimarbeit mit einzelnen Waffenteilen, die er für den Pistolenbau brauchen konnte. Die Heimarbeit sei aber offiziell über seine Frau gelaufen. Auch aus diesen Chargen entwendete er Teile.

Rechnen muss der ehemalige Umarex-Mitarbeiter, so deutete sich in einem Rechtsgespräch an, mit einer Strafe zwischen knapp unter vier oder rund fünf Jahren Haft.