Hagen. Rockerkrieg-Prozess in Hagen: Auch der „Kronzeuge“ kommt wohl als Schütze in Betracht. Die Staatsanwaltschaft erkennt trotzdem keine Wende.

Die Staatsanwaltschaft Hagen sieht auch nach dem jüngsten Hinweis des Gerichts keine Wende im Hagener Rockerprozess. Die Schwurgerichtskammer hatte in dem Prozess um die Schüsse auf einen Bandido auf der Frankfurter Straße im Oktober 2018 erklärt, dass für sie auch eine Mittäterschaft des angeklagten Freeway-Riders-Mitglied (58) möglich sei. Sprich: Auch der 37-jährige Freeway Rider, der mit dem Angeklagten im Auto saß, kommt für die Richter als Täter in Frage.

Der Dortmunder, der im Gegensatz zu anderen Rockern bei der Polizei umfangreich ausgesagt und den 58-Jährigen als Schütze benannt hatte, war aber bislang von der Staatsanwaltschaft nicht angeklagt worden. Ganz im Gegensatz zu dem 58-Jährigen, der sich wegen versuchten Totschlags verantworten muss, seit Dezember in Untersuchungshaft sitzt und wiederum den 37-jährigen „Kronzeugen“ bezichtigt, der Schütze zu sein.

Verfahren gegen 37-Jährigen wegen Tötungsdelikt nie eingestellt

„Unsere Hypothese, dass der 58-Jährige geschossen hat, ist ja eine vorläufige“, so Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli. „Wir haben ja auch das Verfahren gegen den 37-Jährigen wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdelikts nur abgetrennt, nie eingestellt.“ Noch sieht die Staatsanwaltschaft keinen Anlass, gegen den 37-Jährigen weitere Maßnahmen zu ergreifen.

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Es gebe auch keinen Automatismus, dass nach dem Hinweis der Richter nun auch zwangsläufig der 37-Jährige wieder als möglicher Schütze in Betracht kommen müsse. „Sollte dies am Ende des Prozesses in einem Urteil festgestellt werden, wäre das aber natürlich ein starkes Indiz“, so Oberstaatsanwalt Pauli.

Strafrahmen bleibt auch bei Mittäterschaft der gleiche

Für den 58-Jährigen bedeutet der Hinweis des Gerichts, dass der 37-Jährige ein Mittäter sein könnte, nicht unbedingt eine Entlastung. Bei einer Verurteilung wäre der Strafrahmen der gleiche wie als Einzeltäter. Allenfalls bei der konkreten Strafzumessung könnte sich das positiv auswirken.

Stationen des Hagener Rockerkriegs

 1. Oktober 2016: Die Bandidos verkünden die Gründung eines „Prospect-Chapters“ für Hagen, also einer „Anwärter-Gruppierung“ (hier ein Symbolbild).
 1. Oktober 2016: Die Bandidos verkünden die Gründung eines „Prospect-Chapters“ für Hagen, also einer „Anwärter-Gruppierung“ (hier ein Symbolbild). © imago/BildFunkMV | imago stock&people
3. Oktober 2016: Marsch der Freeway Riders von Kückelhausen bis in die Innenstadt: Machtdemonstration gegenüber dem entstehenden Bandidos-Chapter
3. Oktober 2016: Marsch der Freeway Riders von Kückelhausen bis in die Innenstadt: Machtdemonstration gegenüber dem entstehenden Bandidos-Chapter © WP | Kai Uwe Hagemann
9. November 2016: Razzia in einem Bandidos-Treffpunkt in Hagen, nachdem der NRW-Innenminister die Rockergruppe Osmanen Germania verboten hat (hier ein Symbolbild). Es soll Verbindungen gegeben haben.
9. November 2016: Razzia in einem Bandidos-Treffpunkt in Hagen, nachdem der NRW-Innenminister die Rockergruppe Osmanen Germania verboten hat (hier ein Symbolbild). Es soll Verbindungen gegeben haben. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
16. Juni 2018: In einer Shisha-Bar in der Hindenburgstraße sollen Bandidos ein Mitglied einer anderen Rockergruppierung attackiert haben.
16. Juni 2018: In einer Shisha-Bar in der Hindenburgstraße sollen Bandidos ein Mitglied einer anderen Rockergruppierung attackiert haben. © WP | Thomas Nitsche
29. Juni 2018: Nach dem Vorfall in der Hindenburgstraße kommt es zu einer Razzia gegen Bandidos-Mitglieder mit einem Großaufgebot der Polizei. Unter anderem durchsuchen Sondereinsatzkommandos das Vereinsheim in Delstern und Privatwohnungen. Der damalige Präsident des Chapters wird festgenommen, kommt aber bald wieder frei.
29. Juni 2018: Nach dem Vorfall in der Hindenburgstraße kommt es zu einer Razzia gegen Bandidos-Mitglieder mit einem Großaufgebot der Polizei. Unter anderem durchsuchen Sondereinsatzkommandos das Vereinsheim in Delstern und Privatwohnungen. Der damalige Präsident des Chapters wird festgenommen, kommt aber bald wieder frei. © WP Michael Koch | Michael Koch
17. Juli 2018: Am Tücking wird gegen 18.38 Uhr auf ein Mitglied der Freeway Riders geschossen, es bleibt unverletzt. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt.
17. Juli 2018: Am Tücking wird gegen 18.38 Uhr auf ein Mitglied der Freeway Riders geschossen, es bleibt unverletzt. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt. © WP Michael Koch | Michael Koch
17. Juli 2018: Um 19.25 Uhr, nur wenige Minuten nach der Tat am Tücking, wird ein 31-Jähriger, der wohl Anwärter für eine Bandidos-Mitgliedschaft ist, auf dem Gelände der Aral-Tankstelle in Eilpe niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Zwei Männer werden kurz darauf festgenommen, müssen aber wieder freigelassen werden. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt.
17. Juli 2018: Um 19.25 Uhr, nur wenige Minuten nach der Tat am Tücking, wird ein 31-Jähriger, der wohl Anwärter für eine Bandidos-Mitgliedschaft ist, auf dem Gelände der Aral-Tankstelle in Eilpe niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Zwei Männer werden kurz darauf festgenommen, müssen aber wieder freigelassen werden. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt. © Alex Talash | Alex Talash
28. September: Am Bergischen Ring lauern mehrere Männer einem Mitglied der Freeway Riders auf und schießen mehrfach auf seinen Pkw.
28. September: Am Bergischen Ring lauern mehrere Männer einem Mitglied der Freeway Riders auf und schießen mehrfach auf seinen Pkw. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
5. Oktober: Um 21.30 Uhr wird auf der Frankfurter Straße ein Bandidos-Mitglied vor einem Café, das als Treffpunkt der Rockergruppe gilt, niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt.
5. Oktober: Um 21.30 Uhr wird auf der Frankfurter Straße ein Bandidos-Mitglied vor einem Café, das als Treffpunkt der Rockergruppe gilt, niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt. © Alex Talash | Alex Talash
13. Oktober: Um 18.30 werden aus einem Mercedes Cabrio auf der Saarlandstraße vier Schüsse auf einem BMW abgeben, den ein Mitglied der Freeway Riders fährt. Verletzt wird niemand. Noch in der Nacht nimmt ein Spezialeinsatzkommando in der Frankfurter Straße ein führendes Mitglied (31) des Hagener Bandidos-Chapters fest. Gegen ihn ist inzwischen Anklage wegen versuchten Mordes erhoben worden. Der Prozess startet am 25. März.
13. Oktober: Um 18.30 werden aus einem Mercedes Cabrio auf der Saarlandstraße vier Schüsse auf einem BMW abgeben, den ein Mitglied der Freeway Riders fährt. Verletzt wird niemand. Noch in der Nacht nimmt ein Spezialeinsatzkommando in der Frankfurter Straße ein führendes Mitglied (31) des Hagener Bandidos-Chapters fest. Gegen ihn ist inzwischen Anklage wegen versuchten Mordes erhoben worden. Der Prozess startet am 25. März. © Alex Talash | Alex Talash
6. Dezember 2018: Großrazzia gegen die Freeway Riders in Hagen und in mehreren anderen  Städten. Unter anderem wird das Clubgelände in Kückelhausen mit einem Räumpanzer gestürmt. Es gibt mehrere Festnahmen. Es wird ein ganzes Waffenlager beschlagnahmt. Ein 58-Jähriger, der fühendes Mitglied der konkurrierenden Freeway Riders ist, ist auch weiterhin in Haft. Er gilt inzwischen als Schütze bei der Attacke auf den Bandido am 5. Oktober auf der Frankfurter Straße und ist wegen versuchten Totschlags angeklagt.
6. Dezember 2018: Großrazzia gegen die Freeway Riders in Hagen und in mehreren anderen  Städten. Unter anderem wird das Clubgelände in Kückelhausen mit einem Räumpanzer gestürmt. Es gibt mehrere Festnahmen. Es wird ein ganzes Waffenlager beschlagnahmt. Ein 58-Jähriger, der fühendes Mitglied der konkurrierenden Freeway Riders ist, ist auch weiterhin in Haft. Er gilt inzwischen als Schütze bei der Attacke auf den Bandido am 5. Oktober auf der Frankfurter Straße und ist wegen versuchten Totschlags angeklagt. © Alex Talash | Alex Talash
26. Februar 2019: Ein SEK der Polizei nimmt in Hagen einen 44-Jährigen fest, der aktuell Präsident des Bandidos-Chapters Hagen sein soll. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Er soll verantwortlich sein für die Schüsse auf einen Freeway Rider am 28. September am Bergischen Ring. Ebenfalls beschuldigt wird in diesem Fall der 31-jährige Bandido, der auch für die Schüsse auf der Saarlandstraße verantwortlich sein soll und dem ab 25. März wegen versuchten Mordes vor Gericht steht.
26. Februar 2019: Ein SEK der Polizei nimmt in Hagen einen 44-Jährigen fest, der aktuell Präsident des Bandidos-Chapters Hagen sein soll. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Er soll verantwortlich sein für die Schüsse auf einen Freeway Rider am 28. September am Bergischen Ring. Ebenfalls beschuldigt wird in diesem Fall der 31-jährige Bandido, der auch für die Schüsse auf der Saarlandstraße verantwortlich sein soll und dem ab 25. März wegen versuchten Mordes vor Gericht steht. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
17. März: Das Bandidos-Chapter Hagen gibt seine Selbstauflösung bekannt. Ermittler sind skeptisch. Sie werten den Schritt als taktische Finte, um einem möglichen Verbot durch den Innenminister zuvorzukommen.
17. März: Das Bandidos-Chapter Hagen gibt seine Selbstauflösung bekannt. Ermittler sind skeptisch. Sie werten den Schritt als taktische Finte, um einem möglichen Verbot durch den Innenminister zuvorzukommen. © WP Michael Koch | Michael Koch
25. März: Am Landgericht Hagen startet der erste Prozess aus dem Hagener Rockerkrieg.
25. März: Am Landgericht Hagen startet der erste Prozess aus dem Hagener Rockerkrieg. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
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Am Mittwoch wird das Verfahren fortgesetzt. Die Verteidigung hatte nach dem Mittäterschafts-Hinweis eine Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil sie sich umfassend auf die neue Situation vorbereiten müsse. Damit wäre der Prozess vorerst geplatzt. Das Gericht wird eine Entscheidung über diesen Antrag wohl am Mittwoch verkündet.