Hagen. Die Sicherheitsvorkehrungen vor der Synagoge in Hagen sind nach dem Attentat von Halle verschärft worden. Wie die Polizei die Lage einschätzt.

Die Tat eines 27-Jährigen mit offensichtlich rechtsradikalem und antisemitischem Hintergrund, die zwei Todesopfer gefordert hatte, hat Auswirkungen bis nach Hagen. NRW-Innenminister Herbert Reul hatte verstärkte Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Dem ist die Polizei schon am Mittwochabend nachgekommen.

Vorerst gibt es Rund-um-die-Uhr-Bewachung

Streifenwagen vor der jüdischen Synagoge in der Potthofstraße gehören ohnehin schon seit Jahren zum gewohnten Stadtbild: „Sie gehört zu den unter besonderem Schutz stehenden Objekten im Stadtgebiet“, so Polizeisprecher Ralf Bode. Doch diese Maßnahmen sind nun noch einmal erheblich verstärkt worden.

Die Synagoge in der Potthoffstraße. 
Die Synagoge in der Potthoffstraße.  © WP Michael Koch | Michael Koch

Während sonst nur stundenweise und zu besonderen Anlässen ein auch optisch präsenter Streifenwagen vor der Synagoge positioniert wird, ist der Schutz nun vorerst auf eine Rund-um-die Uhr-Bewachung ausgeweitet worden. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, wie Polizeisprecher Ralf Bode betont: „Wir haben derzeit keinerlei Hinweise, dass sich die konkrete Gefahrenlage hier bei uns in Hagen verändert hat.“ Dennoch sei die Polizei wachsam und habe neben der Synagoge auch andere Objekte mit jüdischem Hintergrund wie etwa jüdische Friedhöfe verstärkt im Blick.

Jom Kippur auch in Synagoge Hagen

Auch in der Synagoge in Hagen wurde am Mittwoch Jom Kippur, das jüdische Versöhnungsfest, gefeiert. Von der Tat in Halle erfuhr Hagay Feldheim, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinschaft mit ihren rund 250 Mitgliedern, durch einen Anruf der Polizei, die ohnehin wegen der Sicherheitsmaßnahmen in engem Kontakt mit der Gemeinde steht.

Hagay Feldheim hatte schon vor einiger Zeit gegenüber der WESTFALENPOST berichtet, dass sich viele Juden auch in Hagen unsicher fühlten, da die Anfeindungen auch im öffentlichen Raum zunähmen. Er selbst trage in der Öffentlichkeit keine Kippa mehr. Und dass es eine Angst gibt bei den Juden in Hagen zeigt auch dieser Schritt: Von der Synagoge seien auf Wunsch vieler Mitglieder alle auffälligen jüdischen Symbole entfernt worden. Wie beurteilt er die Lage nach dem Anschlag von Halle? „Diese Frage ist schwer zu beantworten“, sagt Hagay Feldheim vorsichtig.

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Antisemitischer Vorfall in Hohenlimburg

In Hagen, so Polizeisprecher Ralf Bode, habe es in den vergangenen Jahre allerdings keine Häufung von antisemitischen Straftaten gegeben. „Seit 2014 hat unsere Staatsschutzabteilung 14 Taten registriert.“ Darunter seien aber keine massiven Deliktarten wie etwa Körperverletzung gewesen. Und es habe nicht immer ein rechtsradikaler Hintergrund eine Rolle gespielt, sondern auch der israelisch-palästinensische Konflikt.

Zuletzt hatte im Juni ein Fall aus Hohenlimburg für Aufsehen gesorgt – es ist bislang auch die einzig bekannt gewordene im Hagener Stadtgebiet in diesem Jahr. An vier Geschäften in der Innenstadt waren Schaufenster zerkratzt worden – und in zwei Frontscheiben von Geschäften war dabei der Schriftzug „Jude“ eingeritzt worden. Die bisherigen Ermittlungen des Staatsschutzes, so Polizeisprecher Ralf Bode, hätten noch keine Hinweise auf mögliche Tatverdächtige ergeben. „Es scheint aber keinen Bezug zu den Bewohnern oder Geschäftsleuten in diesen Häusern gegeben zu haben.“

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Laut Polizeisprecher Bode sieht der Staatsschutz auch keinerlei Anzeichen für eine rechtsextreme Szene in Hagen: „Es mag Einzelpersonen geben, die rechtsextremem Gedankengut anhängen, aber keine Gruppe. Wir haben hier auch keine Gefährder, die wir ständig beobachten müssen.“

70 Taten im gesamten Zuständigkeitsbereich der Hagener Polizei

Nimmt man den erweiterten Zuständigkeitsbereich der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums Hagen (Hagen, Ennepe-Ruhr-Kreis, Märkischer Kreis, Olpe und Siegen-Wittgenstein) sind seit 2014 insgesamt 70 Taten mit antisemitischem Hintergrund registriert worden, davon sieben in diesem Jahr. Auch hier spielten sowohl offensichtliche rechtsradikale Motive, aber auch der israelisch-palästinensische Konflikt eine Rolle.

Schwere Straftaten, so Polizeisprecher Ralf Bode, seien aber auch hier nicht darunter gewesen. Die letzte massive Tat fand demnach im Oktober 2017 in Menden statt, wo ein Schaufenster an einem Geschäft mit dem Wort Jude beschmiert worden war – die Betreiberin ist wohl tatsächlich Jüdin.

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Laut Staatsschutz gibt es auch in dem Zuständigkeitsbereich keine Erkenntnisse, dass es eine verfestigte rechtsextreme Szene geben könnte. Im Kreis Olpe sei aber die rechtsextreme Partei „Der 3. Weg“ recht aktiv. Die letzte massive Straftat mit rechtsradikalem Hintergrund sei die Brandstiftung in Altena auf ein Haus mit Flüchtlingen gewesen. Die Täter sind inzwischen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Donnerstagabend Film in der Pelmke zu Judenverfolgung

Indes findet am Donnerstagabend am Tag nach der Tat von Halle im Kulturzentrum Pelmke in Wehringhausen eine Veranstaltung statt, die die Judenverfolgung im Dritten Reich thematisiert. Ein Zufall, da die Veranstaltung schon länger terminiert ist, nach der Tat erhält die Veranstaltung aber noch einmal eine besondere Brisanz und Aktualität. Gezeigt wird ab 19 Uhr der Kino-Dokumentarfilm „Wir sind Juden aus Breslau“ von Karin Kasper und Dirk Szuszies.

In ihm geht es um Juden, die als Jugendliche den Holocaust überlebt haben und ihre Schicksale nach 1933. Anschließend gibt es ein Regisseur-Gespräch. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit lädt dazu in das Kino Babylon ein. Interessierte sind willkommen.