Hagen. . Weiter Ärger mit der Klimaanlage für das Kunstquartier in Hagen: Weil zuviel Wärme in das Erdreich gelangt, muss dieses aufwändig gekühlt werden.

Ein weiteres Kapitel im dicken Buch „Klimaanlage im Kunstquartier“: Das Erdreich unter dem Schumacher-Museum ist durch die weiterhin nicht reibungslos verlaufende Anlage inzwischen in den warmen Monaten so erhitzt, dass es gekühlt werden muss. Ein Ende dieses Zustands ist nicht absehbar.

Am 20. Dezember läuft am Landgericht erneut eine Frist in dem schon seit dem Jahr 2010 laufenden Beweissicherungsverfahren (Aktenzeichen 9 H 20/10) ab. Das ist aber ohnehin erst das Vorspiel für einen möglichen Prozess, in dem Planungs- und Ausführungsfehler bei der einst als außergewöhnlich innovativ angepriesenen Klimaanlage für das Karl-Ernst-Osthaus- und das Emil-Schumacher-Museum geklärt werden sollen.

Das System und die Fehler

Jetzt ist sie in der Winterpause. Die blaue Anlage, die in den Sommermonaten hinter dem Kunstquartier stand. Seit Mai war sie im Dienst, so wie auch schon in den Jahren zuvor, um das Erdreich unterhalb des Schumacher-Museums zu kühlen.

60 Kilometer Leitungen laufen durch den Bau

Das Kunstquartier in seiner jetzigen Form mit dem Karl-Ernst-Osthaus-Museum und dem neuen Emil-Schumacher-Museum wurde im Jahr 2009 eröffnet. Die Kosten für die Neu- und Umbauten werden auf 25 Millionen Euro beziffert.

Das Heizungs- und Klimasystem galt als äußerst innovativ und umweltfreundlich und sollte wenig laufende Kosten verursachen. Es besteht unter anderem aus 60 Kilometern teils sehr dünnen Leitungen, in denen 57.000 Liter Wasser laufen.

Als Laie mag man zunächst denken, Erdsonden seien eine Art Einbahnstraße. Die Wärme wird aus der Erde gezogen, heizt ein Gebäude und entschwindet wieder. Doch das System ist komplexer: Das Erdreich soll vielmehr den Temperaturausgleich garantieren und – je nach Witterung – sowohl für Wärme als auch für Kühle sorgen. Ist es kalt, wird die Wärme dem Erdreich entzogen. Ist es warm, kann die Wärme in das Erdreich geleitet werden, wo sie abgekühlt wird.

88 Erdsonden in 99 Metern Tiefe

Soweit die Theorie. Im Kunstquartier funktioniert dieser natürliche Ausgleich schon lange nicht mehr. Es ist soviel Wärme in das Erdreich geführt worden, dass es jetzt künstlich gekühlt werden muss. 88 Erdsonden sind insgesamt für das Kunstquartier in 99 Meter Tiefe gebohrt worden. Und zwar verteilt auf zwei Systeme.

Ende des Beweissicherungsverfahrens nicht absehbar

Bei demBeweissicherungsverfahren geht es noch gar nicht in erster Linie um die mögliche Verantwortung für die Pannen. Es soll zunächst eine Grundlage für das zivilrechtliche Verfahren geschaffen werden. „Das Verfahren ist erst dann beendet, wenn die Parteien keine Fragen mehr an den Sachverständigen haben“, sagt Heike Hartmann-Garschagen, die Sprecherin des Landgerichts Hagen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Der Gutachter arbeitet also weiter, am 20. Dezember läuft erneut eine Frist ab. Konkret: Dann wird die Akte erneut dem zuständigen Richter vorgelegt, der dann entscheidet, wie es weiter geht. Nur eins ist klar: Das Rechtssystem hat keine Eile. „Durch das eigenständige Beweissicherungsverfahren sind Verjährungsfristen gehemmt“, so die Sprecherin. Also: Eine Verjährung steht nicht im Raum.

Langwieriger Rechtsstreit

Eile verspürt aber durchaus die Stadt. Den Betrieb ständig aufrecht zu erhalten, erfordert einen erheblichen Aufwand. „Wir protokollieren zwar genau alle Kosten, die unserer Meinung nach durch die fehlerhafte Anlage auflaufen“, so Baudezernent Thomas Grothe im WP-Gespräch. „Wir wollen diese Kosten natürlich erstattet bekommen.“ Ob man am Ende eines langwierigen Rechtsstreits aber tatsächlich noch Verantwortliche finden könne, die dann auch zahlungsfähig sind, sei noch unklar.

Wäre es da nicht besser, den Rechtsstreit zu stoppen, die Anlage so umzubauen, dass sie läuft und so die Mehrkosten zu sparen? Sowohl GWH-Leiter Volker Bald als auch Baudezernent Thomas Grothe schütteln den Kopf. Die Stadt könne nicht einfach so auf mögliche hohe Forderungen verzichten.

Interesse an einvernehmlicher Lösung

Das Architekturbüro, das das Schumacher-Museum geplant hat, wollte sich auf WP-Anfrage nicht im Detail zu der Anlage und dem Beweissicherungsverfahren äußern. Nur soviel: Man sei weiter daran interessiert, zügig zu einer einvernehmlichen Lösung mit der Stadt zu kommen. Man habe auch keine weiteren Fragen an den Gutachter. Das Fachplanungsbüro für die Klimaanlage war für eine Nachfrage nicht zu erreichen.

Das eine System beinhaltet grob gesagt alle Sonden unterhalb des Schumacher-Museums. Es ist für die Temperaturen innerhalb der Gebäude zuständig. Das andere System besteht aus den Sonden, die entlang der Fassaden des Schumacher-Museums und des Osthaus-Museums-Anbaus verteilt sind.

Letzteres System funktioniert einigermaßen. Mit Wasser wird die gläserne Fassade so gekühlt, dass sie nicht zu sehr erhitzt. Das andere Sondensystem machte allerdings von Beginn an Sorgen. Damit den Besuchern der Museen nicht zu heiß wird und vor allem die Kunstwerke keinen Schaden nehmen, müssen in den Ausstellungsräumen konstant 20 Grad Celsius und 55 Prozent relative Luftfeuchtigkeit herrschen. Das schafft das Erdsondensystem aber nicht.

Die Gegenmaßnahmen

Schon vor Jahren musste in den Technikräumen quasi eine Klimaanlage für die Klimaanlage installiert werden (Anschaffungskosten 59.000 Euro, Stromkosten rund 800 Euro im Monat), weil diese zu heiß lief. Doch das reicht nicht: Sobald die wärmere Jahreszeit beginnt, wird auch die blaue Anlage hinter dem Kunstquartier wieder aufgebaut. Die Kosten: rund 3600 Euro im Monat. „Ohne all diese Maßnahmen hätten wir das Kunstquartier längst schließen müssen“, sagt Volker Bald, der Leiter der zuständigen städtischen Gebäudewirtschaft Hagen (GWH).

Es ist nicht so, als dass die städtischen Experten nicht ahnen würden, wo die Fehler liegen. Die Sonden unterhalb des Schumacher-Museums könnten zu eng beieinander liegen. Womöglich könnte aber auch schon eine Verbindung zwischen den beiden unterschiedlichen Sonden-System helfen, die es bislang nicht gibt. Gleichwohl: Die Stadt kann nichts daran ändern. Es herrscht quasi ein Verbot, etwas an der Anlage zu verändern, so lange das Beweissicherungsverfahren läuft.