Hagen. . Die durch Baumängel zu hohen Kosten fürs Kunstquartier galoppieren weiter davon. Ein Ende des Beweissicherungsverfahrens ist nicht abzusehen.

Mehr als 3000 Tage sind vergangen, seit mit großem Pomp das Hagener Kunstquartier als kleiner, aber feiner Stern am europäischen Museumshimmel eröffnet wurde. Eine ehrgeizig formulierte Erwartungshaltung, die angesichts der gut 250 Punkte umfassenden Baumängelliste zumindest technisch bis heute ein Luftschloss bleibt.

Statt mit Besucherrekorden machte das 26-Millionen-Euro-Projekt bislang eher im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes als Pannen-Panoptikum mit schmerzlichem Folgekosten-Debakel bundesweit Schlagzeilen.

Mängelbeseitigung ist verboten

Filter an den Wasserhähnen des Museums sollen die Besucher davor schützen, mit dem keimbelasteten Nass aus den Leitungssystemen in Berührung zu kommen.
Filter an den Wasserhähnen des Museums sollen die Besucher davor schützen, mit dem keimbelasteten Nass aus den Leitungssystemen in Berührung zu kommen. © Michael Kleinrensing

Neueste Hiobsbotschaft: Die Keimbelastung in den Frischwasserleitungen der beiden Gebäude hat sich inzwischen so dramatisch verschlechtert, dass die Stadt sich gezwungen sieht, Trinkwasserspender auf den Museumsfluren aufzustellen. Damit sollen Besucher gar nicht erst in Versuchung geraten – den bereits platzierten Warnhinweisen in den Sanitärräumen zum Trotz –, ihren Durst mal mit einem Schluck aus dem Wasserkran zu befriedigen.

„Unsere Experten wissen zwar, wie man die Qualität des Wassers verbessern könnte“, betont Stadtsprecher Thomas Bleicher. „Allerdings dürfen wir ja aufgrund des seit 2010 laufenden gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens, das die Verantwortlichkeiten für die Mängel klären soll, keinerlei technische Eingriffe an der Anlage vornehmen.“ Ein absurdes Dilemma, dessen Ende weiterhin nicht absehbar erscheint.

Erwartungen wurden nie erfüllt

Bereits vor der offiziellen Eröffnung des Kunstquartiers im August 2009 wurde bei den ersten Praxisläufen offenkundig, dass die filigrane Technik der futuristischen Immobilie kaum so funktioniert wie ursprünglich angepriesen. In Hochglanzbroschüren wurde das Objekt mit seinem Mix aus Solartechnik, Wärmepumpen und Geothermie umwelttechnologisch an die Spitze internationaler Museumsbauten gelobt. 81 Erdsonden, die sich unter der Bodenplatte 99 Meter tief in Richtung Erdkern bohren sowie Sonnenpaneele auf dem Dach sollten die Ausstellungsräume in Neu- und Altbau, so die Hochrechnungen der Ingenieure, quasi in ein Nullenergiehaus verwandeln.

Die jährlichen Folgekosten, die der Politik bei der Entscheidungsfindung mit spektakulär günstigen 461 000 Euro vorgerechnet wurden, liegen in der Realität eher bei 1,2 bis 1,5 Millionen Euro – also etwa 200 Prozent über den ursprünglichen Versprechungen.

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Exakte Zahlen will die Stadt angesichts der technischen Unwägbarkeiten aktuell nicht nennen: „Vor dem Hintergrund der aufgetretenen Mängel kann der ursprüngliche Kostenrahmen nicht eingehalten werden“, heißt es in einer Stellungnahme auf WP-Anfrage. „Dies hat zum Teil deutliche Überschreitungen der Kalkulation zur Folge.“

Um den permanent auflaufenden Schaden zu begrenzen und den Besucherbetrieb – 25 000 zahlende Gäste werden pro Jahr im Kunstquartier erwartet – aufrecht erhalten zu können, hat die Gebäudewirtschaft bislang lediglich provisorische Maßnahmen ergriffen, die den Kämmerer bislang aber immerhin drei weitere Millionen Euro gekostet haben. Wer am Ende für die erheblichen Mängel und die daraus resultierenden Folgekosten für Nachbesserungen einstehen muss, steht im Zentrum des andauernden Beweissicherungsverfahrens.

Gutachter lässt auf sich warten

Bislang liegen lediglich Teilgutachten vor. Daher konnte auch noch kein Planungskonzept entwickelt werden, wie die systematische Mängelbeseitigung eines Tages vonstatten gehen könnte, welche Folgesummen diese verschlingen wird und wer diese zu erwartenden Millionen-Beträge zu tragen hat.

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Zwar hat der Karlsruher Sachverständige, der im laufenden Verfahren keinerlei Presseanfragen beantwortet, noch für dieses Jahr angekündigt, weitere Teil-, eventuell sogar das Schlussgutachten vorzulegen.

Doch nach Angaben der Stadt sind von dem Experten bislang nicht einmal die Stellungnahmen der beteiligten Parteien zu den vorangegangenen Teilgutachten bearbeitet worden. Bereits vor zwei Jahren hatte Hagens Rechtsdezernent Thomas Huyeng in einem Interview betont: „Ich gebe inzwischen keine Prognosen mehr ab, wann das Beweissicherungsverfahren beendet sein wird.“

Juristisches Verfahren kann sich hinziehen

Erst mit Vorlage des Schlussgutachtens, das nach Möglichkeit sämtliche Verantwortlichkeiten und Mängelbeseitigungsstrategien zu dem Pannen-Bau aufzeigen soll, möchte die Stadt Hagen entscheiden, welche juristischen Schritte sie daraus ableitet.

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Theoretisch könnten sich zivilrechtliche Verfahren über mehrere Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof anschließen, die sich wiederum über mehrere Jahre hinziehen dürften. Verjährungsrisiken drohen hier nicht: Durch das Beweissicherungsverfahren wurde der Kalender quasi angehalten.

Allerdings steht schon heute fest, dass die seinerzeit federführende Arbeitsgemeinschaft, die die gesamte Planung des Projektes ausgeführt hat, aufgrund eines Todesfalls sowie einer Insolvenz in der ursprünglichen Zusammensetzung haftungsrechtlich schon nicht mehr greifbar sein dürfte . . .