Hagen. . Als eines der umwelttechnologisch innovativsten Museen war das Kunstquartier gestartet. Doch diesen Versprechen hat das Haus noch keinen Tag gehalten.
- Seit fast sechs Jahren läuft das Beweissicherungsverfahren im Kunstquartier
- Es gibt keine Signal, wann der Sachverständige fertig sein wird
- Solange dürfen die Baumängel an dem Komplex nicht beseitigt werden
Mehr als 2000 Tage – also fast sechs Jahre – sind verstrichen, seit ein Gutachter vom Gericht beauftragt wurde, sich im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens der Mängelliste des Emil-Schumacher-Museums anzunehmen. Ein abschließendes Ergebnis liegt bis heute nicht vor, ja ist noch nicht einmal in Sichtweite.
Für den Steuerbürger fatal: Denn solange ein vereidigter Experte die zahlreichen Defizite, deren Ursachen sowie deren Beseitigung nicht abschließend aufgearbeitet und entsprechende Empfehlungen ausgesprochen hat, darf die energiefressende Technik der Immobilie nicht nachgebessert werden und die Baumängel – die Liste ist etwa 250 Punkte lang – müssen unangetastet bestehen bleiben. Eine von Juristen verfügte, lähmende Konstellation, die Unsummen frisst: 2,5 Millionen Euro hat die Stadt schon an außerplanmäßigen Investitionen aufgrund der Baumängel aufaddiert – in diesen Betrag noch nicht eingerechnet sind Extra-Energiekosten aufgrund der Unzulänglichkeiten der Anlagen.
Huyeng: „Halte es für ein Unding“
„Ich halte es für ein Unding, dass der Fall bis heute vom Sachverständigen nicht geklärt worden ist“, betont Thomas Huyeng, Rechtsdezernent der Stadt Hagen, dass die Kommune über Schriftsätze ihrer Anwälte nichts unversucht lasse, das Verfahren zu beschleunigen. Als federführender Hauptverantwortlicher agiert hier – neben diversen Fachgutachtern – ein Ingenieur aus Karlsruhe. „Ich weiß nicht, ob der Sachverständige das mit dem Nachdruck bearbeitet, wie wir uns das wünschen. Mich macht das richtig wütend, aber es macht auch keinen Sinn, irgendwelche Abschlusstermine herbeizusehnen – das tue ich schon lange nicht mehr.“
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Bereits kurz nach der Eröffnung wurde offenkundig, dass die filigrane Technik des Schumacher-Museums im Praxisbetrieb nie so funktionierte wie ursprünglich angepriesen. In Hochglanzbroschüren wurde das Objekt mit seinem Mix aus Solartechnik, Wärmepumpen und Geothermie im Vorfeld umwelttechnologisch an die Spitze internationaler Museumsbauten gelobt. Mit Hilfe der 81 Erdsonden, die sich unter der Kunst 99 Meter tief in Richtung Erdmagma recken, und den Sonnenpaneelen auf dem Dach sollten sich die Ausstellungsräume, so die Zusagen der Ingenieurbüros, in ein Nullenergiehaus verwandeln. Bislang nichts als blanke Theorie.
Inzwischen räumt die Stadt offiziell ein, dass die Planer eine so günstige Bewirtschaftung zugesichert hätten wie sie sich wohl niemals einstellen werde. Und auch die politisch Verantwortlichen geben zu, dass es das Kunstquartier in der heutigen Form kaum geben würde, wenn beim Baubeschluss des Rates im Jahr 2002 reelle Zahlen auf den Tischen der Entscheider gelegen hätten. „Die Zahlen, die man seinerzeit aufgeschrieben hat, konnte man gar nicht erreichen“, gestand einst Großprojekte-Koordinatorin Christine Grebe, „der zuständige Dezernent hätte so etwas nicht unterschreiben dürfen.“
55 vergebliche Feuerwehreinsätze
Inzwischen muss der Kämmerer in seine jährlichen Haushaltsplanungen längst einpreisen, dass die Betriebskosten um gut eine Million Euro pro Jahr höher ausfallen als ursprünglich zugesagt.
Millionenprojekt mit vielen Geldgebern
Privatmittel, aber vor allem Gelder aus unterschiedlichen Steuertöpfen sind in das Kunstquartier bestehend aus Schumacher- und Karl-Ernst-Osthaus-Museum geflossen.
Die Mittel teilten sich so auf: 11,3 Millionen Euro Museumsförderung (Land NRW), 512 000 Euro Regionalverband Ruhr, 735 000 Euro Landschaftsverband Westfalen-Lippe, 300 000 Euro Förderung für regenerative Energien (Land NRW), 2,1 Millionen Euro Stadterneuerung (Land NRW), 4,3 Millionen Euro Schumacher-Stiftung und 6,4 Millionen Euro Stadt Hagen.
Extra-Geräte für differenzierte Strommessungen, Baumarkt-Luftbefeuchter für das passende Raumklima als Ersatz für verkeimte Klimatechnik und Wasserleitungen, Feuerwehr-Fehlalarme zuhauf aufgrund von Druckabfall in den Sprinkleranlagen (bislang 55 vergebliche Einsätze) oder auch luftgekühlte Kältemaschinen, um eine Überhitzung der Klimatechnik zu verhindern – die Liste der absurden, vor allem aber kostspieligen Klimmzüge, die den Museumsbetrieb in den vergangenen Jahren aufrecht erhielten, ließe sich beliebig fortsetzen. Wer dafür am Ende haftbar zu machen ist und diese Zeche zu zahlen hat, wird nach dem laufenden Beweissicherungsprozedere im Rahmen des eigentlichen Hauptsacheverfahrens zu klären sein. Ein Gerichtsprozess, so befürchtet Huyeng, der sich sicherlich noch über ein weiteres Jahr hinziehen dürfte – Berufungsinstanzen mal nicht eingerechnet.
Dennoch bleibt Huyeng optimistisch, dass neben der Stadt Hagen auch die beteiligten Ingenieurbüros und Fachfirmen ein hohes Interesse haben, den im Sommer 2009 eröffneten 26-Millionen-Euro-Bau letztlich zur Zufriedenheit aller fertigzustellen. „Die Firmen haben auch eine Reputation zu verlieren“, denn in der Szene ist natürlich bekannt, wer sich alles an dem Hagener Vorzeigeprojekt verhoben hat.