Hagen. . Hektische Tage bei Enervie: Unter Hochdruck entsteht ein Sanierungsplan, um das Unternehmen zu retten. Die Stadt Hagen soll einen Beitrag leisten.

Der Ritt auf der wirtschaftlichen Rasierklinge geht für die Enervie AG in eine Schlüsselphase: In den nächsten beiden Wochen entscheiden die größten Anteilseigener des regionalen Energieversorgers (Hagen 42,7 Prozent, Lüdenscheid 24,1 Prozent, Remondis 19,1 Prozent), ob sie an die Zukunfts- und Sanierungsfähigkeit des kommunal getragenen Unternehmens noch glauben und deshalb bestehende Liquiditätsengpässe mit millionenschweren Gesellschafterdarlehen überbrücken – oder stattdessen am Ende gar die Planinsolvenz droht. Zu offiziellen Stellungnahmen sind aktuell weder Vorstands- noch Aufsichtsratsvertreter bereit.

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Recherchen unserer Redaktion ergeben jedoch folgendes Bild: Alles hängt davon ab, ob die inzwischen durch die Gläubigerbanken installierte Unternehmensberatungsgesellschaft Roland Berger die Enervie-Substanz ökonomisch für würdig und ausreichend erachtet, um mit einem straffen Sanierungskonzept ins nächste Jahrzehnt durchstarten zu können. Immerhin drückt die Aktiengesellschaft ein Rucksack an Verbindlichkeiten, der etwa 600 Millionen Euro schwer ist. Den Großteil machen nach Informationen dieser Zeitung Bankenkredite in Höhe von 300 Millionen Euro sowie Pensionsrückstellungen von 200 Millionen Euro aus. Ein gewaltiger Schuldenberg, der angesichts der wegbrechenden Einnahmen aus der Erzeugung kaum handhabbar erscheint.

Ergebnissteigerung gefordert

Um diese Verschuldung rechtfertigen zu können, fordern die Banken eine deutliche Ergebnissteigerung. Diese klare Haltung der Kreditgeber machte der neue Interims-Enervie-Vorstandssprecher Christoph Köther, der zuvor acht Monate im Aufsichtsrat agiert hatte, im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung deutlich. Daher, so die Forderung des von der Nord LB angeführten Bankenlenkungskreises, sollen jetzt die Gesellschafter in die Bresche springen und die Finanzlücke mit einem Darlehn in Höhe von 60 Millionen Euro füllen. Denn den Kreditgebern reicht angesichts der dramatischen Lage bei Enervie eine bloße Bürgschaft nicht aus, sondern sie fordern als Bekenntnis der Anteilseigner zum Unternehmen eine konkrete Cash-Geldspritze.

Liquiditätsenpässe abfedern

Mit dem Gesellschafter-Darlehen in Höhe von 60 Millionen Euro sollen die bedrohlichen Liquiditätsengpässe in den nächsten Monaten abgefedert werden.


Obwohl die Enervie AG im Jahr 2015 schwarze Zahlen schreiben wird, bleiben die flüssigen Geldmittel das zentrale Problem des Unternehmens.

Für diesen Prozess wurde zwischen den Banken und der Enervie ein Stillhalteabkommen mit einer Laufzeit bis Ende August geschlossen. In dem komplexen, vom Aufsichtsrat abgesegneten Kontrakt sichern die Banken zu, während dieser Frist keine Kredite fällig zu stellen, also Geld zurückzufordern. Außerdem ist Enervie von Tilgungsleistungen befreit. Die Schonfrist wird unter der Regie der Berger-Experten genutzt, um ein tragfähiges Finanzierungs- und Sanierungskonzept zu entwickeln. Dabei geht es mit Priorität um die Fragen: Ist die Sanierungsfähigkeit sowie die Sanierungswürdigkeit gegeben – und durch welche Maßnahmen kann das Ziel erreicht werden? Parallel wird ein neuer Businessplan erstellt, der zu einer signifikanten Ergebnissteigerung führen muss. Sofern dies gelingt, wovon die Beteiligten ausgehen, ist die Basis für ein tragfähiges Finanzierungskonzept geschaffen.

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Obwohl das finale Berger-Gutachten erst im August vorliegt, erwarten die Banken bereits auf Grundlage erster Vorabergebnisse von den Räten in Hagen (18. Juni) und Lüdenscheid (22. Juni) sowie dem privaten Anteilseigner Remondis konkrete Darlehenszusagen. In einem zweistufigen Verfahren gibt sich der Bankenkreis zunächst mit einer Bürgschaftszusage der Politik zufrieden, die dann jedoch – sollte es eine positive Fortführungsprognose für Enervie geben – in ein echtes Darlehen mündet. Eine entsprechende Erklärung der Anteilseigner, dass am Ende tatsächlich echtes Geld fließt, ist zentraler Bestandteil der geschlossenen Stillhaltevereinbarung.

Geld soll über Stadt-Tochter fließen

Die klamme Stadt Hagen müsste konkret einen Betrag von etwa 30 Millionen Euro liefern. Geplant ist, dass die städtische Tochter HVG, also die Hagener Versorgungs- und Verkehrs-Gesellschaft, diese Summe aus ihren Fonds-Rücklagen bereit stellt. Ein Finanzgeschäft, das die Nothaushaltskommune bereits mit der Kommunalaufsicht in Arnsberg intensiv diskutiert hat.

Offen bleiben derweil noch EU-rechtliche Fragen: Brüssel könnte gegen das Geschäft Einspruch einlegen, weil hier durch eine kommunale Querfinanzierung in freien Wettbewerb eingegriffen wird . . .