Hagen. . Paukenschlag: Bei der routinemäßigen Wahl zum Enervie-Aufsichtsrat ist CDU-Kreischef Christoph Purps aus dem Gremium gewählt worden. Ein Linker folgt nach.
Politischer Paukenschlag Donnerstagabend im Stadtrat: Bei der eigentlich als Routine angesehenen Neuwahl des Enervie-Aufsichtsrates ist in einer geheimen Abstimmung der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Purps aus dem in Tagen der Krise so entscheidenden Kontrollgremium herausgewählt worden. Statt seiner nimmt nun das bislang völlig unbekannte und politisch unerfahrene Linkspartei-Mitglied Frank Dreesbach den Sitz ein.
Die politischen Diskussionen um den kriselnden Energieversorger Enervie werden damit zum Possenspiel: Die Vertreter der großen Ratsfraktionen konnten sich gestern nicht auf eine gemeinsame Resolution einigen, die zum Ziel hatte, der kommunal dominierten Aktiengesellschaft gegenüber Banken und Unternehmensberatern symbolisch den Rücken zu stärken.
Zudem flog der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Purps überraschend aus dem Aufsichtsrat des Versorgers. Statt des Unternehmers, der in den letzten Monaten reichlich Zeit und Energie in immer wieder außerplanmäßig anberaumte Sitzungen gesteckt hatte, zieht nun der völlig unbedarfte Linken-Vertreter Frank Dreesbach in das wichtige Gremium ein. Bestätigt wurden indes der SPD-Vorsitzende Timo Schisanowski, CDU-Ratsherr Stephan Rammrath und Grünen-Fraktionssprecher Joachim Riechel.
Zweite Liste der Linken
Dreesbach kam nur zum Zuge, weil Linken-Fraktionschef Ingo Hentschel mit einer eigenen Liste in die Abstimmung zog, auf der nur der gelernte Dreher auftauchte. Da in geheimer Wahl offenbar neben den drei Linken-Politikern auch sieben Mitglieder anderer Fraktionen bzw. Gruppierungen für die Liste votierten, kam Dreesbach auf neun Stimmen. Mehr, als auf den auf Rang vier der ersten Liste platzierten Purps anteilig entfielen.
Nicht minder bizarr gestaltete sich die Debatte um das gemeinsame Bekenntnis des Rates zum Energieversorger, aus dessen Dividenden jahrelang das Millionen-Defizit der Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft ausgeglichen werden konnte. Noch am Dienstag hatten sich SPD, CDU, Grüne und FDP auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt. Anschließend machte die CDU noch einmal Änderungsbedarf deutlich. Dabei ging es unter anderem um das Einfordern einer Dividenden-Ausschüttung im Jahr 2016. Während CDU-Sprecher Wolfgang Röspel von „marginalen Änderungen“ sprach, fühlte sich die SPD vorgeführt und sah laut Werner König „damit die Basis für einen gemeinsamen Weg bewusst zerstört“.
Appelle verhallen
Verheerendes Signal
Natürlich darf ein Linker in einen Aufsichtsrat einziehen. Natürlich darf im Rat in geheimer Wahl frei abgestimmt werden. So viel zur Theorie. In der Praxis ist gestern ein Erdbeben und eine politische Dummheit geschehen. Man mag zu Christoph Purps stehen wie man will. Aber als CDU-Kreisvorsitzender ist er schon qua Amt ein politisches Schwergewicht. Und selbst Gegner sagen: Er hat sich in die Materie tief eingearbeitet. Nun wird er abgesägt. Und ersetzt von einem Linken. Aber nicht etwa durch einen Fachmann, vielleicht einen linken Wirtschaftswissenschaftler. Nein, es wird in der schwersten Krise des Unternehmens ein völlig unbedarfter Kandidat gewählt. Haben die, die das im Schutze der geheimen Wahl getan haben, auch nur geahnt, was sie anrichten?
Genauso schlimm ist die gescheiterte Resolution, dass der Rat geschlossen hinter Enervie steht. Welch ein verheerendes Signal an Belegschaft, Bürger und Banken. Bei der Trennung von Enervie-Chef Grünhagen hieß es, nun müsse verhindert werden, dass die Unternehmensberatung Roland Berger und damit die Gläubiger-Banken das Zepter übernehmen. Gestern hat ihnen der Rat die Tür geöffnet. Michael Koch
Auch die mehrfachen Appelle von Oberbürgermeister Erik O. Schulz, zumindest die nicht veränderte Präambel mit breiter Mehrheit gemeinsam zu verabschieden, scheiterte. In dieser bekräftigt der Rat unter anderem sein „uneingeschränktes Bekenntnis zum Unternehmen Enervie als wichtige Säule der Energie- und Wasserversorgung der Bevölkerung“. Der überarbeitete Entwurf wurde letztlich mit 32 Ja-Stimmen und 22 Enthaltungen angenommen.