Hagen. Angesichts der geringen Enervie-Eigenkapitalquote machen die Banken Druck. Daher sind die künftigen Dividendenausschüttungen fraglich.

Die aktuell viel zu kurze Eigenkapitaldecke der Enervie-Gruppe (voraussichtliches Jahresminus 2014: 132 Millionen Euro) könnte angesichts des Drucks der Banken absehbar dazu führen, dass das Unternehmen auch in den nächsten Jahren keine Dividende an die kommunalen Anteilseigner ausschüttet.

Diese bittere Wahrheit musste der Aufsichtsrat in seiner jüngsten Sitzung zur Kenntnis nehmen. Damit müsste die Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG), die mit dem Millionenbetrag ihr jährliches Defizit aus dem Bus- und Bäderbetrieb abfängt, ihre Rücklagen weiter aufbrauchen, um Kämmerer Christoph Gerbersmann nicht mit dem Etat-Ausgleich für das Unternehmen zusätzlich zu belasten.

Liquiditätslage der Enervie ist sehr angespannt

Dem Aufsichtsrat lag am 15. Dezember ein Enervie-Papier vor, in dem den Mitgliedern eröffnet wurde, dass die Banken bis zum Jahr 2020 von Enervie eine Eigenkapitalquote von 25 Prozent einfordern. Vor dem Hintergrund der massiven Verluste dürfte dieser Wert, so die Berechnungen durch das städtische HVG-Beteiligungscontrolling, zum Jahresende 2014 jedoch lediglich noch bei 7,2 Prozent liegen. „Damit liegt das Eigenkapital des Enervie-Konzerns erheblich unter der durchschnittlichen Eigenkapitalquote deutscher Energieversorger“, warnen die Controller.

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„Die Liquiditätslage der Enervie ist sehr angespannt, insbesondere der hohe Verschuldungsgrad und die deutlich rückläufige Eigenkapitalquote machen es notwendig, die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen konsequent umzusetzen und alle liquiditätsbelastenden Maßnahmen zu beschränken.“ Dazu gehören beispielsweise neben Millionen-Ausgaben in die heftig diskutierte Ertüchtigung des Hengsteyer Wasserwerks auch die alljährlichen Dividendenausschüttungen an die Anteilseigner in Höhe von 17 Millionen Euro, von denen vorzugsweise Hagen über die HVG profitiert.

Spärliches Konzernergebnis

Enervie-Planzahlen weisen nur geringe Gewinne aus

Nach einem Bilanzgewinn im Jahr 2013 von gerade einmal 3,6 Millionen Euro erwartet die Enervie-Finanzplanung für den Konzernabschluss 2014 ein Minus von 132 Millionen Euro.

Erst 2015 soll es wieder ein Plus von gerade einmal 700 000 Euro geben. Für die vier Folgejahre 2016 bis 2019 werden Gewinne zwischen 18,6 und 23,9 Millionen Euro erwartet – wenig Luft für Dividendenzahlungen, es sei denn, das Unternehmen greift auf seine Rücklagen zurück.

Angesichts der anhaltenden Enervie-Krise muss dieses Geld durch die Dividende-Ausfälle in den Jahren 2014 und 2015 bereits aus den HVG-Vermögensrücklagen – das Kapital stammt aus dem Stadtwerke-Verkauf – kompensiert werden. Wenn unter dem Druck der Banken jetzt vier weitere Jahre ein Dividendeausfall droht, müsste die HVG insgesamt 45 Millionen Euro aus ihren Spezialfonds verfrühstücken. „Nach der erfolgreichen Konsolidierung der vergangenen Jahre ist dies eine äußerst problematische Entwicklung für das Unternehmen, wenn erhebliche Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen und die Bilanz belasten“, konstatiert HVG-Geschäftsführer Christoph Köther. „Das stellt die Zukunftsfähigkeit in Frage.“

Nach Horror-Jahr erwartet Enervie auch für 2015 keine Gewinne 

Nach dem bilanziellen Horror-Jahr 2014 erwartet Enervie auch für 2015 keine Gewinne. Erst in den Jahren 2016 bis 2019 sehen die Planzahlen ein jährliches Plus zwischen 18,6 und 23,9 Millionen Euro vor – angesichts eines Milliarden-Umsatzes ein eher spärliches Konzernergebnis.

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Würde Enervie vor diesem Hintergrund dennoch ab 2016 wieder eine Jahresdividende von 17 Millionen Euro ausschütten, so erfuhr der Aufsichtsrat, ließe sich die Eigenkapitalquote lediglich auf 10 Prozent steigern. Aber selbst wenn das Unternehmen auf diese Auszahlung verzichtet, ließe sich das Eigenkapital bis 2020 lediglich auf 17,6 Prozent erhöhen. Also deutlich weniger als die von den Banken geforderten 25 Prozent. Die Kreditgeber skizzieren die Gesamtsituation insgesamt ohnehin als „sehr kritisch“.

„Wir dürfen die HVG nicht ausbluten lassen“

Kämmerer Christoph Gerbersmann blickt bereits mit Sorge auf diese Entwicklung. „Für den Gesamtkonzern Stadt ist es extrem problematisch, wenn die Enervie-Dividende in den nächsten Jahren nicht in voller Höhe fließt“, möchte er es den Bürger in Zukunft nicht zumuten müssen, die Verluste des Bus- und Bäderbetriebs durch weitere Steuererhöhungen aufzufangen. „Wir dürfen die HVG nicht bis aufs Letzte ausbluten lassen. Ansonsten schlägt in Zukunft jede Dividende-Schwankung bei Enervie voll auf den kommunalen Haushalt durch.“

Enervie-Vorstandssprecher Ivo-Grünhagen wollte gestern keine konkreten Aussagen zu künftigen Dividendenzahlungen treffen. Er räumte lediglich ein: „Es wird in den nächsten Jahren ein erhebliches Spannungsfeld zwischen den Anteilseigner- und Bankeninteressen geben.“