Hagen. . Zeitenwende beim heimischen Energieversorger Enervie: Das Unternehmen definiert nach dem Krisenjahr 2014 neue Ziele.

Von einem gruseligen Albtraum-Jahr zu sprechen, würde kaum zur wohlgesetzten Wortwahl von Enervie-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen passen. Doch seine ungeschminkte Rückschau auf die Unternehmensbilanz 2014 lässt kaum eine andere Begrifflichkeit zu: Millionenverluste bei den Kraftwerken, Sozialplanverhandlungen und Personalabbau, haufenweise regulatorische Probleme, mäkelige kommunale Anteilseigner, die ihre Dividende vermissen, Abschreibungen in dreistelliger Millionenhöhe und gerade mal ein dürftiges Zehn-Millionen-Euro-Plus bei einer Milliarde Umsatz.

Zum Erfolg verdammt

Die Energiewende hinterlässt nicht bloß Kratzer, sondern arge Beulen im Türschild der Enervie-Gruppe. Grünhagen spricht zwar lieber von einem „Jahr der Bereinigung, der Neuaufstellung und der Veränderung“. Enervie müsse sich „neu erfinden“. Aber er weiß sehr genau, dass er mit diesem Ritt auf der Rasierklingen zum Erfolg verdammt ist. Was er sich konkret darunter vorstellt, verschwimmt aktuell noch im Gefechtsnebel rund um die anhaltenden Netzentgelt-Scharmützel, die heute in Berlin am Tisch von Bundeswirtschaftminister Sigmar Gabriel ihren vorläufigen Höhepunkt finden (dazu ein Bericht auf der Wirtschaftsseite).

Bereit für die Trendwende

Zwei Aussagen von Enervie-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen sind für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens von zentraler Bedeutung. Zum Thema Arbeitsplatzentwicklung formuliert er: „Wenn wir nichts tun, haben wir in 20 Jahren nur noch 500 Mitarbeiter und entwickeln uns zu Experten für Sozialpläne – das ist nicht unser Weg.“

Außerdem äußerte sich der Manager des Energieversorgers zum Thema aktuelle Kreditwürdigkeit bei Banken und Handelspartnern: „Man vertraut uns, weil wir weiterhin einen operativ positiven Cashflow generieren.“

Die lokale Wasserschlacht rund um die Zukunft der Trinkwassererzeugung wird erst im Februar entschieden. Enervie will in die interkommunale Allianz mit den Westfälischen Wasserwerken einsteigen: „Es ist Teil unserer Ausrichtung und Kompetenz, den Verbrauchern günstiges Wasser anzubieten“, wünscht sich Grünhagen aus der Politik mehr Ehrlichkeit, dass Hagener Wasser den Bürger eben auch mehr Gebühren kostet.

Als „Regionalwerk“ in die Zukunft

Grünhagens große Enervie-Zukunftsvision firmiert noch unter dem Arbeitstitel „Regionalwerk“, was meilenweit von altvertrauter Stadtwerke-Piefigkeit entfernt sein soll. „Wir sind abhängig von den Einwohnern und der Wirtschaft der Region. Wir leben von der Region, sind aber auch für die Region wichtig“, möchte die Enervie-Gruppe mit übergreifenden Service-Modell ihr Image als Dienstleitungspartner an der Seite der Menschen und Unternehmen schärfen. „Näher am Kunden“, lautet das Credo. Mit dem heimischen Handwerk an ihrer Seite möchte Enervie kompetenter Partner in den Bereichen Licht, Blockheizkraftwerks-, Kälte- und Wärme- sowie Drucklufttechnik werden, so die Geschäftsfeld-Idee. „Wir sollten aber auch überregional agieren, dürfen uns nicht einigeln und müssen mit diesen Ergebnissen und dem Know-how-Zuwachs wiederum die Region stärken.“ Nur so könnten die Arbeitsplätze weitgehend erhalten bleiben. Bis auf 1119 Vollzeitstellen will sich Enervie bis Ende 2015 runterschrumpfen.

Basis genug, um auch wieder Anteilseigner zu befriedigen? „Ich will grundsätzlich die Möglichkeit einer Dividendenausschüttung aus dem Geschäftsjahr 2015 nicht ausschließen“, lässt Grünhagen keinen Zweifel, dass dies die Finanzkraft des Unternehmens auch hergeben müsse. Angesichts einer Eigenkapitalquote, die zum Jahresende 2014 sich der 7-Prozent-Marke nähert, dürften die Spielräume dafür ausgesprochen gering ausfallen. Eine letzte Zahl, die ein gruseliges Albtraum-Jahr erschreckend abrundet.