Hagen. . Mit der Gründung einer großen Netzgesellschaft möchte sich die Enervie-Gruppe zukunftsfester aufstellen und drohende Bilanzverluste abwenden. Der Vorstand erhofft sich von der Neuorganisation positive Effekte in Millionenhöhe.
Während der Aufsichtsrat des Unternehmens diesen Vorstoß angesichts des bestehenden Termindrucks bereits positiv begleitet hat, überwiegt in den politischen Gremien der Stadt Hagen aufgrund des bislang noch dürftigen Informationsstandes die Skepsis. Dabei liegen für Enervie-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen die Vorteile auf der Hand: „Es klingt sehr technisch und kompliziert, aber das Wichtigste ist: Auch für die Hagener Kunden ändert sich nichts. Wir gehen diesen Weg, weil wir uns dadurch in Zukunft jedes Jahr eine Millionensumme sichern. Die wollen wir in die notwendige Modernisierung der Netze in unserer Region investieren.
Die Ausgangskonstellation klingt wenig ermutigend: Die Erlöse aus Netzentgelten in den von der Bundesnetzagentur regulierten Gas- und Strommärkten werden bei Enervie – wie auch bei allen anderen Versorgern – ohnehin bis 2019 deutlich absinken. Parallel sorgt die defensive Investitionspolitik aus der Vergangenheit zu einer Kürzung der Kapitalkosten. Konkret geht man bei der Enervie-Netzgesellschaft Enervie AssetNet Work GmbH davon aus, dass das Jahresergebnis künftig um 15 Millionen Euro dürftiger ausfällt als bislang. Und das in einer Situation, in der der heimische Energieversorger eigentlich erhebliche Mittel benötigt, um die vorhandenen Netze technisch zu erhalten. Um dieser fatalen Entwicklung entgegenzuwirken, möchte Grünhagen den Aufsichtsrat und die Politik dafür gewinnen, eine große Netzgesellschaft zu gründen, in der das gesamte Personal (einschließlich Pensionsrückstellungen) dieser Sparte zusammengeführt wird. Dadurch könnten, so die Berechnung der Enervie-Führung, Vorteile in Höhe von sieben Millionen Euro genutzt werden. „Damit sichern wir unsere Investitionsfähigkeit und somit die Stabilität der Versorgung“, räumt der Vorstandssprecher ein, dass sein Unternehmen vor zehn bis 20 Jahren im Bereich Netze zu defensiv agiert habe.
Mehrstufiger Prozess
Im Mittelpunkt des angedachten Prozesses steht die teilweise Abspaltung der drei Enervie-Unternehmen Stadtwerke Lüdenscheid GmbH (SWL), Enervie AssetNet Work GmbH (EAN) und Mark-E AG zu einem gemeinsamen Unternehmen, aus dem dann wiederum die große Netzgesellschaft herausgefiltert wird. Bislang sind die Strom-, Gas- und Wassernetze einschließlich Betrieb und Service separat bei Mark-E, SWL, EAN und der Stadtwerke Hagen GmbH angesiedelt. Künftig sollen die Hagener Stadtwerke als eine große Netzeigentumsgesellschaft mit den Sparten Netzbetrieb und Netzservice agieren. Grundlage dafür ist ein mehrstufiger, mit den Finanzbehörden abzustimmender Prozess, der wie folgt ablaufen soll:
Netzgesellschaften haben schon eine Historie
Im Oktober 2005 begann die Ausgliederung des Netzgeschäftes. Zunächst ging es um die Zusammenführung der Netzbetreiberfunktionen von Mark-E und Stadtwerken Lüdenscheid in der kleinen Netzgesellschaft „enet GmbH“.
Im Oktober 2006 folgte die Umbenennung in die „SEWAG Netze GmbH“.
Die nächste Umbenennung folgte im Februar 2010, es wurde der Name „Enervie AssetNetWork GmbH“ etabliert. Gleichzeitig erfolgte die Trennung von Netzbetrieb und Netzservice.
Im April 2010 entstand mit der Enervie AssetNetWork eine mittelgroße Netzgesellschaft mit etwa 50 Mitarbeitern.
Ziel zum Stichtag 1. Januar 2015 ist die Etablierung einer großen Netzgesellschaft mit allen Funktionen und etwa .
Schritt 1: Zunächst werden von den Stadtwerken Lüdenscheid die Strom- und Gasnetze in Form eines Abspaltungsprozesses auf die Mark-E übertragen. Damit bleibt der Versorger vor allem auf Drängen der Lüdenscheider Politik als Gesellschaft bestehen und verantwortet weiterhin die Bäder, den Vertrieb und das Wasser-Ressort. Durch diese Abspaltung – ursprünglich war eine komplette Verschmelzung angedacht – wird zwar die Steuerneutralität des Prozesses zerschossen (durch die Aufdeckung stiller Reserven werden Ertragssteuern fällig), das Unternehmen bewahrt jedoch seine Eigenständigkeit und der Lüdenscheider Rat seine Mitsprachemöglichkeiten. Nach außen bleibt die Unternehmensidentität der Stadtwerke und damit die Kundenbeziehung erhalten.
Schritt 2: In einem zweiten Schritt werden die EAN mit ihrem gesamten Vermögen auf die Mark-E verschmolzen. Damit hört die Gesellschaft als eigenständiger Rechtsträger auf zu existieren.
Schritt 3: Im Anschluss sollen die inzwischen bei Mark-E zusammengeführten Netzbereiche (Mark-E + SWL + EAN) in Form einer Ausgliederung auf die Stadtwerke Hagen übertragen werden.
Schritt 4: Da laut Energiewirtschaftsgesetz die Stadtwerke Hagen unter ihrem Dach die staatlich regulierten Netzbetriebe von Strom und Gas nicht vereinen dürfen mit den unregulierten Bereichen (Fernwärmeversorgung inkl. Blockheizkraftwerke Emst, Wassergewinnung Hengstey und Haspe, Kundenstamm), muss dieser noch auf eine Schwestergesellschaft übertragen werden. Um bei diesem Schritt steuerliche Nachteile zu vermeiden, ist eine Abspaltung der nicht-regulierten Teile auf die noch bestehende Krankenhausservice Herdecke GmbH angedacht.
Inwieweit diese mehrstufige Umwandlungsstrategie tatsächlich weitgehend steuerneutral ablaufen kann und auch bestehende Querverbund-Konstrukte innerhalb des Enervie-Konzerns nicht gefährdet, ist mit den Finanzbehörden noch nicht abschließend abgestimmt. Hier ist ein entscheidendes Treffen für den 20. November vorgesehen. Eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes soll dann bis Jahresende vorliegen.
Aufsichtsrat entscheidet 2015
Der Enervie-Aufsichtsrat hat, um alle regulatorischen Vorteile nutzen zu können, bislang per Grundlagenbeschluss den Vorstand autorisiert, sämtliche angedachten Prozesse einzufädeln. Nur auf dieser Basis kann das Unternehmen in die informellen Vorabstimmungsgespräche mit den Finanzbehörden einsteigen. Damit ist jedoch noch keine endgültige Entscheidung über die Umsetzung der großen Netzgesellschaft gefallen. Die Beschlüsse zu den einzelnen Umwandlungsverträgen sollen im Aufsichtsrat erst 2015 folgen. Wesentliche Korrekturen sind dann jedoch ohne zusätzliche wirtschaftliche Risiken kaum noch möglich.