Gevelsberg/Schwelm/Ennepetal. Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal schlagen beim Land NRW Alarm. Was das für Bürger bedeutet und wann es für sie teuer werden könnte.
Es ist ein düsteres Bild, dass Städte und Gemeinden in ganz Nordrhein-Westfalen zeichnen. Eine Krise reiht sich an die nächste: steigende Flüchtlingszahlen, hohe Energiepreise, eine für Deutschland vergleichsweise hohe Inflation – die Liste lässt sich weiter fortführen. Die Kommunen stehen immer stärker unter Druck.
Das macht sich auch in Schwelm,Gevelsberg und Ennepetal bemerkbar. Sie gehören zu insgesamt 355 Städte und Gemeinden, die ihren Sorgen nun in Form eines Brandbriefes Ausdruck verleihen, den eine Delegation am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag persönlich an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst übergeben hat.
Die Botschaft fasst die Stadt Gevelsberg in einer Mittelung wie folgt zusammen: „Land und Bund müssen jetzt wirklich handeln. Die seit Jahren strukturell völlig unzureichende Finanzausstattung muss angesichts dieser Lage endlich auf das Niveau angehoben werden, das dem gegenwärtigen Krisenmodus und den damit verbundenen Herausforderungen im kommunalen Alltag entspricht.“
Unterbringung Geflüchteter
Während die Kosten für Sachaufwendungen, Personalausgaben und die Versorgung von Flüchtlingen in den Städten demnach immer dramatischer ansteigen würden, blieben die Steueranteile der Kommunen weitestgehend unverändert beziehungsweise würden Zuwendungen von Bund und Land sogar noch gekürzt.
Gevelsbergs Bürgermeister Claus Jacobi ist als Sprecher der SPD-Gruppe im Städte und Gemeindebund Teil der Delegation gewesen, die zur Übergabe des Brandbriefes nach Düsseldorf gereist ist. Er zeigt sich besorgt und stellt fest: „Die aktuellen Belastungen sind zu einem so ernsthaften Risiko für die Kommunen geworden, dass die kommunale Handlungsfähigkeit unmittelbar vor dem Kollaps steht. Und das in einer Zeit, in der ein ordnendes, ausgleichendes und präventiv wirkendes Handeln der Kommunen als wirksamste staatliche Handlungsebene wichtiger denn je wäre.“
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Er nennt in Gevelsberg vor allem die Unterbringung und Integration von Geflüchteten als konkretes Beispiel. Eigentlich wollte die Stadt mit der Entwicklung des leerstehenden und vor Jahren von ihr gekauften Rupprecht-Hauses beginnen. Seit ebenfalls geraumer Zeit dient es aber als Unterkunft für Geflüchtete. „Im Moment bekommen wir wieder so viele Zuweisungen, dass wir ans Leerziehen gar nicht denken brauchen“, sagt Jacobi. Gleichzeitig rettet das frühere Kaufhaus aus seiner Sicht den sozialen Frieden in der Stadt, da die Menschen sonst anderswo in Gevelsberg untergebracht werden müssten. In Schwelm hatte zuletzt das Vorhaben der Stadt, Geflüchtete in einer ehemaligen Kita unterzubringen, hohe Wellen geschlagen.
Wegfall von Bilanzierungshilfe
Es ist aber die Gesamtheit der verschiedenen Faktoren, die die Städte zu ihrem Brandbrief an den Ministerpräsidenten bewegt hat. So ist im Schreiben an Hendrik Wüst unter anderem auch von einem „unzureichend finanzierten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Primarbereich“ die Rede. Dieser soll ab 2026 gelten, während beispielsweise in Gevelsberg die Betreuungsplätze jetzt schon knapp sind und die Stadt in den Ausbau investiert.
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Konnten Kommunen in der jüngeren Vergangenheit finanzielle Folgen durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg mit einer Bilanzierungshilfe über die nächsten Jahrzehnte in ihren Haushalten isolieren und abschreiben, wird diese Möglichkeit mit dem Jahr 2023 auslaufen. „Wenn jetzt nichts passiert, muss man Sorge haben, dass das ein Loch in zweistelliger Millionenhöhe in den Haushalt der Stadt Gevelsberg reißt“, erklärt Claus Jacobi, was das für seine Verwaltung bedeutet.
In Zusammenfassung ihrer Analyse fordern die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in ihrem Brandbrief Bund und Land auf, die Tragweite der gegenwärtigen Krise nicht länger zu unterschätzen und die Kommunen so auszustatten, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können und handlungsfähig bleiben.
Anhebung der Grundsteuer B
Ohne eine entsprechende Unterstützung gingen mindestens 40 Prozent der Kommunen davon aus, im kommenden Jahr Haushaltssicherungsmaßnahmen ergreifen zu müssen und unverzichtbare Handlungsspielräume einbüßen und freiwillige Aufgabenübernahmen wie etwa die Sport- oder Wirtschaftsförderung streichen zu müssen, heißt es dazu weiter in der Mitteilung der Stadt Gevelsberg.
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Die Auswirkungen wären für die ohnehin schon angespannte Lage und den inneren Frieden in den Kommunen verheerend. Auch würde vielen Kommunen keine andere Wahl bleiben, als die finanzielle Belastung auf die Bürgerinnen und Bürger umzuverteilen, wie beispielsweise durch eine drastische Anhebung der Grundsteuer B. „Dazu darf es in der gegenwärtigen Wirtschafts- und Stimmungslage keinesfalls kommen!“, fordert Bürgermeister Claus Jacobi Land und Bund eindringlich zu einem Umsteuern im Umgang mit den Kommunen auf.
Schließlich würden solche Maßnahmen den Bürgern kaum noch vermittelbar sein und das schwindende Vertrauen in Staat und die Demokratie noch weiter verstärken. Daher appellieren die Kommunen an den Ministerpräsidenten, den Städten und Gemeinden beizustehen und ein Sofortprogramm zur Rettung der kommunalen Handlungsfähigkeit zu unterstützen.