Gevelsberg. Immer mehr Schüler besuchen den offenen Ganztag. Die Plätze in Gevelsberg werden knapp, Eltern bekommen Absagen. Hier baut die Stadt jetzt aus.

Zuerst die gute Nachricht: Spätestens zum ersten Schultag nach den Herbstferien sollen alle Schülerinnen und Schüler, deren Eltern einen Betreuungsplatz im Ganztag an der Grundschule Pestalozzi in Gevelsberg nachfragen, auch einen Platz bekommen. Diese Zusage hat Gevelsbergs Bürgermeister Claus Jacobi in der vergangenen Sitzung des Schulausschusses am Dienstagabend gegeben.

Damit reagierte er auf eine Nachfrage der SPD-Fraktion bezüglich mehrerer Eltern, die Absagen für einen OGS-Platz an der Teichstraße bekommen hatten. Für die OGS- und die „8 bis 1“-Betreuung sollen demnächst eigenständige Räume in einem separaten Gebäude verfügbar sein. Die Rede ist von 300 Betreuungsplätzen, ebenfalls an der Teichstraße, schräg gegenüber der Pestalozzi-Schule, deren Kapazitäten ausgereizt sind. „Das ist für den Standort Pestalozzi ein ganz starkes Signal“, sagt Claus Jacobi.

Bei den Absagen, die Eltern erhalten hätten, handele es sich um vorläufige Absagen, da das neue OGS-Gebäude nicht pünktlich nach den Sommerferien 2023 fertig werde. Als Gründe führt die Stadt Material-Lieferengpässe und fehlendes Personal bei Handwerkerfirmen an. Sie versuche gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt (AWo), die für die Ganztagsbetreuung zuständig ist, im Falle von 14 Schülerinnen und Schülern, deren Eltern berufstätig sind oder ein Elternteil alleinerziehend, für den Zeitraum zwischen Sommer- und Herbstferien Lösungen zu finden.

Anmeldungen stark angestiegen

Für die Grundschule Pestalozzi besteht mit dem Neubau laut Stadt aktuell kein weiterer Planungsbedarf. Grundlegend bewertet sie die Betreuungssituation im offenen Ganztag aber als zunehmend dramatisch. Dabei blickt sie vor allem auf den ab 2026 geltendenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen. „Wenn der kommt, wird das für Kommunen eine ganz haarige und komplizierte Angelegenheit“, macht Jacobi deutlich. „Bund und Land lassen die Kommunen mit dieser Mammutaufgabe komplett allein.“

Die Stadt Gevelsberg beschreibt die Entwicklung so: Vor 18 Jahren, zum Schuljahr 2004/2005, wurden die ersten städtischen Grundschulen zu offenen Ganztagsgrundschulen (OGGS). Die Betreuungsmaßnahme habe sich seitdem in allen fünf Grundschulen etabliert. Die Zahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler sowie der prozentuale Anteil an der Gesamtschülerzahl seien in den vergangenen 15 Jahren stark gestiegen.

Aufgrund der positiven Entwicklung benötige und belege der offene Ganztag vermehrt Räumlichkeiten der Schulen. So seien unter anderem die ehemaligen Hausmeisterwohnungen in den Grundschulen Am Strückerberg und Silschede für die Betreuungsmaßnahme umgebaut worden. Für den offenen Ganztag in der Strückerberger Schule sei zudem ein separates Gebäude errichtet worden.

50.000 Euro für jede Grundschule

„Ab August 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch darauf haben, ganztägig gefördert zu werden“, erklärt die Stadt. Der Anspruch solle in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet werden, damit ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung hat. Inwieweit sich der Rechtsanspruch auf die künftige Teilnehmerentwicklung in den Gevelsberger Grundschulen auswirken wird, bleibe abzuwarten.

Um den oben genannten, gesetzlich vorgeschriebenen Anspruch erfüllen zu können, plant die Stadt Gevelsberg, die Grundschulen Vogelsang, Schnellmark, Am Strückerberg und Silschede entsprechend umzugestalten und/oder baulich zu erweitern.

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Die Technischen Betriebe Gevelsberg würden die hierfür erforderlichen Planungsleistungen beauftragen. Die Stadt hat dafür im aktuellen Haushaltsplan für jede Grundschule 50.000 Euro veranschlagt. Bei den Planungen seien voraussichtlich auch größere Küchen und Speiseräume einzubeziehen.

Der AWo fehlen die Fachkräfte

Der offene Ganztagsbetrieb in den fünf städtischen Grundschulen wird seit Jahren in Kooperation mit der Arbeiterwohlfahrt Ennepe-Ruhr angeboten und durchgeführt. Auch die AWo beschreibt die aktuelle Betreuungslage als angespannt.

Petra Hartmann, Abteilungsleitung Schulbetreuung bei der AWo EN, erklärte, das neben den steigenenden Anmeldezahlen für den offenen Ganztag noch der Personalmangel eine Rolle spielt. „Wir sind in Sorge, dass wir in Zukunft nicht genügend Fachkräfte haben“, bringt sie es auf den Punkt. „Aber wir werden gucken, dass wir unsere eigenen Ergänzungskräfte weiter qualifizieren und unseren Arbeitsplatz weiter als attraktiv darstellen.“ Denn, so sagt Hartmann klipp und klar: „Die Arbeit mit Grundschulkindern ist fantastisch.“

Gleichzeitig bestätigt sie die schwierige Lage der Kommunen mit Blick auf den Rechtsanspruch. Die AWo EN betreut den offenen Ganztag in sechs Städten im Ennepe-Ruhr-Kreis. „Alle sechs Kommunen versuchen zu planen, aber keiner weiß, wie es vonstatten gehen soll“, so Hartmann. „Es kann nicht sein, dass Eltern ihren Lebensentwurf aufgeben müssen, wenn ihre Kinder auf die Schule gehen.“