Gevelsberg. Die Konzertgesellschaft in Gevelsberg kann mit den ganz großen Konzerthäusern mithalten. Wieso ist das so? Was macht den Verein so besonders?
Es ist ein kleiner Verein, doch die Musikerinnen und Musiker, die die Ehrenamtlichen nach Gevelsberg holt, gehören zur Weltklasse der Klassik. Die Konzertgesellschaft Gevelsberg feiert in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag. Wie blickt der Vorsitzende Michael Ostermann in die Zukunft des Verein? Und wie schafft es eigentlich die Konzertgesellschaft mit ihren Veranstaltungen im Zentrum für Kirche und Kultur bei all den Konzerthäusern in der Region zu bestehen?
Welche Stars gaben in Gevelsberg schon ein Gastspiel?
Michael Ostermann: Wir hatten hier alle, die Rang und Namen haben. Viele Musikerinnen und Musiker, die eine große Rolle in der Szene spielen. Ich kann die alle gar nicht aufzählen. Manchmal haben wir auch Glück gehabt oder den richtigen Riecher. Echo-Preisträgerin Jewgenia Rubinowa war zum Beispiel auch bei uns. Wir hatten den Auftritt schon zwei Jahre vorher mit ihr vereinbart, heute wäre sie nicht mehr zu bezahlen. Toshiyui Kamioka war mit den Wuppertalern Symphonikern bei uns in Gevelsberg. Am nächsten Tag spielte er in der Mailänder Scala.
Das Konzerthaus in Dortmund, die historische Stadthalle Wuppertal, die Philharmonie in Köln: Wie hat es der Verein geschafft, gegen die große Konkurrenz in der Region zu bestehen?
Durch Beständigkeit. Wir haben uns in all den Jahren einen Namen aufgebaut. Die Künstler wollen in Gevelsberg auftreten. Bei uns landen mehr Bewerbungen als wir berücksichtigen können. Viele nehmen gerne Gevelsberg in der Woche als Konzertstätte mit, wenn sie am Wochenende in den großen Häusern waren.
Alle Konzerte auf einen Blick
Die Konzertsaison beginnt am Samstag, 20. Oktober, mit dem Mitgliederkonzert. Tom Pauls, Klavier und Dilara Sahin, Violoncello.
Das I. Meisterkonzert ist am Dienstag, 7. November, 19.30 Uhr: Philharmonie Südwestfalen –God save the King! Proms night.
Das II. Meisterkonzert findet am Donnerstag, 18. Januar, 19.30 Uhr statt. Gast ist Ragna Schirmer am Klavier.
Das III. Meisterkonzert ist für Sonntag, 4. Februar, 19.30 Uhr, geplant: Mit der Philharmonie Südwestfalen und der Operngala „Rossini! Genie und Genießer
Das IV. Meisterkonzert ist am Mittwoch, 20. März, ab 19.30 Uhr ausnahmsweise in der Erlöserkirche Gevelsberg. Zu hören ist das Klenke Quartett und Amarcord
Das V. Meisterkonzert findet am Sonntag, 28. April, 19.30 Uhr, statt. Die Neue Philharmonie Westfalen ist zu Gast mit Peter Bruns, Violoncello und Leitung
Das Familienkonzert ist am Samstag, 20. Januar, ab 16 Uhr. Pindakaas Saxophon Quartett: In 28 Tagen durch Europa.
Info: Di. und Do. 9 bis bis 12 Uhr unter 02332/551805 ( 24-Std.- Anrufbeantworter). Anfragen auch per Mail: konzert-gev@t-online.de
Das ist unsere Chance, deshalb finden viele Konzerte bei uns dienstags oder donnerstags statt. Konkurrenz ist belebend. Ein großes, vielfältiges Angebot ist bereichernd für alle.
Ihre Konzerte finden im Zentrum für Kirche und Kultur statt. Das klingt jetzt nicht so klangvoll.
In unseren Räumen nimmt der WDR immer wieder Klassikkonzerte auf, weil es sich rumgesprochen hat, wie gut sich Konzerte in Gevelsberg anhören. Ganz früher fanden die Konzerte im Saalbau Buschmann statt, da wo heute das Filmriss ist. Dann hat die Konzertgesellschaft 1958 zusammen mit der Evangelischen Kirche das Zentrum für Kirche und Kultur gebaut. Mittlerweile wurde es für 300.000 Euro renoviert, die Akustik ist hervorragend.
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Wie war es für so einen kleinen Verein möglich, die Stars der Klassikszene nach Gevelsberg holen?
Das haben wir dem Mitbegründer und Mäzen Paul Peddinghaus zu verdanken. Als er 1947 die Konzertgesellschaft ins Leben rief, finanzierte er die Konzerte. Damals waren es noch bis zu 20 pro Saison. Mehr als 100.000 Mark steckte er in das Programm und ermöglichte Konzerte der Extraklasse. Damals war es so, dass man gar nicht an Tickets kam, dass sie in der Familie vererbt wurden. Jedes Konzert war ausverkauft. Mit beim Gründungsteam waren auch Toni Hasenclever und Carl Buschmann, er war Meistertenor in Bayreuth, seine Kontakte waren in der Anfangsphase wichtig. 1976 wurde aus dem Mäzenatentum schließlich ein Verein.
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Und wie ging es weiter, als Paul Peddinghaus 1986 starb?
Robert Dicke übernahm. Er war bei ABC und schaffte es weiterhin, viele Mittel zu bekommen, um ein tolles Programm auf die Beine zu stellen. Auch er war sehr engagiert und mit dem Herzen dabei. Er organisierte und bezahlte einen Transport nach Wien, um unseren Bösendorfer Flügel generalüberholen zu lassen. Noch heute spielen die Künstler sehr gerne auf diesem Instrument, das so angesehen ist wie ein Steinway Flügel. Auf Robert Dicke folgten dann Friedrich Döpp und Philipp Baltin, ich habe 2013 das Amt des Vorsitzenden übernommen.
Wurde das Geld ohne Mäzen knapper?
Nein. Wir haben viele Förderer, die uns einiges möglich machen. Mit etwa 110 Euro Jahresbeitrag unserer knapp 200 Mitglieder wäre das hochkarätig besetzte Programm nicht zu schaffen. Wir freuen uns, dass wir sogar in den Geschäftsstatuten von ABC als förderwürdig aufgenommen wurden. Die Bürgerstiftung der Sparkasse unterstützt uns, die Vollmann Group, die AVU und eine Vielzahl von Privatleuten. Um die große Qualität der Veranstaltungen zu halten, haben wir mittlerweile weniger Konzerte: fünf statt 20.
Das Interesse an der Klassik hat im Laufe der Jahre abgenommen, wie wollen sie die Menschen trotzdem dafür begeistern?
Früher gehörte es zum guten Ton, zu einem Klassikkonzert zu gehen, das war in den 50er und 60er Jahren. Und es blieb so bis in die 70er/80er Jahre. Seitdem ist es weniger geworden. Unsere Konzerte sind selten noch ausverkauft, aber wir konnten in den vergangenen Jahren die Zahlen wieder steigern. Zum Beispiel durch Familienkonzerte, die kindergerecht sind, und indem wir mit Musikern in die Schule gingen, um Kinder für klassische Instrumente zu begeistern. Es ist erwiesen, dass Klassik eine gute Wirkung auf Menschen hat, vor allem bei kleinen Kindern. Wir laden Symphonieorchester ein, talentierte Nachwuchsmusiker und planen als Team gemeinsam die Saison, und das schon mit mindestens zwei Jahren Vorlauf. Wir setzen auf Vielfalt und Qualität.
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Klassik hat den Ruf, elitär zu sein?
Bei uns muss niemand einen Anzug tragen. Uns ist es wichtig, jedem dieses Erlebnis zugänglich zu machen. Das ist Sinn und Zweck unseres Vereins. Das war es früher und so wird es in Zukunft bleiben. Die nächsten 75 Jahre schaffe ich zwar nicht mehr, aber ich bin optimistisch, dass dieser Verein weiterhin eine Bereicherung für die Kulturszene sein kann. Klassik ist eine Musik, die komplex ist, belebend und aus der jeder Kraft schöpfen kann. Man muss sich nur darauf einlassen.