Schwelm. Bürgermeister Stephan Langhard über das neue Flüchtlingsheim in Schwelm. Im Interview stellt er sich den Vorwürfen und bezieht klar Stellung.

Die Kita Sternenzelt in Schwelm wird eine neue Unterkunft für geflüchtete Familien. Aus diesem Grund lud die Stadt zu einer Bürgersprechstunde ein. Bürgermeister Stephan Langhard musste sich vielen Vorwürfen stellen und zeigte sich überrascht von der großen Verärgerung. Im Gespräch mit der Redaktion bezieht er nun Stellung.

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Sie mussten sich am Montag viele Vorwürfe anhören. Unter anderem fühlten sich die Menschen übergangen, da die Bürgersprechstunde zum neuen Flüchtlingsheim erst nach dem Beschluss stattgefunden hat. Warum wurde sie denn überhaupt erst so spät angesetzt?

Im Zuge der Bearbeitung ist genau dieser Punkt, die Beteiligung, das Mitnehmen der Menschen vor Ort, auf der Strecke geblieben. Das war keine böse Absicht und auch keine Form der Feigheit. Das ist im Eifer des Gefechts einfach durchgegangen. Und glauben Sie, alle Beteiligten haben sich sehr drüber geärgert. Das muss man offen konstatieren. Da waren wir einfach zu spät.

Eine Bürgerin hat Ihnen auch vorgehalten, dass Sie „nichts für die Bürger tun, sondern nur für Flüchtlinge“. Können Sie das irgendwie nachvollziehen?

Wir machen so viele Sachen. Wir unterhalten Sportanlagen, mit allen Schwierigkeiten ein Schwimmbad. Wir haben eine außergewöhnlich gute Schulbegleitung, die tatsächlich in ganz NRW beispiellos ist. Und das ist uns wichtig und es ist uns auch teuer. Und von diesen Beispielen gäbe es so viele Sachen. Das fängt an bei der Unterhaltung der städtischen Infrastruktur, bis zum Jugendzentrum, zu Kitas und Schulen. Natürlich kann man immer mehr machen, aber so eine Unterstellung „die Stadt tut nichts für uns, sondern nur für Flüchtlinge“, die ist ebenso pauschal wie falsch.

Haben Sie die heftigen Reaktion am Freitag erwartet oder hat Sie das überrascht?

Ich kriege natürlich mit, was um uns herum passiert. Und ich weiß, dass das Thema geflüchtete Menschen sehr emotional ist. Insofern habe ich schon damit gerechnet, dass ich das eine oder andere zu hören bekomme. Aber ich kann Ihnen sagen, das hat mich bis heute noch nicht ganz losgelassen, weil ich mit einer negativen Resonanz in der Wucht tatsächlich nicht gerechnet hatte. Ich gebe selbstkritisch zu, das mag auch damit zusammenhängen, dass die Verärgerung schon deshalb so groß war, weil man eben das Gefühl hatte, nicht mitreden zu dürfen. Dazu möchte ich sagen: Wir haben die berechtigten Hinweise aufgenommen. Wir haben noch mal klar gestellt, wer in die Unterkunft kommt und wer eben auch nicht. Den Außenbereich, hinten im Anschluss an das Gebäude, werden wir jetzt flächenmäßig etwas reduzieren, um da für mehr Abstand zu sorgen. Damit es zu keiner Störung weder von der einen noch von der anderen Seite kommt.

Ich glaube, dass diejenigen, die da gewesen sind, den Eindruck haben mussten, dass sie mit ihren Beschwerden ernst genommen worden sind. Insofern glaube ich, dass sich das Ganze etwas entspannt, wenn man sieht, dass die Menschen da völlig geräuschlos untergebracht werden. Davon bin ich nach wie vor überzeugt. Und ich stehe auch zu meinem Wort, dass wenn das nicht funktioniert, wir auch steuernd eingreifen. Wir werden nicht nur am Oberloh, sondern grundsätzlich an unserem Ziel festhalten, genau hinzugucken, was die Menschen in der Stadt machen und ob sie da, wo sie sind, auch richtig untergebracht sind.

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Jetzt haben Sie das Versprechen gemacht, dass Sie in ungefähr einem halben bis dreiviertel Jahr noch mal eine Bürgersprechstunde anbieten würden. Was versprechen Sie sich von dem Termin?

Ich habe mir bei dem Termin am Montag viele Vorwürfe angehört, und Erwartungen, die mit den Menschen verbunden sind, die am Oberloh einziehen. In der Art und Weise zu pauschalieren ist nicht richtig, weil es Individuen sind. Ich glaube, es ist sinnvoll, tatsächlich auf die Menschen zu gucken, die dann auch da sind. Nicht zu sagen „ich habe das mal irgendwo gelesen, die sind alle so“. Nein, sie sind nicht alle so. Und ich glaube, wenn wir in dieser überschaubaren Einheit Menschen zusammenführen, die auch noch begleitet werden auf ihrem Weg in die Integration, dass das nahezu geräuschlos läuft. Davon bin ich überzeugt.

Deswegen wäre so ein Gespräch schon allein aus dem Grunde sinnvoll, um zu gucken: Was sind tatsächlich für Beschwerden aufgekommen? Wo gibt es Probleme? Wo müssen wir noch nachsteuern?

Sie sagten gerade, die Menschen werden auf ihrem Weg in die Integration begleitet. Wie genau werden die Familien an die Hand genommen?

Wir haben seitens des Sozialamtes eine Kollegin, die sich um diese Familien kümmert. Die, ähnlich wie auch in der Kaiserstraße, Sprechstunden anbietet, um beratend zur Seite zu stehen. Aber es haben sich auch vor Ort einige Menschen gemeldet, die sagen „Wir wollen helfen, dass die Familie im Ortsteil ankommt“. Das sind Unterstützungen bei einem Schulbesuch, Hausaufgaben, Deutsch sprechen lernen oder ähnliches. Dinge, damit man sich hier im Alltag zurechtfinden kann und ein Rüstzeug an den Kompetenzen bekommt, die man braucht, um hier über die Runden zu kommen.

Und da darf man sich auch als ehrenamtlicher Helfer bewerben?

Ja, sehr gerne einfach melden. Wir haben eine Ehrenamtsbörse.

Warum haben Sie denn die Unterkunft an der Kita Sternenzelt ausgewählt?

Da uns klar war, dass das an der Kaiserstraße auf Dauer nicht geht, haben wir alle möglichen Varianten in unserer Stadt geprüft. Schwelm ist die kleinste Kommune in NRW. Wir können hingehen, wo wir wollen, es sind immer Nachbarn da. Und dann müssen wir gucken: Wie können wir das schaffen, dass es die Menschen in unserer Stadt am wenigsten belastet? Da hat sich die Möglichkeit am Oberloh geboten. Das ist eine überschaubare Einheit und wir haben etwas gesucht für besonders schützenswerte Personen, Kinder und Frauen, um denen da die Möglichkeit zu einem Neustart zu geben. Da stehe ich auch nach wie vor absolut hinter.

Sie haben am Montag die Kita immer als Übergangslösung bezeichnet. Was wäre denn das langfristige Ziel?

Wir haben natürlich grundsätzlich den Wunsch, dass die Menschen, die in unseren Übergangseinrichtungen sind, später auch im Wohnungsmarkt unterkommen. Wir wollen, dass die Menschen integriert werden. Und Integration kann in solchen Einrichtungen nur schwierig stattfinden. Aber eine eigene Wohnung, in dem ich einen abgeschlossenen Bereich habe, wo ich auch Formen von Nachbarschaft leben kann, ist ganz was anderes.

Die Landesregierung will noch mehr Geflüchtete direkt auf die Städte und Gemeinde in NRW verteilen. Da ist die Rede von 1500 Geflüchteten in dieser Woche. Hat sich das für die Stadt Schwelm schon bemerkbar gemacht?

Nein, bei uns sind die Hinweise noch nicht angekommen. Diese 1500 Menschen kann man auch nicht mit einem mathematischen Schlüssel auf die Städte herunterrechnen, weil dafür unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Mehr kann man dazu jetzt nicht sagen. Ich gehe mal davon aus, dass es hier in Schwelm so eine Zahl zwischen fünf und zehn Personen sein wird. Aber das ist eben nur der Anfang. Das Land räumt die Lager, wenn man das so ein bisschen plakativ sagen will. Und die Menschen müssen ja irgendwo hin. Das ist auch eine Frage der europäischen Solidarität. Und wenn das so geregelt ist wie jetzt, haben wir das zu erledigen, so lange wir es können. Und noch können wir es.

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