Ennepetal. Ein verheirateter Familienvater (51) soll sich an mindestens neun dementen Frauen vergangen haben. So reagiert der Betreiber des Heims.
Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft Hagen einem 51-jährigen Familienvater zur Last legt, sind zutiefst erschütternd: Mindestens neun demenzkranke und dadurch widerstandsunfähige Frauen soll der Mitarbeiter des Zentrums für Betreuung und Pflege in Ennepetal schwer sexuell missbraucht und vergewaltigt haben. Während der Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzt, ermitteln die Staatsanwaltschaft Hagen und die Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr auf Hochtouren, was sich in dem Seniorenheim der Korian-Gruppe zugetragen hat.
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Seit April des Jahres 2021 war der verheiratete Mann in der Einrichtung als Pflegekraft beschäftigt. Dort existiert kein besonders geschützter Demenzbereich, die Frauen leben auf den selben Stationen wie diejenigen Bewohner, die nicht von Demenz betroffen sind. An mindestens neun Bewohnerinnen soll der 51-Jährige sich im Laufe der etwas mehr als zwei Jahre vergangen haben. „Derzeit deutet sogar alles darauf hin, dass es noch mehr Betroffene geben könnte“, sagt Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli im Gespräch mit der Redaktion.
Verdächtiger filmt und fotografiert sich selbst bei seinen Taten
Denn: Der Verdächtige hatte sich bei seinen Taten – zumindest einem Teil davon – selbst gefilmt und fotografiert. Die Behörden hatten laut Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft mehrere „mobile Endgeräte“ der Pflegekraft sichergestellt und waren auf die Dateien gestoßen. „Derzeit sind wir noch dabei, die Inhalte vollständig auszuwerten“, sagt der Hagener Oberstaatsanwalt, der wegen des Straftatbestands des schweren sexuellen Missbrauchs ermittelt, der Vergewaltigung inkludiert.
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Zunächst ging Anfang Juli dieses Jahres ein anonymer Hinweis auf die Taten bei der Polizei ein, die über Monate unentdeckt geblieben waren. „Die Ermittlungen sind unverzüglich aufgenommen worden“ teilt die Staatsanwaltschaft mit. Kurz darauf erwischte ihn ein Arbeitskollege um 4.45 Uhr während der gemeinsamen Nachtschicht. Als der Kollege den Raum betrat, fand er den nackten Familienvater vor, der sich über das Bett einer Bewohnerin beugte.
Auf Antrag der Hagener Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Schwelm am 13. Juli Haftbefehl gegen den Beschuldigten. Daraufhin kam der dringend Tatverdächtige am 13. Juli in Untersuchungshaft, wo er zu den Vorwürfen bislang komplett schweigt.
„Die Angehörigen aller zwischenzeitlich identifizierten Opfer sind durch speziell dafür ausgebildete Polizeikräfte über die mutmaßlichen Geschehnisse in Kenntnis gesetzt worden“, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Diese Kräfte aus dem Opferschutz stehen allen Angehörigen und Betroffenen zur Verfügung.
„Schockierend und unentschuldbar“
Aufseiten der Korian-Gruppe, die das Zentrum für Betreuung und Pflege an der Rollmannstraße betreibt, zeigt man sich „zutiefst erschüttert“ über die Taten, die dem ehemaligen Mitarbeiter vorgeworfen werden. „Wenn sich die Vorwürfe in der zur Last gelegten Weise bewahrheiten, ist solches Verhalten zutiefst schockierend und unentschuldbar“, heißt es in einer Stellungnahme der Unternehmensgruppe. Man sei am 17. Juli, vier Tage nachdem Haftbefehl erlassen worden war, von den Behörden in Kenntnis gesetzt worden, dass der Beschuldigte im dringenden Tatverdacht stehe, in mehreren Fällen Bewohnerinnen sexuell missbraucht zu haben.
22.500 Mitarbeiter in Deutschland
Die Korian-Gruppe betreibt in Deutschland 235 Pflegeeinrichtungen, davon etwa 60 in NRW, und beschäftigt circa 22.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In Ennepetal gehört neben dem Zentrum für Betreuung und Pflege an der Rollmannstraße, in dem 98 Plätze zur Verfügung stehen und 76 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind, auch das Seniorenzentrum an der Loher Straße in Altenvoerde.
Darüber hinaus baut die Korian-Gruppe derzeit an der Voerder Straße ein neues Seniorenzentrum, das im kommenden Jahr fertig sein soll.
Das Ermittlungsverfahren selbst sei entstanden, nachdem ein anderer Mitarbeiter am 30. Juni im Schichtbetrieb morgens gegen 4.45 Uhr „ein unangemessenes und irritierendes Verhalten seines Kollegen beobachtet und gemeldet hatte, heißt es in der von Korian-Unternehmenssprecherin Monika Steilen und ihrer Kollegin Tanja Kurz verfassten Erklärung. Beide sind am Montag aus München nach Ennepetal gekommen. „Dies war für uns Anlass zur sofortigen Freistellung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des jetzigen Beschuldigten. Auch unsere örtliche Heimaufsicht wurde unterrichtet.“
Die Heimbetreiber betonen, dass aus den Personalunterlagen, Zeugnissen und Befähigungsnachweisen – dazu gehöre auch ein polizeiliches Führungszeugnis, das er vorlegen musste – des unter Verdacht Stehenden nichts Nachteiliges hervorgegangen sei. „Korian wird alle Maßnahmen ergreifen, um den Vorfall intern aufzuarbeiten“, führt das Unternehmen weiter aus. „Wir unterstützen die Arbeit der mit dem Geschehnis befassten Behörden, insbesondere der zuständigen Staatsanwaltschaft, vollumfänglich.“ Aussagen, die Staatsanwalt Dr. Gerhard Pauli bestätigt: „Das Unternehmen kooperiert vorbildlich.“
Betroffene Bewohnerinnen und ihre Familien beziehungsweise gesetzlichen Vertreter – soweit bekannt – haben die ermittelnden Behörden einzeln unterrichtet. In einer Mitarbeiterversammlung wurden die Beschäftigten der Einrichtung an der Rollmannstraße am Montagvormittag über die Geschehnisse in ihrem Hause informiert. In der Belegschaft habe Fassungslosigkeit über die Taten geherrscht, die dem ehemaligen Kollegen vorgeworfen werden, berichtete Monika Steilen gegenüber dieser Redaktion. Sie erklärte, dass solche Taten eines Einzelnen, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, nun alles überlagern würden, was tagtäglich im Pflegebereich geleistet würden. „Das ist auch ein Schlag gegen alle Menschen, die in der Pflege zuverlässig ihre wichtige Arbeit verrichten.“
In einem weiteren Schritt würden nun die Angehörigen aller Bewohnerinnen und Bewohner der Häuser an der Rollmannstraße über den Fall unterrichtet – telefonisch, per Brief oder per E-Mail. „Das mutmaßliche Ausmaß des Handelns unseres ehemaligen Mitarbeiters macht uns tief betroffen, wir drücken den Opfern und ihren Angehörigen unser aufrichtiges Mitgefühl aus“, erklären die Korian-Verantwortlichen. „Selbstverständlich bieten wir unseren Bewohnern und Bewohnerinnen sowie deren Angehörigen in Abstimmung mit der polizeilichen Präventionsdienststelle jegliche Hilfe und Unterstützung an.“
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