Schwelm. Nicole und Stefan, Anfang 40, Handwerkslaien, bauen ein uraltes US-Wohnmobil selbst um. Teil 2 eines harten Wegs zum autarken Traum.

Selten hat ein Tag so schlecht begonnen. „Die haben uns vergessen“, sage ich und höre, wie viel Ungläubigkeit und Enttäuschung in meiner Stimme mitschwingen. „Aber… aber wir wollen doch bald los. Wir können unseren Urlaub nicht mehr verschieben. Was machen wir denn jetzt?“, fragt Nicole. Verzweiflung liegt in ihrer Stimme. Wir versuchen, uns die Sache schön zu reden, aber eigentlich wissen wir ganz genau, dass unser großes Ziel, für das wir monatelang geschuftet und gestritten haben, für das wir hingefallen und aufgestanden sind, nicht mehr zu erreichen sein wird. Was wir da noch nicht ahnen: Dieser Tiefschlag wird nicht der letzte an diesem Tag gewesen sein.

Mittlerweile ist es Sommer 2022. Seit einem Jahr sind wir dabei, den alten Dodge zu entkernen und zu einem gleichermaßen gemütlichen wie technisch autarken Van zu verwandeln. Nachdem die Technik für die Stromversorgung eingebaut war, die Kabel zu allen Verbrauchern gezogen waren, haben wir beschlossen, alles, was mit Gas für Kochen, Heizen und Warmwasser zu tun hat, von einem Fachbetrieb erledigen zu lassen. Acht Wochen später, so unser festes Ziel, wollen wir mit dem Dodgy nach Südengland und Cornwall fahren. Das Mobiliar – extra so angepasst, dass der riesige Hund einen Platz zum Liegen im Körbchen hat – ist auf einem halbwegs guten Weg. Technisch fehlt noch einiges.

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Doch der Caravan-Fachmann in Bochum hat unseren abgesprochenen Termin nicht in den Kalender eingetragen. Weder schimpfen, noch betteln helfen. „Ich habe keine Leute. Es tut mir schrecklich Leid. Ihr könnt den Wagen auch nicht hier stehen lassen“, lautet die Antwort des Werkstattmeisters. Völlig gefrustet entscheiden wir, das Wohnmobil heute nicht mehr in seine Garage nach Hagen zu fahren, sondern unter freiem Himmel zu parken. Draußen stand er noch keine Sekunde, seit wir angefangen haben, an ihm herumzuwerkeln.

Wir hören das Wasser auf dem neuen Vinylboden aufklatschen

Das fällt uns siedend heiß ein, als sich gegen 0.30 Uhr der Himmel mit Blitz und Donner öffnet und Sturmfluten hinabregnen. „Ich guck’ mal eben in den Dodgy. Bei einem Dachfenster hatten wir doppelt so viel Dichtmasse genommen wie beim anderen“, sage ich, bevor ich durch das Gewitter zum Auto eile. Gucken brauche ich gar nicht. Als ich die Tür öffne, höre ich bereits, wie das Wasser auf den frisch verlegten Vinyl-Boden plätschert. Panik! Eimer! Handtücher! Alle aufstehen, wir müssen unsere Arbeit der vergangenen Monate vor dem Absaufen retten! Selbst der 17-Jährige hilft kräftig mit, als wir unsere undichte Baustelle auf vier Rädern mitten in der Nacht dann doch in die Garage in den hintersten Winkel von Hagen fahren. Ein Glück stand das Ding nicht auf dem unüberdachten Hof der Werkstatt.

Jede freie Minute werkeln Nicole Püttmann und Stefan Scherer in dem Wagen.
Jede freie Minute werkeln Nicole Püttmann und Stefan Scherer in dem Wagen. © WP / Stefan Scherer | Stefan Scherer

Tatsächlich war das Fenster undicht. Das ist schnell behoben, doch wirklich aus der Bahn haut uns die Sache, dass wir den Gaseinbau zwei Wochen später als geplant bekommen. Die Stimmung knistert vor Anspannung jedes Mal, wenn wir über das Auto oder den Urlaub sprechen. Mit unserem Träumchen vom unabhängigen Urlaub, das wir uns selbst zusammenbauen, verbinden wir gar nichts Positives mehr. Wir schuften wie die Wahnsinnigen, das Gas wird eingebaut und wir können den Dodgy aus Bochum abholen.

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Nachbar Stefan, der schon beim Strom eine so wunderbare Hilfe war, fährt mit mir und irgendwie schöpfe ich neue Hoffnung, dass wir den Urlaub doch im Camper antreten – bis ich auf diese vierspurige Straße abbiege und das Auto ausgeht. Ich rolle auf einen Taxistand. Der Dodge macht gar nichts mehr. Nicht einmal leisestes Örgeln oder Zucken, wenn ich den Zündschlüssel drehe. Licht funktioniert noch. „Ein Segen, dass wir das Ding nicht als Paar abgeholt habe“, schießt es mir durch den Kopf. Sieben Stunden später fahren wir wieder. Am mittlerweile 43 Jahre alten Zündschloss waren die Kontakte vergammelt, für den Einbau eines neuen sind Houdini-Hände notwendig gewesen.

Irgendwann wurde aus dem Strippensalat auch eine Ordnung.
Irgendwann wurde aus dem Strippensalat auch eine Ordnung. © WP / Stefan Scherer | Stefan Scherer

Die Panne hat unser Vertrauen in den Wagen vorerst völlig zerstört. Mehr als drei Wochen damit durch England? No way! Wir buchen eine Unterkunft in Cornwall und stellen Dodgy in seine Garage. Wir brauchen Abstand zu der ganzen Sache, die unser Leben neben der Arbeit komplett bestimmt hat. Ein Thema, das einem Pulverfass gleichkam, neben dem wir mit Feuer gespielt haben. Ein Funke und wir sind explodiert. Weg von zuhause, weg von diesem Ding, das tut uns in der Rosamunde-Pilcher-Landschaft richtig gut. Es wird Monate dauern, bis wir uns mit dem Wagen wieder beschäftigen – zwischen Mitte Juni und Ende September passiert gar nichts und ganz langsam kehrt diese Lust wieder zurück, an dem Auto weiterzubauen.

Wie halten wir es mit der Toilette?

Der Innenausbau schreitet voran und wir nähern uns der Umsetzung der Gretchenfrage: Wie halten wir es mit der Toilette? Wir wussten gar nicht, wie viele Möglichkeiten es gibt, mobil seine Notdurft zu verrichten. Wir entscheiden uns für eine Trockentrenntoilette und damit gegen den riesigen Schwarzwassertank, der sich unter dem Heck des Wagens befindet. Den Zulauf verschließen wir von oben, den Auslauf des Tanks schaue ich mir genauer an. „Muss man den Schieber eigentlich ziehen oder drücken, um den Tank zu schließen?“, frage ich mich, während ich unter dem C-Rohr-großen Auslass liege und daran herumrappel. „Sching“, ist in etwa das Geräusch, mit dem sich der Schieber drücken lässt und den vermeintlich längst geöffneten Auslass tatsächlich öffnet. Womit ich nicht gerechnet hatte, war dass die Vorbesitzer den Exkremente-Tank vor dem Verkauf nicht geleert hatten. Grob geschätzt 15 bis 20 Liter ergießen sich fontänenartig über mich und laufen durch die Garage, bis ich das Ding wieder geschlossen habe.

Soll ich lachen, weinen oder mich als erstes übergeben? In dem Garagenpark gibt es noch nicht einmal fließendes Wasser. Ich putze mich mit Malervlies irgendwie halbwegs sauber, rufe Nicole an, verlange panikartig danach, dass sie mir sofort Wasser vorbeibringt. Bevor sie das macht, bricht sie allerdings lachend am Telefon zusammen. Ich stimme mit ein. Hätten wir gewusst, dass sich die monatelange Totengräberstimmung in Bezug auf das Auto so einfach umkehren lässt, ich hätte vorher schonmal nach dem Tank geschaut.

Dodgy zieht Ende 2022 in sein Winterquartier.
Dodgy zieht Ende 2022 in sein Winterquartier. © WP / Stefan Scherer | Stefan Scherer

Ab jetzt geht es beim Bau voran, Nachbarin Carina näht uns traumhafte Polster und Gardinen, das hätten wir allein nicht geschafft. Die nächste Zäsur steht an: Dodgy zieht um. Von der ausgesprochen kostspieligen Hochgarage geht es auf einen umzäunten Stellplatz. Selbstverständlich springt Dodgy erstmal nicht an und ich lerne einiges über Vergaser und Spritpumpen. Sicher verpackt in eine Plane verbringt er die Wintermonate. Kurz vor Ostern wecken wir ihn aus dem Winterschlaf. Als würde er sich freuen, uns wiederzusehen, blubbert er sofort los.

Wasser, Wasser, Wasser - ein Schaden nach dem anderen

Das Programm bis zur ersten Ausfahrt: Frischwasser-System bauen, Abwasser-System bauen, Hängeschränke bauen, Deko. Doch dazu kommt es erstmal nicht. Die MDF-Platten, die auch für Schrankrückwände verwendet werden, und mit denen wir die Decke verkleidet hatten, haben sich unter den Temperaturunterschieden gewellt. Das sieht schrecklich aus. Möbel abbauen, Deckenverkleidung komplett abreißen, entsorgen. Sperrholz ist die zweite Lösung, die auch hätte die erste sein können, wenn wir uns mit der Materialfrage sofort beschäftigt hätten. Wir zahlen Lehrgeld.

Der Wagen steht ohne Plane draußen. Und der Blick zur nagelneuen Decke verrät nach ein paar Regentagen: Irgendwo ist das Dach undicht. Decke wieder runter, Dämmung wieder raus, rauf auf das Dach, mit Dichtmasse die offensichtlichen Stellen behandeln. Neue Dämmung rein, neue Deckenverkleidung drunter, fertig. Der nächste Abfahrtstermin steht fest. Nicoles Schwester und ihr Mann – bis vor ein paar Monaten erklärte Camping-Gegner – haben plötzlich auch ein Oldtimer-Wohnmobil, werkeln fleißig daran. Die erste Ausfahrt soll gemeinsam stattfinden, Dodgy meistert den TÜV ohne Mängel.

Die Schwester wird allerdings plötzlich krank, wir entscheiden, dass wir trotzdem allein losfahren wollen und beginnen, das Auto zu packen. Die Technik läuft komplett, die Motivation ist riesig, die Vorfreude gigantomanisch. Dann krabbel ich in den Alkoven, will ein paar Sachen in ein mit Filz ausgekleidetes Fach räumen und packe in Nässe.

Das fertige Bad – vor der vielen Technik ist so nichts mehr zu sehen. Dadurch ist es aber auch recht eng geworden.
Das fertige Bad – vor der vielen Technik ist so nichts mehr zu sehen. Dadurch ist es aber auch recht eng geworden. © WP / Stefan Scherer | Stefan Scherer

„Nicole wir haben ein Problem.“ „Was denn? Ich habe keine Lust auf Probleme.“ Eine halbe Stunde später haben wir Wandverkleidungen abgebaut, viele Quadratmeter nagelneuen Filz abgerissen, Hängeschränke abgenommen, Teile der Deckenverkleidung und der Dämmung. „Ich fahr’ jetzt zur Tanke, hol fünf Liter Super und fackel diese Scheißkarre ab!“, brülle ich. Nicole kämpft mit den Tränen. Wir finden eine Dichtmasse, mit der Boote unter Wasser im Meer abgedichtet werden können. Härtet über Wochen aus und ist überlackierbar. Wir baden quasi das Auto darin, das wir parallel dazu in Onlineportale zum Verkauf einstellen. Wir haben die Schnauze gestrichen voll. Fertigmachen, weg mit dem Ding. Das ist unser neuer Plan.

Entspannt mit 55 Meilen nach Friesland cruisen

Aber – einmal wollen wir vorher dann doch damit losfahren. Nicoles Schwester und ihr Mann haben ihre Jungfernfahrt mittlerweile hinter sich, schwärmen voller Begeisterung von ihrem alten Mercedes. Wir beschließen, dass wir zusammen ein Wochenende im niederländischen Friesland verbringen, finden einen schnuckeligen Stellplatz. Mit 55 Meilen in der Stunde lässt es sich mit unserem US-Oldie entspannt zwischen den Lkw cruisen. Alles funktioniert, das Wochenende ist wunderschön, der Hund liebt den Wagen ebenfalls. Und auch unsere befürchteten 30 Liter Super auf 100 Kilometern bewahrheiten sich nicht – 21 Liter sind allerdings alles andere als sparsam. Dafür läuft unsere autarke Technik wie geplant. Höchstens der Wassertank könnte etwas größer sein.

Zwei Jahre haben wir gebaut, geweint, gelacht, geschmipft. Unser nächstes Ziel: Ein dreiwöchiger Urlaub in Süd-Schweden. Dafür besorgen wir gerade neue Reifen, ein Ersatzrad und arbeiten die Umbauliste ab, die wir auf der Jungfernfahrt erstellt haben. Hätten wir uns diese zwei Jahre angetan, wenn wir gewusst hätten, was auf uns zukommt? Auf gar keinen Fall! Sind wir überglücklich mit dem Wagen? Total! Vielleicht sieht man sich ja mal beim Camping.

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