Gevelsberg/Wetter. Alleinvorstand Markus Bachmann schiebt den Schwarzen Peter für Ost-Tarife einfach weiter. So sind die Aussichten auf eine Verbesserung.

Nachdem diese Zeitung mehrfach über die Tarifflucht der Evangelischen Stiftung Volmarstein berichtete hatte und sich immer mehr aktuelle sowie ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Wort meldeten, um auf Missstände in der Stiftung hinzuweisen, hat sich Markus Bachmann, Alleinvorstand der Stiftung, mit einem dreiseitigen Brief an die Belegschaft gewendet. In diesem bezieht er dezidiert Stellung zu den Veröffentlichungen. Die Verantwortung dafür, dass die Stiftung an mehreren Stellen nach dem schlechteren Ost-Tarif zahlt, schiebt der Alleinverantwortliche der Stiftung an den Ennepe-Ruhr-Kreis, die Stadt Hagen und den LWL weiter beziehungsweise verweist darauf, dass in anderen Unternehmen noch schlechtere Bedingungen herrschen.

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Er nehme das Bild, das durch die Berichterstattung in der Öffentlichkeit gezeichnet werde, so nicht wahr und wolle dies auch nicht akzeptieren, schreibt Bachmann in dem Brief an die Mitarbeiterschaft im Namen der gesamten Führungsriege. In der Redaktion selbst hat sich jedoch weder der ESV-Chef, noch jemand aus dem Führungszirkel und auch nicht aus der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Nachgang der Berichterstattung gemeldet. „Wir sind alle traurig darüber, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – im aktiven Dienst oder nicht – ihren Unmut, ihren Ärger, ihre Enttäuschung auf diesem Weg zum Ausdruck bringen. Die gesamte Führungsmannschaft kann Ihnen nur versichern, dass wir zuhören, zu Gesprächen bereit sind und auch Kritik gegenüber offen sind.“

Zeitarbeitsfirma aufgelöst

Eine Ankündigung, die viele Mitarbeiter sicherlich gern aber auch verwundert hören. Denn: Vor allem die straffen Hierarchien, ein restriktives Vorgehen bei Kritik mit unrechtmäßigen Freistellungen und Kündigungen, die reihenweise vor dem Arbeitsgericht zurückgenommen werden mussten, sind Vorwürfe, die die Mitarbeiterschaft zuvorderst an die ESV-Führung richtet.

Diese geht zudem intensiv in dem Brief darauf ein, warum Angestellte nach dem Tarifvertrag des Diakonischen Werks Mecklenburg-Vorpommern bezahlt werden. Dies betreffe etwa 190 Angestellte, im wesentlichen Integrationskräfte an der Volmarsteiner Oberlinschule sowie Betreuungshelfer der Demenzwohngemeinschaften und Betreuungsassistenten aus dem Geschäftsbereich „Assistenz und Teilhabe“. Markus Bachmann und seine Führungsriege erläutern: „Als wir 2017 den Tarifvertrag des Diakonischen Werks Mecklenburg-Vorpommern für einige Angebote der Stiftung in NRW eingeführt haben, haben wir die Bezahlung und die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für diese Mitarbeiter*innen deutlich verbessert. Denn mit der Einführung dieses Tarifs haben viele Mitarbeiter*innen in den oben genannten Bereichen (als Vollzeitbeschäftigte) bis zu 300 EUR brutto pro Monat mehr erhalten zuzüglich einer betrieblichen Altersvorsorge im Wege einer Direktversicherung und waren nicht mehr Mitarbeitende der Personalleasingfirma PLV GmbH, sondern in der Dienstgemeinschaft ADV gGmbH zusammengefasst.“

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Welchen Teil der Geschichte Bachmann und seine Führungskräfte nicht erzählen: PLV steht für die Personalleasing Volmarstein, die die Stiftung Anfang der 00er Jahre überhaupt erst gegründet hat, um beispielsweise Hilfskräfte in der Hauswirtschaft und Reinigung aus der ESV auszugliedern, und in dem Tarif des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister unterzubringen – einer der niedrigsten Tarife auf dem Markt. In der Praxis verrichteten die niedrig entlohnten PLV-Kräfte und deutlich besser bezahlte direkt angestellte ESV-Kräfte mitunter im Unternehmen die selben Arbeiten. Im April 2017 trat das Equal-Pay-Gesetz in Kraft, das genau dieses Konstrukt illegal machte und Zeitarbeitern nach neun Monaten die gleichen Konditionen wie beim Unternehmen direkt Angestellten garantiert.

Konstrukt war plötzlich illegal

Erst durch den Druck des Gesetzgebers ist die PLV aufgelöst worden. Ein kleiner Teil der Mitarbeiter ist in die ESV gewechselt und wird dort nach NRW-Tarif bezahlt, der größte Teil ist per Betriebsübergang in die Ambulanten Dienste Volmarstein (ADV) überführt worden, wo sie nach dem niedrigsten der diakonischen Tarifverträge, die in Deutschland gelten, bezahlt werden. Bereits im Februar fragte die Redaktion gezielt zu diesem Punkt nach und wollte wissen, warum nicht alle Kräfte in die ESV überführt worden sind. Diese Frage beantwortete Pressesprecherin Astrid Nonn und Markus Bachmann allerdings nicht.

Die Zentrale der Evangelischen Stiftung Volmarstein.
Die Zentrale der Evangelischen Stiftung Volmarstein. © WP | Manuela Pavlovskis

Dieser Dumping-Lohn der kirchlichen Stiftung im Vergleich zum kirchlichen Tarifrecht, das in NRW gilt, sei notwendig, weil die Rahmenbedingungen dies nicht anders möglich machen würden. „Unser Problem besteht darin, dass diese unterschiedlichen Dienstleistungen in den genannten Bereichen teilweise vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und/oder dem Ennepe-Ruhr-Kreis sowie der Stadt Hagen bezahlt werden, die selbst unter enormem Kostendruck stehen. Die Höhe der Bezahlung verhandeln wir regelmäßig. Dabei befinden wir uns im Wettbewerb zu vielen anderen Anbietern“, heißt es in dem Schreiben an die Mitarbeiter.

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Zumindest der Ennepe-Ruhr-Kreis wollte sich diesen Schwarzen Peter in der Vergangenheit nicht zuschieben lassen, machte deutlich, mehr zahlen zu wollen und zu können, wenn die ESV dies benötige, um dem in NRW geltenden Tarif gerecht werden zu können. Bachmann teilt im Mitarbeiter-Brief mit: „Sollten sich perspektivisch die Rahmenbedingungen ändern, werden wir natürlich für die betroffenen Mitarbeitenden andere Lösungen finden.“

Keine Verbesserung in den Kitas

Diese möglichen Verbesserungen stellt er für die Angestellten in den Kitas, die ebenfalls nach Ost-Tarif bezahlt werden, nicht in Aussicht. Er verweist darauf, dass der Bruttolohn auf BAT-KV-Niveau – das ist der NRW-Tarif – angehoben werde. Die Altersvorsorge ist jedoch erheblich schlechter. Auch hier zwinge die Refinanzierungsthematik die Stiftung zu diesem Tarif. Vor allem karitative Träger würden sich aufgrund wirtschaftlicher Defizite aus dem Kita-Bereich zurückziehen. Trotz Fachkräftemangels würden Erzieherinnen und Erzieher nicht zu anderen Arbeitgebern wechseln. „Offensichtlich ist die Bezahlung der KJV gGmbH nicht so schlecht, wie der Redakteur meint“, schreibt Bachmann. Gleichwohl, so die gesicherten Informationen der Redaktion, lief die Kita Blauer Planet in Gevelsberg während der vergangenen Monate immer wieder wegen Personalknappheit im Notbetrieb.

Vor dem Hintergrund, dass die ESV eine weitere Kita in der Liebfrauenkirche in Gevelsberg eröffnen wird, wird die personelle Ausstattung der neuen Einrichtung mit Sicherheit auch mit den Worten der ESV-Spitze abgeglichen werden.

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