Gevelsberg/Wetter. Neuer Ärger um die ESV: Während bei Mitarbeitern mit großem Druck gespart wird, windet sich der Vorstand um Erklärungen herum.

Die Fassade der Evangelischen Stiftung Volmarstein (ESV) als Vorzeige-Betrieb hat schwere Risse erhalten, als bekannt wurde, dass mehrere hundert der insgesamt 4000 Angestellten nach dem deutlich schlechteren Tarifvertrag aus Mecklenburg-Vorpommern bezahlt werden. Doch das scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein: Einerseits ist der Tarifsumpf tiefer als Alleinvorstand Markus Bachmann seinerzeit offenlegte. Andererseits zeichnen dutzende aktuelle und ehemalige Mitarbeiter ein Bild der christlichen Einrichtung, das vor allem dadurch bestimmt wird, über Druck und Angst auf den Rücken der Mitarbeiter zu sparen. Die ESV weist hingegen alle Anschuldigungen weit von sich.

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Den Ursprung hat der Tarif-Ärger in der Stiftung in der Kita „Blauer Planet“ in Gevelsberg. Hier ist es vor allem mit Blick auf den Erziehermangel und die fortwährenden Unterbesetzung zum Thema geworden, dass die Erzieherinnen und Erzieher nach dem diakonischen Tarif aus Mecklenburg-Vorpommern (AVR M-V) und nicht nach dem in NRW geltenden (BAT-KF) bezahlt werden. Gleiches gilt für Angestellten der Ambulanten Dienste Volmarstein, zu denen unter anderem die Integrations- und Betreuungskräfte gehören, die über den Ennepe-Ruhr-Kreis und die Stadt Hagen finanziert werden.

EN-Kreis sauer auf Vorstand Bachmann

Alleinvorstand Markus Bachmann hatte seinerzeit mitgeteilt, in den Kitas – eine in Gevelsberg, zwei in Wetter, eine in Mecklenburg-Vorpommern – werde die Lücke im Bruttolohn zwischen den Tarifverträgen aufgefüllt, für die nach Ost-Tarif bezahlten Beschäftigen bei den Ambulanten Diensten seien der EN-Kreis und die Stadt Hagen verantwortlich, weil diese nicht ausreichende Mittel für NRW-Gehälter bereitstellen würden. „Selbstverständlich werden wir Erhöhungen, die wir mit dem Landkreis und der Stadt Hagen gemeinsam vereinbaren können, eins zu eins an unsere Mitarbeitenden weitergeben. Die nächste Verhandlungsrunde dazu steht im April dieses Jahres an“, teilt Astrid Nonn, Pressesprecherin der Stiftung, nun auf Nachfrage dieser Zeitung mit.

Astrid Hinterthür, Fachbereichsleiterin des Kreises machte seinerzeit deutlich: „Was Herr Bachmann da vom Stapel gelassen hat, stimmt einfach nicht und ist gelinde gesagt unter aller Sau.“ Würde die ESV höhere Bedarfe anmelden, würde der Kreis diese übernehmen.

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Neben diesem Watschen gerät mittlerweile auch die Argumentation bei den Kita-Kräften ins Wanken. Denn nach Recherchen dieser Zeitung beschränkt sich der Unterschied zwischen AVR M-V und BAT-KF bei Weitem nicht nur auf 300 bis 700 Euro Unterschied im Bruttolohn. Die nach Ost-Tarif Angestellten müssen eine Stunde pro Woche mehr arbeiten, haben zwei Tage weniger Urlaub im Jahr und erhalten eine Altersvorsorge, die über die Dauer der Lebensarbeitszeit gerechnet mehrere hundert Euro weniger Rente ausmacht. Das gleicht die Stiftung alles nicht aus. Mit den Rechercheergebnissen konfrontiert äußert sich die Stiftung wie folgt: „Zu den Gründen der Anwendung des Tarifs AVR M-V haben wir uns bereits geäußert.“

Die Kita Blauer Planet in Gevelsberg ist Ausgangspunkt des ESV-Ärgers um die Ost-Tarife.
Die Kita Blauer Planet in Gevelsberg ist Ausgangspunkt des ESV-Ärgers um die Ost-Tarife. © WP | Carmen Thomaschewski

Seinerzeit teilte die Stiftung mit, dass dies organisatorische Gründe habe, weil die erste Kita damals im Osten gegründet wurde. Doch auch da treten Fragen auf, denn: Nach Recherchen dieser Zeitung existiert in Mecklenburg-Vorpommern zwar die Kita Luise-Scheppler-Haus, doch die KJV – das ist die Gesellschaft mit Sitz im Osten, bei der die Beschäftigten der Kitas angestellt sind – ist erst im Jahr 2018 in Ivenack gegründet worden. Da hatte die Kita in Mecklenburg-Vorpommern lange bestanden und es war sogar bereits klar, dass die ESV Trägerin der Kita „Blauer Planet“ in Gevelsberg werden würde. Ebenso läuft die komplette Verwaltung der beiden Kitas in Wetter und der Kita in Gevelsberg und auch des Luise-Scheppler-Hauses von Volmarstein aus. Was sind das also für organisatorische Gründe, die die Evangelische Stiftung Volmarstein dazu zwingen, nach Ost-Tarif zu zahlen? Darauf geben Markus Bachmann respektive Astrid Nonn keine Antwort.

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Stiftung schweigt zu Tarif-Nachfragen

Das gleiche Konstrukt existiert bei den Ambulanten Diensten. Auch die Verwaltung dieser Mitarbeiter erfolgt komplett aus Volmarstein, auch ihr Einsatzgebiet ist Nordrhein-Westfalen. Auch hier reagiert die Stiftung auf Nachfragen nicht. Wie aber will die ESV im Umfeld des schwersten Facharbeitermangels seit vielen Jahrzehnten so noch geeignetes Personal akquirieren? Auch auf diese Frage herrscht Schweigen, wobei da die Beobachter der Szene mit Sicherheit gespannt den Blick auf Gevelsberg richten werden, wo die ESV in der Liebfrauenkirche eine neue Kita betreiben soll und dafür natürlich Fachpersonal einstellen muss.

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Der Spardruck, so machen die übereinstimmenden Aussagen zahlreicher aktueller und ehemaliger Mitarbeiter deutlich, regiert jedoch in sämtlichen Bereichen der Stiftung, die unter der Regie von Markus Bachmann zu einem komplizierten Geflecht zahlreicher Gesellschaften geworden ist.

Aktuell ist er als Geschäftsführer von mindestens 16 GmbHs unter dem Stiftungsdach gelistet. Immer wieder, so betonen Beschäftigte aus allen Bereichen und Hierarchieebenen – kommt die Sprache intern auf den Stellenplan, der angeführt werde, um zu argumentieren, dass Beförderungen doch nicht funktionieren. Die Krankenstände sind hoch, die Fluktuation unter den Angestellten ebenfalls. Während der vergangenen Jahre erlitt die Stiftung immer und immer wieder Schiffbruch vor dem Arbeitsgericht, weil beispielsweise Angestellte zu Unrecht freigestellt oder gekündigt wurden.

Die Evangelische Stiftung Volmarstein: Aus allen Bereichen erheben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwere Vorwürfe gegen die Führungsetage und deren Umgang mit den Beschäftigten.
Die Evangelische Stiftung Volmarstein: Aus allen Bereichen erheben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwere Vorwürfe gegen die Führungsetage und deren Umgang mit den Beschäftigten. © WP | Manuela Pavlovskis

In diversen Bereichen, so die Informationen der Redaktion aus mehreren internen Quellen, sind Mitarbeiter eingesetzt, die für ihre Stellenbeschreibung und Tätigkeit überqualifiziert sind. Sie sollen laut ihrer Stellenbeschreibung bezahlt werden, seien jedoch dazu angehalten, Arbeiten auszuführen, die ihrer Qualifikation entsprechen oder schlicht über dem liegen, was sie vergütet bekommen. Das beginne bei Leuten, die über einen Personaldienstleister unterhalb von Pflegehilfskräften eingestellt seien und ziehe sich hin bis zu Akademikern wie studierten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern.

Auch mit diesen Vorwürfen konfrontiert die Redaktion die ESV, die wie folgt reagiert: „Generell dürfen wir (...) festhalten, dass Bewerber auf freie Stellen eingestellt werden und auch nur die Leistungen zu erbringen haben, welche dem Tätigkeitsprofil für die jeweilige Stelle entsprechen. Weiterhin weisen wir daraufhin, dass alle personalrechtlichen Maßnahmen – wie auch die Eingruppierung – der Mitbestimmung durch die Mitarbeitervertretung/den Betriebsrat unterliegen. Wenn der von Ihnen beschriebene Fall das gängige Prinzip wäre, würden die Gremien zu Recht Ihr Veto einlegen und auf diesen Missstand hinweisen.“

Auf Stiftungskosten zum Timmendorfer Strand

Auch dies lässt Markus Bachmann über Pressesprecherin Astrid Nonn verlauten. Ebenso wie die Reaktionen auf sämtliche Rechercheergebnisse der Redaktion, die auch den Münsteraner selbst betreffen. Denn: Mitarbeiter auch aus den Führungszirkeln der Evangelischen Stiftung berichten, dass der Volmarsteiner Sparzwang nicht für die Chefetagen gelte. Immer wieder kommen die seit Jahren regelmäßig stattfindenden Tagungen von Bereichs- und Geschäftsleitungen zur Sprache, die zumeist in Münster sind. Diese fanden beispielsweise im Hotel Mövenpick und Mauritiushof statt. Beides hochpreisige Häuser. Im Jahr 2018 verbrachte die Führungsriege auf Stiftungskosten mehrere Tage – von Donnerstag bis Samstagvormittag – am Timmendorfer Strand.

Pressesprecherin Astrid Nonn beschreibt diese Tagungen auf Nachfrage der Redaktion so: „Die ESV veranstaltet – selbstverständlich nicht während der Pandemie – regelmäßig Tagungen und Workshops leitender Mitarbeitenden, um die Kommunikation und den Austausch zwischen unterschiedlichen Abteilungen und Bereichen zu fördern und Projekte zu unterstützen. Dabei handelt es sich um Arbeitstreffen mit einer festen Agenda. Es ist zutreffend, dass solche Tagungen auch in Münster stattgefunden haben. Soweit Sie daraus ,ausschweifende Exzesse’ konstruieren wollen, ist dies indes schlicht unwahr. Die Tagungen dienen stets der Abarbeitung von Sachthemen.“

Markus Bachmann, Alleinvorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein, steht in der massiven Kritik seiner Mitarbeiter.
Markus Bachmann, Alleinvorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein, steht in der massiven Kritik seiner Mitarbeiter. © WP | Manuela Pavlovskis

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