Schwelm/Hagen. Er hat seinen eigenen Töchtern über Jahre hinweg schlimme Dinge angetan. Jetzt gibt es ein Urteil gegen den Schwelmer. Das sagt er dazu.
Unzählige Male hat der 40-Jährige seine zwei Töchter über Jahre hinweg und schon ab dem Kleinkindalter in Schwelm sexuell missbraucht. Jetzt geht er dafür sieben Jahre ins Gefängnis – allerdings nicht sofort. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft mehr als 1400 Missbrauchstaten an seinen beiden Kindern angeklagt. Diese hochgerechnete Zahl wurde während des Verfahrens reduziert, dennoch war nicht zuletzt nach dem Geständnis des Mannes klar: Er hat sich immer und immer wieder an den beiden Mädchen vergangen – auch während die Familie in Schwelm lebte. Nach einem dreitätigen Prozess beantragte die Staatsanwaltschaft sieben Jahre und vier Monate Haft, die Pflichtverteidigerin forderte für ihren Mandanten eine etwas mildere Strafe in Höhe von sechs Jahren und sechs Monaten. Am Ende urteilte das Gericht mit sieben Jahren Gefängnis ungefähr in der Mitte, verhängte allerdings keinen Haftbefehl, so dass der 40-Jährige bis zu seinem Haftantritt auf freiem Fuß bleibt. Seine DNA soll in entnommen und gespeichert werden. Außerdem trägt er die Kosten des Verfahrens.
Geständnis angerechnet
482 Taten blieben am Ende des Prozesses übrig. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – unter anderem in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung. „Die Kammer hat ganz erheblich zugunsten des Angeklagten gewertet, dass dieser den Kindern eine Aussage erspart hat“, erklärt der Vorsitzende Richter Jörg Weber-Schmitz am Landgericht Hagen, als er das Urteil begründet. Es sei das erste Verfahren dieser Art, das ihm überhaupt bekannt sei, in dem die Kinder nicht vernommen wurden. Der Grund dafür ist, dass ihr Vater die Vorwürfe gegen ihn von Anfang an bestätigt hat. „Der Angeklagte war sichtlich um die Wahrheit bemüht und hat sich erheblich selbst belastet“, so der Richter weiter. Auch dass der Mann bisher nicht vorbestraft ist, hält ihm das Gericht zugute.
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An dem schrecklichen Geschehen selbst ändert das aber nichts. „Die Kinder waren sehr jung und es kam regelmäßig zu Taten“, macht Weber-Schmitz ebenso deutlich. Er spricht von der Gefahr psychischer Schäden und tatsächlichen psychischen Schäden der Kinder, die neben möglichen körperlichen Verletzungen für die Urteilsfindung relevant sind. Die Rede ist auch von einer Störung der eigenen sexuellen Entwicklung durch den Vater.
Sinneswandel und Beichte
Dass der Angeklagte geständig ist, hat ihm auch die Staatsanwaltschaft angerechnet. „Er hat, nachdem die ersten Taten bekannt wurden, vollumfänglich reinen Tisch gemacht“, so der Staatsanwalt. Darauf kam auch auch die Pflichtverteidigerin des 40-Jährigen in ihrem Plädoyer zu sprechen. „Mein Mandant hat eine Art Lebensbeichte abgegeben, obwohl es keinen hohen Verfolgungsdruck gegeben hat“, erklärt sie. „Er hat die Taten nie geschönt und einen radikalen Sinneswandel vollzogen.“
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Eine schriftliche Einlassung, die sie vorbereitet hatte, habe er zu Prozessbeginn nicht gewollt, sondern habe sich selbst in seinen eigenen Worten zur Anklage äußern wollen. „Mein Mandant weiß, dass ihn eine deutliche Freiheitsstrafe erwartet“, so die Anwältin. Diese erkenne er auch an. „Er hat die Taten ernsthaft bereut und tut es auch heute noch“, fährt sie fort. „Er wollte den Kindern keine Schmerzen zufügen.“ Gleichzeitig leide ihr Mandant an der Trennung von seiner Familie. Bezüglich der Strafe waren Verteidigung und Staatsanwaltschaft sich recht einig. „Was die Staatsanwaltschaft gefordert hat, ist sicherlich im Rahmen dessen, was für solche Taten notwendig ist“, sagt die Anwältin. Trotzdem blieb sie mit ihrem Plädoyer leicht unter dem Strafmaß, das die Gegenseite beantragt hatte.
Dem Jugendamt gestellt
Heraus kamen die Übergriffe des 40-Jährigen, weil dieser sich im Januar 2022 selbst dem Jugendamt in Schwelm offenbarte. „Es wurde vermutet, dass ich das mache. Ich habe den Nudismus ausgelebt. Verwandte sind misstrauisch geworden und haben das Jugendamt informiert“, hatte der Angeklagte während eines früheren Prozesstages erklärt. Das sei mit der Polizei vorbeigekommen. Das Jugendamt Schwelm ordnete schließlich eine räumliche Trennung des 40-Jährigen von seiner Familie an. „Ich wollte mir einen Anwalt nehmen und es leugnen“, hatte der Angeklagte erzählt. Gott habe ihm aber gesagt, er solle reinen Tisch machen. „Ich hatte Angst vor der Hölle“, sagte er. Außerdem habe er Angst davor gehabt, dass seine Kinder ohne ihn aufwachsen müssten.
Das Sexleben mit seiner Frau hatte der 40-Jährige vor Gericht als kompliziert beschrieben. Er fühlte sich zunächst zur älteren der beiden Töchter hingezogen. „Was soll ich sagen? Sie ist schöner, interessanter, sie ist immer lieb. Es hat gelockt“, so seine Erklärung dafür. Später missbrauchte er auch die jüngere Tochter. Insgesamt gibt es fünf Kinder in der Familie.
Frage nach den Töchtern
Nach dem Prozessauftakt war offengeblieben, wie es den beiden betroffenen Mädchen heute geht und wie sie – und auch die Mutter – mit der Situation umgehen. Um den beiden Mädchen eine Aussage vor Gericht zu ersparen und eine Konfrontation zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau zu vermeiden, hatte die Kammer eine Zeugin eingeladen, die im Zuge einer sozialpädagogischen Familienhilfe mit Mutter und Kindern zu tun hat. „Aus meiner Sicht sind die Kinder normal entwickelt und zeigen keine Auffälligkeiten.
Bei Hausbesuchen sind die Kinder offen, fröhlich und aufgeschlossen uns gegenüber“, hatte die Zeugin während des zweiten Verhandlungstages ausgesagt. Die Trennung vom Vater hätten sie ganz gut verkraftet. „Es kommen Fragen nach dem Vater, aber das ist alters- und entwicklungstypisch“, so die Zeugin.
Über den Missbrauch hatte die Familienhilfe mit den Töchtern nach Angaben der Frau nicht gesprochen. Zwar seien Mutter und Kinder darauf vorbereitet worden, dass der Prozess beginne. Aber: „Mit den Kindern soll nicht über einzelne Erlebnisse gesprochen werden. Wir wollten warten, bis der Prozess abgeschlossen ist“, hatte die Frau im Zeugenstand erklärt. Der dritte Verhandlungstag drehte sich schließlich um das Urteil. Nach der Verkündung hatte der Angeklagte die Chance, noch ein paar Worte zusagen. Diese nutzte er auch und stand auf. „Ich weiß nicht, was ich dazu noch sagen soll, ich habe die Sache Gott überlassen und ich nehme es so an“, erklärte er. Noch ist das Urteil aber nicht rechtskräftig, weil sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe noch Revision einlegen könnten.