Schwelm. Ein Vater gibt zu, zwei seiner Töchter – unter anderem in Schwelm – missbraucht zu haben. Bei Gericht ging es nun um die Situation der Familie.

In insgesamt 1434 Fällen sollte ein 40-jähriger Familienvater zwei seiner Töchter noch im jungen Alter missbraucht haben – unter anderem, während die Familie in Schwelm lebte. Eine Zahl, die bereits zum Prozessauftakt vor dem Hagener Landgericht immer wieder Fragen aufwarf. Während des zweiten Prozesstages ließ das Gericht nun einen Großteil der Vorwürfe gegen den Angeklagten fallen, die Zahl verringerte sich damit um fast 1000 Fälle.

Dabei ging es vor allem um die Fragen, wie viele sich nachweisen lassen und wie der Angeklagte sich zu den ihm gemachten Vorwürfen einlässt. Der Mann hatte sich selbst dem Jugendamt offenbart und den Missbrauch seiner Töchter auch vor Gericht gestanden. Vorstrafen hat er bislang keine.

Lesen Sie auch:

Bezüglich der Häufigkeit hatte der Mann immer wieder klargemacht, dass er nicht genau wisse, wie oft es zum Missbrauch gekommen sei. Er räumte aber ein, dass es regelmäßig passierte. Das Gericht geht im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft nun davon aus, dass 482 Taten übrig bleiben, die für das weitere Verfahren relevant sind. Juristisch geht es um sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, auch in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung. Der vorsitzende Richter Jörg Weber-Schmitz machte deutlich: „Das ist eine ganz gehörige Packung, die da auf den Angeklagten zukommen kann.“

Kinder fröhlich und offen

Nach dem Prozessauftakt war offengeblieben, wie es den beiden Töchtern heute geht und wie sie – und auch die Mutter – mit der Situation umgehen. Um den beiden Mädchen eine Aussage vor Gericht zu ersparen und eine Konfrontation zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau zu vermeiden, hatte die Kammer eine Zeugin eingeladen, die im Zuge einer sozialpädagogischen Familienhilfe mit Mutter und Kindern zu tun hat.

Vorwurf der Kinderpornografie fallengelassen

Die Anklage hatte dem 40-Jährigen auch vorgeworfen, eine der beiden Töchter im Schlaf nackt fotografiert und das Material gespeichert zu haben. Die Rede war infolgedessen von der Herstellung und dem Besitz kinderpornografischer Inhalte.

Diesen Vorwurf hat das Gericht ebenfalls im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft fallen lassen, das aber unter der Prämisse, dass das konfiszierte Handy des Mannes außergerichtlich eingezogen wird, der Angeklagte dieses also nicht wieder zurückbekommt. Dieser erklärte sich damit einverstanden.

Genaue Details wollte die Frau in der öffentlichen Verhandlung nicht preisgeben, um einer Retraumatisierung der beiden Kinder vorzubeugen. Nur so viel: „Aus meiner Sicht sind die Kinder normal entwickelt und zeigen keine Auffälligkeiten. Bei Hausbesuchen sind die Kinder offen, fröhlich und aufgeschlossen uns gegenüber.“

Wie sie die Trennung vom Vater verkraften würden, fragte der vorsitzende Richter. Zur Erinnerung: Das Jugendamt Schwelm hatte eine räumliche Trennung des 40-Jährigen von seiner Familie angeordnet. „Das haben die ganz gut verkraftet“, antwortet die Zeugin. „Es kommen Fragen nach dem Vater, aber das ist alters- und entwicklungstypisch.“

Urteil soll Ende März fallen

Über den Missbrauch hat die Familienhilfe mit den Töchtern nach Angaben der Frau nicht gesprochen. Zwar seien Mutter und Kinder darauf vorbereitet worden, dass der Prozess beginne. Aber: „Mit den Kindern soll nicht über einzelne Erlebnisse gesprochen werden. Wir wollten warten, bis der Prozess abgeschlossen ist“, so die Frau im Zeugenstand. Insgesamt gebe es fünf Kinder in der Familie.

„Wie geht die Mutter damit um?“, fragte der Richter. „Das ist schwer zu sagen. Wie es ihr geht, dazu kann ich keine Aussagen treffen“, antwortet die Frau von der sozialpädagogischen Familienhilfe. Die Mutter habe sich an einem neuen Wohnort ganz gut eingerichtet.

+++ Nichts mehr verpassen: Bestellen Sie hier unseren Newsletter aus Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm+++

Der Richter erkundigte sich darüber hinaus nach der beruflichen Situation und den Einkommensverhältnissen des Angeklagten. Er gab an, aktuell in einer Leiharbeitsfirma zu arbeiten und etwa 1200 Euro brutto zu verdienen. Während des nächsten Prozesstages Ende März möchte die Kammer das Urteil gegen den 40-jährigen Familienvater sprechen, der sich aktuell auf freiem Fuß befindet. Das liegt laut Aussage des Landgerichts daran, dass er sich selbst offenbart habe und voll geständig sei und so keine Fluchtgefahr bestehe.