Gevelsberg. Die Corona-Inzidenz ist nach der Gevelsberger Kirmes stark angestiegen. Was bedeutet das für andere Veranstaltungen? Das sagen die Behörden.

Viele hatten es vorausgeahnt und so ist es auch gekommen. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Corona-Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner, ist nach der Gevelsberger Kirmes sprunghaft und stark angestiegen. Dieser Wert lässt sich rechnerisch auch für einzelne Städte mit weniger als 100.000 Einwohnern errechnen.

Gut eine Woche nach der Kirmes hatte Gevelsberg seine Nachbarstädte Schwelm und Ennepetal bei der Inzidenz weit hinter sich gelassen. Mittlerweile sinkt die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt wieder.

Welche Schlüsse ziehen die Stadt Gevelsberg und der Kirmesverein daraus? Wie schätzt der Corona-Krisenstab des Ennepe-Ruhr-Kreises diese Entwicklung mit Blick auf andere Veranstaltungen ein? Und was sagen die medizinischen Einsatzkräfte der Kirmes dazu? Die Redaktion hat nachgefragt.

Corona-Krisenstab

Astrid Hinterthür, Leiterin des Corona-Krisenstabs des Ennepe-Ruhr-Kreises, sieht ebenfalls einen direkten Zusammenhang zwischen der Gevelsberger Kirmes und der anschließend sprunghaft angestiegenen Inzidenz. Einen Grund zur Sorge sieht sie deshalb aber noch nicht.

Die Inzidenz im gesamten Kreis habe am 7. Juli immer noch unter der Inzidenz des Landes NRW gelegen (Ennepe-Ruhr-Kreis 695; NRW: 714), erklärt sie schriftlich auf Nachfrage der Redaktion. „In den Krankenhäusern befinden sich 67 Patienten, davon zwei auf der Intensivstation“, so Hinterthür. „Insofern wird die Lage im Kreis noch nicht als besorgniserregend eingeschätzt.“ Allerdings würden milde Verläufe nicht heißen, dass die Menschen nicht krank seien, sondern nur, dass ein Krankenhausaufenthalt nicht erforderlich sei.

Was künftige Großveranstaltungen wie das Schwelmer Heimatfest angeht, verweist der Corona-Krisenstab auf die Verantwortung des Einzelnen. „Letztlich treffen steigende Inzidenzen auf ein Nichts an gesetzlich geregelten Maßnahmen“, macht Astrid Hinterthür deutlich. Das RKI verweise allerdings weiterhin auf die Empfehlungen zur Infektionsvermeidung (Abstand, Handhygiene, Maske in engen Situationen). „Es liegt in der Verantwortung des Einzelnen, dass Risiko für sich – und seine Angehörigen – abzuwägen“, betont die Krisenstabsleiterin.

Sollte es mit Blick auf einen drohenden Corona-Herbst für Veranstaltungen ähnlich der Gevelsberger Kirmes schon früher wieder Beschränkungen geben? „Derzeit hat der Kreis keine Möglichkeit, Einschränkungen zu verfügen“, erklärt Astrid Hinterthür. „Hier ist der Bundesgesetzgeber gefragt. Wann und in welche Richtung das Infektionsschutzgesetz angepasst wird, ist derzeit nicht bekannt.“

Stadt Gevelsberg

Hat die Stadt als Veranstalter der Kirmes mit so einer Entwicklung gerechnet? „Massenveranstaltungen haben stets Einfluss auf das Infektionsgeschehen, so dass die Stadt Gevelsberg mit einem Anstieg des Inzidenzwertes gerechnet hat“, teilt Bürgermeister Claus Jacobi auf Nachfrage dieser Zeitung mit.

Die grundsätzliche Abwägung, dass Massenveranstaltungen wie die Gevelsberger Kirmes mit nachfolgend zwangsläufig ansteigenden Inzidenzwerten durchgeführt werden dürfen, habe der Gesetz- und Verordnungsgeber durch seine Entscheidungen für die derzeit geltenden Rechtsgrundlagen vorweggenommen. „Die Stadt Gevelsberg hat sich exakt innerhalb dieses Rechtsrahmens bewegt, was ich aufgrund der immensen Bedeutung, die die Gevelsberger Kirmes für das soziale Leben in unserer Stadt hat, auch nach wie vor für richtig halte.“

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Und auch in Zukunft werde die Stadt Gevelsberg weiterhin jede künftig geplante Großveranstaltung im Rahmen des geltenden Rechts bewerten und mit angemessenem zeitlichen Vorlauf über ihre Durchführung entscheiden. Jacobi betont: „Großveranstaltungen, die der Gesetz- und Verordnungsgeber für durchführbar erklärt, soll es nach meinem Dafürhalten in der Stadt Gevelsberg auch künftig geben.“

Für das soziale Miteinander und die Identität einer Stadtgesellschaft seien solche sozialen, kulturellen und sportlichen Großereignisse unverzichtbar.

Kirmesverein

„Wenn sich jeder getestet hätte, und nur gekommen wäre, wenn er sich gesund gefühlt hätte, dann wäre es sicherlich anders gelaufen“, sagt der Kirmesvereinsvorsitzende Markus Loetz mit Blick auf die hohen Inzidenzen. Natürlich sei allen bewusst gewesen, was passieren könnte. Die Regeln sind aufgehoben und das Coronavirus ist nicht weg. Man habe auf die soziale Eigenverantwortung gesetzt. Nämlich nicht auf die Kirmes zu kommen, wenn man Symptome hat. Aber das hätten wohl einige nicht abgehalten.

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Die Risiken seien allen bewusst gewesen. Deshalb hätten sich auch alle Helfer an den Bierständen vor der Schicht getestet, alle seien geimpft gewesen, sagt Loetz. Und dennoch habe es auch einige in den Kirmesgruppen erwischt. Loetz habe gehört, dass immer wieder Leute betroffen sein sollen, die die Spätschicht an den Zapfhähnen hatten. Natürlich bedaure er diese Entwicklung und hofft, dass es milde Verläufe sind. Dennoch: „Es ist wichtig und richtig gewesen, die Kirmes zu veranstalten.“

DRK

Rotkreuzleiter Mario Fuchs sagte bereits am Kirmessonntag im Gespräch mit unserer Zeitung: „Ich glaube, dass nach der Kirmes die Inzidenzen explodieren.“ Er hat Recht damit behalten. An diesem Morgen hatte sich der DRK-Funker Corona positiv gemeldet, zu diesem Zeitpunkt sei Fuchs davon ausgegangen, dass das nur der Anfang war. „Tatsächlich ist danach niemand mehr von den DRK-Helfern krank geworden“, sagt er zehn Tage später. Zum Glück.

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Aber: Die DRK-ler hätten sich auch nicht in das Getummel gestürzt, sondern seien immer in Bewegung gewesen, die Kirmes auf und abgegangen. Es seien täglich Tests gemacht worden, wer wollte, trug Maske. Dennoch: Dass die Inzidenzen hoch gehen, das sei auch nach anderen Veranstaltungen wie bei Schützenfesten so gewesen. „Corona geht jetzt eben rum“, aber Veranstaltungen absagen, das sei keine Lösung. Eigenverantwortung sei jetzt entscheidend.