Ennepetal. Manchem ist es aufgefallen: In Ennepetal wird ein Film gedreht. Regisseur Henning Beckhoff ist für sein neues Werk in die Heimat zurückgekehrt.

Es herrscht Stille am Elsternweg in Voerde. Die Szenerie ist ungewöhnlich, denn nicht ein einziges Auto steht am sonst meist zugeparkten Straßenrand. In Garageneinfahrten verbergen sich zwei Dutzend Menschen, die orangefarbene Warnwesten tragen. Einige Anwohner lugen neugierig um die Ecke ihres Hauses oder schauen interessiert aus dem Fenster. An einer Straßenlaterne steht eine Frau mit Hund. Da setzt sich ein Pick-up in Bewegung, auf dessen Ladefläche eine Filmkamera fest installiert ist. Ein schwarzer Lieferwagen fährt seitlich versetzt hinterher. Dem Beobachter wird klar: Hier finden gerade Dreharbeiten für einen Film statt.

Die Kamera ist für die Fahrt durch den Elsternweg an der Ladefläche eines Pick-ups angebracht.
Die Kamera ist für die Fahrt durch den Elsternweg an der Ladefläche eines Pick-ups angebracht. © Hartmut Breyer

Der aus Ennepetal stammende Regisseur Henning Beckhoff ist bereits seit Ende Mai mit einem großen Team in seiner Heimatstadt aktiv. „Fossil“ heißt der Kinofilm, der vom ZDF im Rahmen der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ co-produziert wird. Etwa die Hälfte des Werks entsteht in Ennepetal. „Hier ist vieles für mich leichter, weil ich mich so gut auskenne“, erzählt der Regisseur, der hier 2016 seinen ersten längeren Kinofilm „Fünf Dinge, die ich nicht verstehe“ drehte. Als er nun die Spielorte für „Fossil“ suchte, kam ihm erneut Ennepetal in den Sinn. Mit Hilfe eines Aufrufs in dieser Zeitung fand er ein geeignetes Haus an der Ischebecker Straße in Altenvoerde, in und an dem ein Großteil der Szenen gedreht werden und das zugleich Basis für das Filmteam ist (mehr dazu auf Seite Ennepetal). Nachdem der zentrale Drehort gefunden war, fand Henning Beckhoff für einige weitere Szenen die geeigneten Schauplätze ebenfalls in der Klutertstadt.

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„Fossil“ handelt von einem Mann, über den die Zeit hinweggegangen ist. Michael, so der Name des Protagonisten, arbeitete lange auf einem Schaufelradbagger im Braunkohletagebau. Nun steht er aufgrund des bevorstehenden Kohleausstiegs vor tiefgreifenden Veränderungen und auch innerhalb seiner Familie sieht er sich mit existenziellen Herausforderungen konfrontiert. Der Film, für den Henning Beckhoff gemeinsam mit Bastian Köpf das Drehbuch geschrieben hat, erzählt von Michaels verzweifeltem Kampf um sein Lebenswerk und um seine Familie.

Schauspieler mit Regisseur: Philippine Pachl, Sohel Altan Gol, Karen Dahmen, Henning Beckhoff, Ruth Reinecke, Henning Beckhoffs Sohn August und Markus Hering (von links).
Schauspieler mit Regisseur: Philippine Pachl, Sohel Altan Gol, Karen Dahmen, Henning Beckhoff, Ruth Reinecke, Henning Beckhoffs Sohn August und Markus Hering (von links). © Hartmut Breyer

Um ein Braunkohlerevier glaubhaft darstellen zu können, ist Ennepetal natürlich zu hügelig. Doch im Film gibt es Möglichkeiten, das zu kaschieren. Die Tagebauszenen wurden ohnehin in Brandenburg gedreht. Dort ging es Anfang Mai los. „Das war eine imposante Kulisse, mit den riesigen Maschinen“, erzählt der Regisseur. Dem monumentalen, westernartigen Schauplatz steht das Haus als emotionales Zentrum der Familie gegenüber.

Unterstützung durch die Familie

Beim Filmdreh in der Heimat kann Henning Beckhoff auf die Unterstützung seiner Familie zählen. Sohn August spielt sogar eine Rolle in „Fossil“. Um ihn in den oft langen Drehpausen bei Laune zu halten, ist Henning Beckhoffs Mutter dabei.

Der Vater des Regisseurs war schon bei der Suche nach geeigneten Drehorten in Ennepetal im Einsatz.

Der Film „Fossil“ wird von den Firmen Jost Hering Filme und Hupe Film produziert und vom Medienboard Berlin-Brandenburg und von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert.

Im Elsternweg wurde besagte Straßenszene gedreht. Dort fand Henning Beckhoff, der wie schon in „Fünf Dinge...“ und dem folgenden Werk „Off Season“ mit der preisgekrönten Kamerafrau Sabine Panossian zusammenarbeitet, die 70er-Jahre-Siedlung, die ihm als Wohnort von Michael und dessen Familie vorschwebte. Und am benachbarten Dohlenweg zerstörte Michael in einem Nachtdreh gemeinsam mit seinem Kollegen Harit (Sohel Altan Gol) eine – eigens dafür gebaute – Trafostation, die Funken sprühte. In der kommenden Woche wird zudem in einem Waldstück in Königsfeld gedreht, wo ein Aktivistencamp von Tagebaugegnern aufgebaut wird.

Protagonist Michael (Markus Hering) beim Anschlag auf eine eigens dafür gebaute Trafostation am Dohlenweg.
Protagonist Michael (Markus Hering) beim Anschlag auf eine eigens dafür gebaute Trafostation am Dohlenweg. © Hartmut Breyer

Mit dem bisherigen Verlauf der Dreharbeiten zeigt sich Henning Beckhoff sehr zufrieden. „Ich habe so ein tolles Team um mich herum“, betont er. „So kann ich mich an den Drehtagen selbst ganz auf die Regie konzentrieren.“ Auch mit seinem Ensemble um die erfahrenen Schauspieler Markus Hering und Ruth Reinecke, die Michaels Ehefrau spielt, sei er sehr glücklich.

Lob vom Hauptdarsteller für den Regisseur

Hauptdarsteller Markus Hering, der zum Ensemble des Wiener Burgtheaters gehört, aber auch schon oft vor der Kamera agierte, äußert sich wiederum sehr lobend über seinen noch sehr jungen Regisseur, dem erstmals ein größeres Budget zur Verfügung steht. „Henning ist erstaunlich gelassen für so einen großen Film. Er ist ein toller Beobachter und ein Grübler, der immer darüber nachdenkt, was aus einer Situation herauszuholen ist. Es macht wahnsinnigen Spaß mit ihm“, erklärt Hering. Besonders gefalle ihm als Schauspieler, der vom Theater her kommt, die Art Beckhoffs, lange Szenen am Stück zu drehen. An seiner Rolle als Michael, der um sein Lebenswerk kämpft und gegen alle Vernunft, aber mit einem gewissen Stolz den Braunkohleabbau verteidigen will, reize ihn dieser Generationenkonflikt. „Das trifft meine privaten Lebensumstände“, meint der 62-Jährige. „Ich bin ja auch ein ,Fossil’, bin hier im Team mit Abstand der Älteste. Was Michael passiert, begegnet mir ähnlich.“ An seinem Drehort fühlt sich der in Wien lebende Schauspieler wohl. „Ich kannte Ennepetal vorher nicht. Aber ich komme eigentlich aus dem Siegerland, von der Topographie ist das hier ja ganz ähnlich.“ Er sei auf dem Fahrrad auch schon nach Schwelm oder zu den nahe gelegenen Talsperren gefahren.

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Der Plan sieht vor, dass in Ennepetal noch bis zum 17. Juni gedreht wird. Danach wird im Haus an der Ischebecker Straße zumindest kurz wieder Ruhe einkehren und es wird keine kurzzeitigen Halte- und Durchfahrverbote an einzelnen Straßen wie dem Elstern- und Dohlenweg mehr geben. Bis Ennepetal dann als Kulisse auf der Leinwand und im Fernsehen zur Geltung kommt, werden voraussichtlich noch mindestens eineinhalb Jahre vergehen.