Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Reisebüros verdienen in der Corona-Krise keinen Cent. Wir haben uns in Schwelm, Ennepetal und Gevelsberg umgehört, wie es ihnen geht.

9/11, Vulkanausbrüche, die Thomas-Cook-Pleite und jetzt Corona – die Tourismusbranche hatte und hat immer wieder mit Katastrophen zu kämpfen. Die vom Auswärtigen Amt ausgesprochene weltweite Reisewarnung gilt aktuell noch bis zum 30. April. Für diesen Zeitraum sind alle Urlaubsreisen abgesagt, also auch in den Osterferien.

Die Menschen sind verunsichert. Für dieses Jahr überhaupt noch einen Urlaub zu buchen, daran denkt im Moment niemand. Was bedeutet das für die kleinen Reisebüros vor Ort? Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Und wie lange können sie ohne Aufträge durchhalten? Wir haben uns umgehört.

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Schwelmer Reisebüro: „Was wir im Moment leisten, das bezahlt uns keiner“

Mehr als 30 Stornierungen sind in Schwelm für März und April eingegangen. „Grob gerechnet wären das etwa 50.000 Euro Umsatz“, sagt Oliver Piankowski (53) vom Schwelmer Reisebüro. Doch nicht nur das: Die aktuellen Einnahmen liegen bei Null. „Theoretisch dürften wir als Dienstleister sogar öffnen, aber wer will denn hier noch was von uns?“, so Piankowksi. „Die Leute buchen nichts und das ist verständlich.“ Niemand wisse, wie es ab Mai weitergeht. Doch die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass auch dann keine Reisen stattfinden.

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Seinen Kunden aber rät er: „Storniert eure Reise noch nicht, sondern wartet, ob sie vom Veranstalter abgesagt wird.“ Denn dann werden die Kosten vollständig erstattet. Auch eine Umbuchung, sprich den Urlaub auf einen späteren Termin zu verschieben, könne eine Option sein. Oliver Piankowski, Inhaberin Regina Duwe und eine weitere Mitarbeiterin kümmern sich weiter um die Anliegen der Kunden. „Was wir im Moment leisten, das bezahlt uns keiner. Aber wir haben eine Verpflichtung und machen unseren Job mit sehr viel Herzblut.“

Das Reisebüro hat Soforthilfe in Höhe von 9000 Euro beim Land beantragt. Reserven sind kaum welche da, wie lange das noch so geht? „Zwei, drei Monate vielleicht“, schätzt Piankowski. Seiner Ansicht nach müsse sich die Touristik komplett neu aufstellen: „Die ganze Branche steht vor gewaltigen Umbrüchen. Die Situation ist ernst und die Frage ist: Wer wird es am Ende überleben?“

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Reisebüro Bülbring in Ennepetal: Keine Reserven nach Thomas-Cook-Insolvenz

Das Reisebüro Bülbring in Ennepetal trifft die Krise besonders hart. Denise Bülbring (30) hat sich erst im Juli 2019 selbstständig gemacht, im September folgte die Thomas-Cook-Pleite. „Ich dachte damals, schlimmer geht es nicht mehr.“ Zur Seite legen konnte die 30-Jährige bisher nichts. Durch Corona fehlen ihr aktuell knapp 75 Prozent an Umsatz.

Und neue Einnahmen kommen angesichts ausbleibender Buchungen auch nicht rein. Viel schlimmer sei jedoch, „dass wir unsere Provisionen für die abgesagten Reisen nicht bekommen und bereits erhaltene zurückzahlen müssen.“ Einige Veranstalter hätten allerdings signalisiert, dass sie diese Rückforderungen zunächst einmal aussetzen wollten.

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Corona: Pärchen aus Spanien zurückgeholt

Denise Bülbring arbeitet zurzeit von zuhause aus. Am meisten frustriert sie, dass sie ihren Kunden nicht „die perfekte Auskunft“ geben kann. „Wir wissen auch nicht, wie es nach der Reisewarnung weitergeht, aber wir sind für unsere Kunden weiterhin zu den gewohnten Bürozeiten per Telefon und E-Mail erreichbar und informieren sie umgehend, sobald es etwas Neues gibt.“ Ein Service, den sie vor allem den örtlichen Reisebüros zuspricht: „Ich weiß nicht, ob jemandem, der im Internet gebucht hat, so schnell geholfen wird.“

Schnelle Hilfe, die besonders dann wichtig ist, wenn Reisende plötzlich irgendwo festsitzen und zurückgeholt werden müssen. Ein Pärchen musste den Urlaub auf Lanzarote nach sechs Tagen abbrechen und die hatte es sogar in Quarantäne verbracht, weil in Spanien zu dem Zeitpunkt schon eine Ausgangssperre galt. „Der Rückflug war tatsächlich nicht so einfach, weil die Reiseleitung nicht mehr ins Hotel durfte. Wir haben die beiden dann von hier aus für die Rückholaktion der Bundesregierung registriert und standen immer in engem Kontakt. Am Ende lief dann alles unproblematisch“, erzählt Denise Bülbring.

Reisebüro Christine Braun in Gevelsberg: Kunden zeigen Verständnis

Christine Braun (56) vom gleichnamigen Reisebüro in Gevelsberg hat zwar noch Rücklagen, „aber da, wo es machbar ist, reduziere ich die Kosten“. Sie schaue ihre Versicherungen durch und schraube die privaten Ausgaben soweit wie möglich zurück. Wenn sich die Lage bis zum Herbst nicht entspanne, dann fehle das komplette Jahreseinkommen.

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Auch sie rät ihren Kunden, wegen der anfallenden Stornierungsgebühren nicht voreilig zu stornieren. Von den Reisegutscheinen, die die Bundesregierung einführen will, zeigt sie sich nicht begeistert: „Niemand weiß ja, wann man wieder reisen kann. Ein Jahresgutschein nutzt da nichts, wenn sich die eigene finanzielle Situation oder auch die des Reiseveranstalters ändert.“

Grundsätzlich seien die Kunden natürlich enttäuscht, aber – und das berichten auch die anderen Reisebüros – sie zeigen Verständnis in dieser ungewöhnlichen Zeit und sind dankbar für die verlässliche Beratung.

Beschluss der Bundesregierung: Reisegutscheine statt Rückzahlung

Auf den Vorschlag des Deutschen Reiseverbands hin hat das Bundeskabinett vergangene Woche eine Gutscheinregelung beschlossen, die jetzt der EU-Kommission vorgelegt werden soll. Damit soll verhindert werden, dass Reiseveranstalter und Reisebüros reihenweise Insolvenz anmelden müssen.

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Kunden sollen bei stornierten Reisen im Zuge der Corona-Pandemie statt einer sofortigen Rückzahlung zunächst einen Reisegutschein erhalten. Dieser ist bis Ende 2021 befristet. Erst danach könne der ursprüngliche Wert des Gutscheins erstattet werden.

Gutschein ist keine Garantie für Reise

Verbraucherschützer kritisieren die Regelung mit Blick auf mögliche Pleiten der Reiseveranstalter. Ein Gutschein biete keine Garantie dafür, dass eine Reise auch tatsächlich stattfindet. Zudem dürften Urlaubsreisen in Zukunft teurer werden, sodass Verbraucher dann für die gleiche Leistung draufzahlen müssten.