Ennepetal. Laufende Kosten, null Einnahmen: Die Corona-Krise trifft Schausteller wie Andreas Alexius hart. Etwas Hoffnung hat der Ennepetaler aber noch.
„Eigentlich wären wir jetzt beim Aufbau der Osterkirmes auf dem Otto-Ackermann-Gelände in Hagen“, sagt Andreas Alexius. „Und vor einer Woche wollten wir mit der Annener Kirmes in Witten in die Saison starten.“ Doch nun steht der Autoscooter des Ennepetaler Schaustellers in transportfertigen Einzelteilen auf dem Betriebsgelände an der Aufsicht. Wie Alexius selbst geht es derzeit seiner gesamten Branche. Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit der Absage aller öffentlichen Veranstaltungen verzeichnen alle Fahrgeschäft- und Standbetreiber null Einnahmen. Doch ein erheblicher Teil der Kosten läuft weiter. Und die weiteren Aussichten sind alles andere als rosig, auch wenn Andreas Alexius einen leichten Hoffnungsschimmer sieht.
„Uns steht die kleinste Hilfe zu“, erklärt Andreas Alexius, der Vorsitzender des Hagener Schaustellerverbandes ist. Mit einem einmaligen Zuschuss von 9.000 Euro komme man nicht weit. Bei vollem Betrieb lägen seine Betriebskosten bei 20.000 Euro im Monat, so Alexius. Und KfW-Kredite müssten zurückgezahlt werden. Doch er frage sich wovon, wenn Volksfeste – wenn überhaupt – nur eingeschränkt stattfinden würden und nicht zuletzt viele Menschen dort aufgrund eigener finanzieller Nöte weniger Geld ausgeben könnten. Mancher lege sich das Jahr über Geld zur Seite, um die Kirmes in vollen Zügen genießen zu können, erklärt der 47-Jährige. „Wenn kein Geld mehr da ist, dann geht das nicht mehr.“
Großer Teil der Kosten läuft weiter
Andreas Alexius, der mit seiner Frau Eveline deren Familienbetrieb in der dritten Generation als GmbH führt, hat überall die Kostenbremse gezogen, wo es möglich war. Er meldete Kurzarbeit an – im Saisonbetrieb seien mit ihm vier Kräfte beschäftigt, erläutert er. „Wir haben zu 100 Prozent keine Arbeit.“ Die Fahrzeuge sind abgemeldet, Versicherungen, die nicht unbedingt nötig sind, ruhen. Die Stadt habe ihm die Grundbesitzabgaben gestundet. Alle Schausteller hätten außerdem mit ihren Banken geregelt, dass laufende Kredite gestundet würden, berichtet Andreas Alexius. „Aber die Zinsen laufen weiter“, betont er.
Er selbst habe vor sechs Jahren einen neuen Kassenwagen bauen lassen, durch den er ein Fahrzeug eingespart habe. Der habe ungefähr den Wert eines Einfamilienhauses und wäre eigentlich in diesem Jahr abbezahlt gewesen, so der Schausteller. Und vor zwei Jahren investierte er, neben der regelmäßigen Anschaffung neuer Fahrzeuge, in eine LED-Beleuchtung für den Autoscooter – mit dem Ziel, marktfähig zu bleiben und langfristig die Betriebskosten zu senken. Doch momentan gibt es nur die Kosten, aber keinen Betrieb.
Ganz nebenbei, meint Alexius sarkastisch, müsse man ja auch noch seinen Lebensunterhalt bestreiten. Schausteller hätten zuletzt keinen Gedanken an das Zurücklegen eines Notgroschen verschwenden können wie noch vor zehn oder 15 Jahren. Eigentlich wolle man auch nicht nur den Lebensunterhalt erwirtschaften, sondern Gewinn erzielen, um auch mal in Urlaub fahren oder sich andere Annehmlichkeiten leisten zu können.
„Die Situation ist für uns Schausteller existenziell bedrohlich“, sagt er. Vereinzelte Betriebe würden momentan sogar versuchen, auf ihrem Gelände, wenn es einigermaßen zentral gelegen ist, gebrannte Mandeln oder ihr Imbissangebot in einer Drive-in-Situation zu verkaufen. Im Prinzip seien Schausteller eine große Familie, die sich in Notlagen gegenseitig aushelfen würden. Doch derzeit befinden sich alle in einer Notlage.
Ärger über Lindner-Aussage
Geärgert habe er sich übrigens über FDP-Chef Christian Lindner, erzählt Andreas Alexius. Der hatte kürzlich gesagt, dass zunächst Geschäfte wieder öffnen und das produzierende Gewerbe wieder seine Arbeit aufnehmen sollte. Da gehe es um Arbeitsplätze. „Später geht es dann wieder um unsere Leidenschaft und das Vergnügen“, so der FDP-Chef. Er habe Lindner in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass auch bei Schaustellern und in Freizeitparks 100.000 Arbeitsplätze in tausenden Familienbetrieben auf dem Spiel stünden. Und wenn man alle Gewerke hinzunehme, die dafür tätig sind, seien es noch viel mehr. Alexius sorgt sich, dass die Schausteller nicht nur als erste voll von der Krise getroffen worden seien, sondern auch als letzte wieder den Betrieb aufnehmen könnten. Das bedrohe die Volksfestkultur im ganzen Land.
Schausteller bieten ihre Hilfe an
„Deutschlandweit sind wir Schausteller sehr sozial eingestellt“, betont Andreas Alexius. Das wolle man trotz der schweren Zeiten beibehalten.
Der Hagener Schaustellerverein werde trotz abgesagter Osterkirmes Hagener Kinderheime besuchen und Osterpräsente verteilen. Sonst gab es u. a. Freikarten.
Der Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute und der Deutsche Schaustellerbund haben gemeinsam die Aktion „Hand in Hand“ ins Leben gerufen.
Weil alle Betriebe still stünden, man aber nicht still sitzen könne, wolle man helfen. Die Betriebe verfügten über Lkw und Lieferwagen, mit denen lebenswichtige Güter transportieren werden könnten. Mit Kränen und Werkzeugen könnten Feuerwehr und Polizei unterstützt werden. Sollte es zu Engpässen kommen, stünden die Schausteller gerne in der krisenbedingten Zwangspause bereit.
Ganz schwarz malen will Andreas Alexius aber nicht. „Wir sehen einen leichten Hoffnungsschimmer“, meint er. „Wir haben Konzepte, um eventuell das eine oder andere kleinere Volksfest Ende Juni wieder stattfinden zu lassen.“ Dazu gehört das Entzerren des jeweiligen Festgeländes. „Wir würden die einzelnen Betrieb etwas weiter auseinander stellen“, erklärt der Schaustellersprecher. „Und für den Fall einer Überfüllung würden wir Ausweichflächen schaffen.“ Insgesamt sollte mehr Fläche bei gleichem Besatz genutzt werden. Und nicht zuletzt wolle man Handwaschstationen aufstellen. Für ein kleineres Gelände wie bei der Voerder Kirmes würden seiner Meinung nach zehn Stationen, zusätzlich zu den Waschbecken in den Toilettenwagen, reichen. Solche Handwaschstationen hat Andreas Alexius bereits angeschafft. Er betont, dass sich die Schausteller auch erst in die Situation einfinden müssten. Da sei es nicht leicht, mit all den Einschränkungen umzugehen, so Alexius. „Denn eigentlich wollen wir den Menschen Freude bereiten.“