Ennepetal. . Vor dem Landgericht Hagen haben die beiden Missbrauchsopfer (15 und 13) den Angeklagten aus Ennepetal schwer belastet. Hinter verschlossenen Türen sagten die Jungen aus, sie seien von dem 66-Jährigen zum Teil jahrelang missbraucht worden. Das Vertrauen erwarb sich der Mann als angeblicher Freund der Familie.

Der Angeklagte verbarg sein Gesicht im Gerichtssaal mit der Kapuze seines grünen Parkas. Demonstrativ wandte er sich von der Tür ab, durch die die beiden Hauptbelastungszeugen kamen. Der Mann soll sich zunächst das Vertrauen der Mutter und der beiden Jungen erschlichen haben. Als liebevoller Großvaterersatz nahm er zunächst den 15-Jährigen und dann seinen Cousin ab und zu bei sich auf. Zu Weihnachten verteilte er als Nikolaus verkleidet Geschenke.

Vorbestraft wegen Kindesmissbrauchs

Dass er zwischen 2003 und 2009 wegen Kindesmissbrauchs im Gefängnis gesessen hat, wusste niemand. Zwischen 2010 und 2014 soll der verurteilte Sexualstraftäter auch den 15-jährigen Jungen (zur Tatzeit elf Jahre alt) sexuell missbraucht haben. Zu Beginn dieses Jahres soll er sich am 13-jährigen Cousin vergangen haben. Da der Mann beharrlich zu den Vorwürfen schweigt, mussten die beiden Jungen aussagen.

Aber die 1. Große Jugendkammer in Hagen tat alles, um den beiden die schwere Situation leichter zu machen. Zunächst musste die Öffentlichkeit den Saal verlassen. Darum hatten die beiden Jungen ausdrücklich gebeten. Aber das Gesetz sieht dies ohnehin vor. Die Stühle waren so aufgestellt, dass sie dem Angeklagten nicht in die Augen sehen mussten, während sie erzählen mussten, was er ihnen angetan haben soll. Und sie waren nicht allein.

Ihnen standen eine Mitarbeiterin der Familienfürsorge und die Schwester des 15-Jährigen zur Seite. Die 18-jährige Fachabiturientin ist für die Jungen eine wichtige Bezugsperson. Ihr hatten sich die Jungen im Mai zögerlich anvertraut. Jetzt saß sie an der Seite ihres Bruders und Cousins, legte den beiden während der Vernehmung ermutigend die Hand auf die Schulter.

Keine Lügengeschichten der missbrauchten Jungen 

Wie schwer den beiden die Aussage fiel, beschrieb Opferanwalt Dietmar Welt im Gespräch mit unserer Redaktion am Ende des Prozesstages. „Die beiden Jungen waren schüchtern und sehr zurückhaltend. Aber sie erzählten sehr stringent. Der Ältere hat sämtliche Vorwürfe gegen den Angeklagten bestätigt.“ Welt ist davon überzeugt, dass die beiden die Wahrheit gesagt haben. „Was die Jungen sagten, war absolut nachvollziehbar. Das waren keine Lügengeschichten.“

Ein Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Opfer steht aber noch an. „Die Aussage der Jungen muss ja noch untermauert werden“, so Opferanwalt Dietmar Welt über das weitere Vorgehen. Zu dem Zweck hat eine Psychologin bereits mit den Jungen gesprochen. Ihr Gutachten darüber, wie glaubhaft die Aussagen der beiden sind, wird in den nächsten Verhandlungstagen erwartet.

Missbrauchsprozess eine Belastung für die Familie

Für die gesamte Familie ist der Prozess eine harte Belastungsprobe. „Die Familie leidet. Sie kommen kaum damit klar und möchten wegziehen.“ Für Dietmar Welt eine völlig nachvollziehbare Reaktion. „Wenn man solche Erlebnisse gehabt hat, wird es vermutlich Jahre dauern, bis das alles aufgearbeitet worden ist“, sagt Welt.