Balve. Balves scheinbar ewiger Kämmerer geht bald in Ruhestand. Gespräch über Projekte, den Deal mit dem Ruhrverband und Mendens größten Flop.
Meist wirkt er tiefenentspannt, selbst wenn der Arbeitstag anders läuft als eigentlich geplant. Hans-Jürgen Karthaus weiß das, und er mag das. Was Stress bedeutet, muss ihm wohl noch erklärt werden. Kein Wunder, dass sie Balves nahbaren Stadt-Kämmerer weithin nur „Hansi“ nennen. Zum 1. Juni scheidet er aus dem Berufsleben aus. Beim Besuch der WP-Redaktion zieht Hansi Karthaus beim Kaffee Bilanz.
Er ist der Herr der Zahlen, auch im Gespräch. 47 Jahre und elf Monate hat der 65-Jährige im Dienst der Stadt Balve gearbeitet. Spürt der scheinbar ewige kommunale Kassenwart Trennungsschmerz? „Man muss ganz ehrlich sagen“, entgegnet er, „Wehmut ist schon dabei. Ich habe meinen Beruf gern ausgeübt. Es war immer interessant: Du wusstest nie, was kommt heute alles auf Dich zu?“
Politik, Kreis, Bezirksregierung und mehr
Wenig überraschend hat Hansi Karthaus die Arbeit eben nicht einfach auf sich zukommen lassen. Seinen Büroalltag hat er strukturiert. Doch allzu oft stellte der Kämmerer fest, dass der Tag abends anders endete, als er morgens angefangen hatte: mal wegen unerwarteter Ereignisse im eigenen Haus, mal wegen Anrufen von außen, Politik, Kreis, Bezirksregierung.
Der Kämmerer ist zudem noch. So spricht er sich mit dem Partnerunternehmen Stadtwerke Menden ab. Dazu kam in jüngerer Zeit der Deal mit dem Ruhrverband. Zum 1. Januar 2023 übernahm der öffentlich-rechtliche Zweckverband die städtische Kanalisation. Die Stadt erhielt dafür 22,8 Millionen Euro: Ein großer Anteil an diesem kommunalpolitischen Erfolg geht aufs Konto von Hans-Jürgen Karthaus.
In der Nachbarstadt Menden scheiterten die Verhandlungen im Rat an einer einzigen Stimme. Balves scheidender Kämmerer kommentiert den Flop nicht, nach wie vor. Er blinzelt nur listig.
Vom Millionen-Deal bis zum Rohrbruch
Stadtkämmerei und Stadtwerke, Aufgaben vom Jonglieren mit Millionen bis zum Rohrbruch: Hans-Jürgen Karthaus muss die Kraft der zwei Herzen haben.
Seine Nachfolge ist längst geregelt – seine Aufgaben sind aufgeteilt. Ralf Runte wacht vom 1. Juli an über den städtischen Etat. Michael Geck leitet künftig Michael Geck die Stadtwerke-Töchter Netzgesellschaft mbH und Vertriebsgesellschaft mbH.
Berufsstart mit Michael Bathe
Dass Hans-Jürgen Karthaus so viele Aufgaben würde stemmen müssen: Das war zu Beginn seiner Ausbildung im Jahr 1976 nicht abzusehen. Er startete gemeinsam mit Michael Bathe. Der Allgemeine Vertreter des Bürgermeisters scheidet ebenfalls in Kürze aus – aber erst zum Ende dieses Jahres. Die beiden sind Kollegen und Freunde. Klar war für Hansi Karthaus zu Beginn seiner Laufbahn nur: Zahlen sind seine Welt, auch Wirtschaft hat ihn immer interessiert. Noch etwas trieb Hansi Karthaus an: Er liebt Projekte.
Zunächst stellte er die Buchhaltung der städtischen Wasser- und Abwasserwirtschaft auf kaufmännische Bilanzierung um. Zuvor war ein kameralistisches System üblich. Einnahmen und Ausgaben wurden verbucht, nicht jedoch Erträge und Aufwendungen. Was bei den Stadtwerken gelang, übertrug der Kämmerer auch auf die kommunale Bilanzierung. Bei der Einführung der doppelten Buchführung war Balve schneller als von der NRW- Landesregierung vor 20 Jahren gefordert.
Doppelt hält besser
Die doppelte Buchführung erwies sich als segensreich, überkommunale Krisen zu meistern, die auf die Stadtkasse durchschlugen – etwa als vor zehn Jahren die Gewerbesteuer wegbrach. Hans-Jürgen Karthaus reagierte. Er überzeugte die Politik, die Hebesätze für Gewerbesteuer und Grundsteuer B stark zu erhöhen. Dennoch darf sich der Kämmerer anrechnen, dass Balve selbst in schwieriger Zeit niemals in die Haushaltssicherung abrutschte.
Stadt-Töchter bringen Balve gutes Geld
Hans-Jürgen Karthaus trieb zugleich die Auslagerung städtischer Leistungen in eigene Gesellschaften voran: angefangen von Wasser und Abwasser bis hin zu Netz und Energievertrieb. Sie bescherten Balve gutes Geld.
Nur ein Projekt war dem Kämmerer nicht vergönnt: „Ich hätte gerne noch eine Energiegesellschaft gegründet, für Windkrafträder. Ich bin mir mit dem Bürgermeister (Hubertus Mühling, Red.) einig, dass das für Balve und seine Bürger ein gutes Geschäftsfeld sein wird.“ Hans-Jürgen Karthaus ahnt, dass sich städtische Investitionen schnell rechnen würden. Mit der Aussicht auf Gewinne für die Gemeinschaft ließe sich die Bürgerschaft von dem Vorhaben überzeugen, glaubt er: „Aber da muss die Politik entscheiden.“
Bei der Umsetzung seiner Projekte hat Hansi Karthaus im Team gearbeitet sowie Verbündete gesucht und gefunden: im Rathaus und im Rat. Entscheidungen wurden sorgfältig vorbereitet. Welche Projekte stehen im Ruhestand an?
Hansi Karthaus blinzelt listig. Fest steht aber bereits: Er will sich bei den Maltesern engagieren – für Essen auf Rädern. Und gemeinsam mit Michael Bathe arbeitet der künftige Unruheständler in Balves Bürgerstiftung. Hansi Karthaus‘ Ziel bleibt unverändert: „Ich will Balve nach vorne bringen.“