Balve. Das Lohgerberhaus in Balves bester Lage ist ein Hingucker. Appartements machen‘s zur Goldgrube. Dennoch soll‘s verkauft werden. Warum?
Das Lohgerberhaus in Balve hat in 234 Jahren viel erlebt. Nach dem verheerenden Stadtbrand von 1789 wurde es, wie so viele Gebäude, in der Innenstadt in rekordverdächtiger Zeit hochgezogen, wie Eigentümer und Heimatforscher Adalbert Allhoff-Cramer mit fachkundigem Respekt feststellt. Das Fachwerkhaus zwischen Rathaus und Volksbank wurde nicht nur von Bränden verschont, sondern, genauso wichtig, auch von Hochwasser. Während Nachbargebäude beim Jahrhundert-Hochwasser am 14. Juli 2021 buchstäblich absoffen, kam das Lohgerberhaus, clever gebaut, glimpflich davon. In den 70er Jahren waren allerdings nicht Feuer und Wasser eine Gefahr für das Haus, sondern die Abrissbirne. Es gab damals Pläne, Teile der Altstadt zu schleifen. Ziel war eine schnelle Verbindung zum Wohngebiet am Darloh. Daraus wurde nichts. Das Lohgerberhaus blieb. Inzwischen steht es zum Verkauf. Dabei gilt das Gebäude beinahe als Goldgrube.
In Tourismus-Portalen im Netz findet es sich als „Mammut-Apartements“. Adalbert Allhoff-Cramer vermietet sie an Monteure aus dem In- und Ausland. Sie halten sich wochenlang in Balve auf. Dem Appartement-Vermieter beschert‘s verlässliche Einnahmen. Er weiß, dass er die Mini-Wohnungen auch die Besucherschar der immer zahlreicher werdenden Festivals und Events in der Balver Höhle und rund um Schloss Wocklum vermieten könnte. Darauf verzichtet Adalbert Allhoff-Cramer jedoch: zu viel Aufwand. Inzwischen sieht er das gesamte Vermietungsgeschäft als zu aufwendig an. Mit 70 will der Balver kürzertreten.
Der Balver Makler Tobias Pröpper hat ein Exposé mitgebracht. Das Lohgeberhaus mit dem markanten Mammut vorm Eingang wird als „historisches Wohn- und Geschäftshaus im Zentrum von Balve“ angeboten. Es steht seit 1984 unter Denkmalschutz. Er umfasst alle Gebäudeteile. Eine energetische Sanierung des gepflegten Gebäudes ist nicht erforderlich. Es wird mit Gas beheizt.
Adalbert Allhoff-Cramer hat das Gebäude vor rund 30 Jahren modernisiert. Das gilt für Fenster, Dach und Leitungen. Die Gaszentralheizung ist keine zehn Jahre alt. Obendrein verfügt das Haus über eine Photovoltaik-Anlage.
Das Lohgerberhaus wird für 489.000 Euro angeboten. Wer es kaufen will, sollte bei der Finanzierung Extrakosten etwa für Maklerprovision und Notargebühren einkalkulieren. Zugleich dürfen Interessenten bei der Refinanzierung ihrer Investition einkalkulieren, dass neben der Wohnfläche von rund 292 Quadratmetern mehr als 384 Quadratmeter vermietbare Fläche vermietet werden kann. Adalbert Allhoff-Cramer gibt die Mieteinnahmen mit 6500 Euro pro Monat an.
Kita, Schule, Westfalenstadion
Wer im Lohgeberhaus mit Kindern wohnen will, dürfte sich für die Entfernung zu Kindergarten, Grundschule und Realschule interessieren: Sie liegen zwischen 400 und 1100 Metern. Das Gebäude liegt in der Nähe der B 229 und, wichtig beispielsweise für Fußballfans auf dem Weg zum Dortmunder Westfalenstadion, in der Nähe des Balver Bahnhofs.
Einzelhandel und Supermärkte
Hausbewohner wie Appartement-Nutzer steht die Infrastruktur der Innenstadt zur Verfügung: die Hauptstraße als Einzelhandelsmeile, Sparkasse und Volksbank inklusive. Supermärkte und Discounter liegen auf halbem Weg zwischen Innenstadt sowie Balver Höhle und Schloss Wocklum.
Heimische Vereine wie der NHV
Bisher wird das Lohgerberhaus nicht nur von Eigentümer und Auswärtigen genutzt, sondern auch von heimischen Vereinen. Familienforscher treffen sich im Erdgeschoss, dazu der Naturhistorische Verein Hönnetal. Die Mitglieder schätzen, dass das Lohgeberhaus auch im Innern Geschichte atmet. Beim Gespräch mit der WP sitzt Adalbert Allhoff-Cramer auf einem historischen Sofa, neben sich eine Mahagoni-Vitrine aus vergangener Kolonialzeit. Die massiven Holzbalken stammen aus heimischen Wäldern, ebenso das Holz des Treppenhauses, Adalbert Allhoff-Cramer hat die ursprüngliche schwarze Farbe abgebeizt und natürliche Brauntöne wieder freigelegt, obendrein schmucke Ornamente.
Familie Allhoff-Cramer hat über viele Generationen darin gelebt. Landwirtschaft hat das Leben geprägt, mitten in der Stadt. Vor dem Lohgerberhaus zeugt davon eine kleine Fläche. Dort war einst ein Misthaufen. „Der dörfliche Charakter hat sich völlig verändert. Der Geruch fehlt. Und jedes Kraut wird gleich als störendes Unkraut erlebt“, gesteht Adalbert Allhoff-Cramer in einem Anflug nostalgischer Erinnerung. „Die Menschen haben früher mit der Natur gelebt.“
Dabei brechen in Kürze moderne Zeiten auf der Alten Gerichtsstraße an. Das gar nicht so alte Pflaster wird erneuert. Die Innenstadt wird mit öffentlichen Fördermitteln aufgehübscht. Die Stadt strebt ein optisches Optimum an. Und Adalbert Allhoff-Cramer?
Auch wenn er sich von Familienbesitz, der Balve-Rückkehrer bleibt seiner Heimatstadt treu. Er hat sich in der ehemaligen Blasius-Apotheke einquartiert. Das ebenfalls historische Gebäude wird gerade renoviert. Im Stadt-Gedächtnis ist wegen Elisabeth Düser geblieben. Sie war die letzte Apothekerin in dem Gebäude. Wegen ihrer mildtätigen Art gilt sie als „Engel von Balve“.