Balve. Autorin aus Langenholthausen schlüpft in mehrere Rollen: Wer ist sie - und wenn ja, wie viele?

„Ich glaube, das geht.“ Ist das möglicherweise einer dieser Sätze, der im Sauerland schon die höchstmögliche Form von Anerkennung ausdrückt, in etwa so wie „Kann man nicht meckern?“ Oder „Kann man bei sich behalten“ für ein ganz vorzügliches Festmahl. „Ich glaube, das geht“ war auch der Schlusssatz nach zwei sehr vergnüglichen Stunden mit Kathrin Heinrichs am Freitagabend im Balver Pfarrheim.

Ausverkaufte Lesung in Balve

Mit welchen wertschätzenden Worten jeder der 100 Besucher diesen Abend zusammenfasst, hat die WP nicht im Detail erfragt, aber viel Applaus und viel herzhaftes Lachen waren auch ganz gute Indikatoren. Und wer gekommen war, der wusste ja, worauf man sich einlässt. Schließlich hat Kathrin Heinrichs ein Heimspiel in Balve, weiß nicht nur Bernward Midderhoff von der ausrichtenden Kolpingsfamilie in der Pause zu berichten. Geboren in Langenholthausen, mittlerweile seit vielen Jahren in Menden zuhause, ist die Autorin in aller Regel einmal im Jahr für eine Lesung zu Gast in Balve. Und so verlässlich wie dieser Termin ist, ist dann auch der Besucherandrang. Ausverkauft meldeten die Verantwortlichen schon weit im Voraus. Und mehr als die knapp über 100 Stühle für alle Beteiligten biete das Pfarrzentrum in seinen ganzen Räumlichkeiten auch nicht, wie Midderhoff lachend in der Pause erzählt.

Mit gut 100 Zuhöhrern war das Pfarrheim ausverkauft.
Mit gut 100 Zuhöhrern war das Pfarrheim ausverkauft. © WP | Alexander Lück

Kathrin Heinrichs weiß natürlich auch, den Lokalkolorit passend unterzubringen. Sie erzählte von ihrer Kindheit in den 70ern im Allgemeinen und in den 70ern von Langenholthausen im Besonderen, wo man das Essen würzte „mit Maggi statt mit Geschmack“, von Wachsdecken und von Kindern, die noch ohne Fahrradhelm auf dem Drahtesel fuhren und Gummistiefel als Skischuh nutzten, weil es ja nichts anderes gab. Da konnte ganz herzlich gelacht werden, womöglich auch weil sich mancher an die eigene Kindheit zurückerinnerte. Das war der zweite Teil. Der Beginn war so ganz anders in der Stimmung.

Kathrin Heinrichs las ihre, übrigens auch Glauserpreis-gekrönte Geschichte „Freier Fall“. Ein Vater verliert tragisch seine Tochter, die auf der Autobahn in Iserlohn von einem von der Brücke geworfenen Gullideckel erschlagen wird. Er verzweifelt an diesem Verlust, gibt sich selber die Schuld, sucht die Täter, weil alle anderen die Ermittlung aufgegeben haben. „Es war kein Schicksal, es war Mord“, ist sich der Vater sicher. Da hätte man im Pfarrheim in vielen Momenten jede Stecknadel fallen hören können, als Kathrin Heinrichs in verschiedene Rollen schlüpfte, mit zitternder, bebender, auch mal flüsternder Stimme vortrug. Und am Ende wohl selber ein wenig aus der Puste war nach der atemlosen Schilderung. So dass die Pause auch für sie gerade richtig kam vor dem absoluten Stimmungsumschwung. „Danke, dass Sie sich auch auf diese dunkle Geschichte einlassen“, gab sie den Zuhörern mit in die Unterbrechung, die vom Plausch mit alten Bekannten oder neuen Fans geprägt war.

Bernward Midderhoff (rechts) von der Balver Kolpingsfamilie dankt Kathrin Heinrichs nach der Veranstaltung.
Bernward Midderhoff (rechts) von der Balver Kolpingsfamilie dankt Kathrin Heinrichs nach der Veranstaltung. © WP | Alexander Lück

Dann aber kam die Zeit des herzhaften Lachens: ein Toter im Keller, eingewickelt in den Einnetzer für Weihnachtsbäume, sorgte unter anderem für diesen Spaß. Die Polizei durfte natürlich keinesfalls hinzugezogen werden, auch wenn das alles ein tragischer Unfall war. Und wie der Verblichene dann irgendwie doch noch bestattet werden kann, soll hier noch nicht verraten werden für all die, die diese grotesk-witzige Geschichte noch lesen möchten. Und auch der Campingtrip des langjährigen, etwas leideschaftslose gewordenen Ehepaares an den Sorpesee ging nicht ganz so aus wie geplant, aber doch auch tödlich. Denn das war zumindest geplant. Von Kathrin Heinrichs in ihrer unnachahmlichen Art locker erzählt und mit herrlichen Beschreibungen ihrer Protagonisten, bis hin zum übereifrigen Paartherapeuten oder dem brummigen Platzwart in den Nebenrollen. Und das äußerlich rübergebracht ohne viel Tam-tam, oft locker mit einer Hand in der Hosentasche, und mit nicht viel, aber wirkungsvoller Gestik und Mimik.

Ein explodierender Frosch

Aber zurück zum ersten Satz diesen Textes: „Ich glaube, das geht“, sagte die Tochter zur Mutter, welche ganz verzweifelt ein Kleid für den Abschlussball ihres Nachwuchses gesucht hatte. Die Wahl fiel auf ein grasgrünes Cocktailkleid, wegen des etwas engen Sitzes deshalb auch die Gefahr eines „explodierenden Frosches“ heraufbeschwörend. „Ich glaube, das geht“ sei ja vielleicht doch das schönste Kompliment, welches ein Teenager seiner Mutter über ein Kleid machen könne. Bernward Midderhoff drückte dann seinen Dank für den „kurzweiligen Abend“ doch etwas wortreicher aus. Und alle im Saal wussten, dass Kathrin Heinrichs vermutlich nicht zum letzten Mal hier gewesen ist. „Ich freue mich auf die nächste Einladung“, sagte sie. Auch das als Ausdruck höchster Wertschätzung gemeint.