Balve. Balves Verwaltungschef beklagt „Chaos“ und Bürokratie. Hubertus Mühling sieht Belastungen für Langfrist-Projekte.
Bürgermeister Hubertus Mühling denkt langfristig. Auch Verlässlichkeit ist ihm bei Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen wichtig. Genau das vermisst der Balver Verwaltungschef in diesen Tag in der großen Politik so sehr wie schon lange nicht mehr. Kein Wunder, dass sich in seine politische Jahresbilanz mehr sorgenvolle Töne als gewohnt mischen.
Der CDU-Politiker bemerkt in der Bevölkerung eine wachsende Unzufriedenheit: „Ganz deutlich, auch bei mir selbst“. „Wir sind ja bemüht um Kontinuität, Verlässlichkeit, Vertrauen. Das fehlt mir im Moment gänzlich in Berlin. Und damit meine ich keine Parteipolitik.“ Als Beispiele nannte Mühling das Energiegebäudegesetz und die Kommunale Wärmeplanung, „auch das Mal-eben-Aus für E-Auto-Förderung“. Sprunghafte Entscheidungen „verunsichern die Bevölkerung, auch uns hier in den Verwaltungen“. Es sei „keine Verlässlichkeit mehr da“. Die Situation sei „Chaos schon sehr nahe“.
Kurzfristige Änderungen von Gesetzen, Verordnungen und Förderprogrammen bescheren der Stadtverwaltung vermeidbare Mehrarbeit, wie Mühling feststellte. Die Kommunale Wärmeplanung sah er als Musterbeispiel dafür. Der Verwaltungschef will die Arbeit aber nicht an ein freies Ingenieurbüro vergeben. Vielmehr denkt er an Zusammenarbeit mit den heimischen Stadtwerken. Aber selbst diese Kooperation verursache Zusatzarbeit für das städtische Personal.
Die Kommunale Wärmeplanung nahm Mühling zudem als Beispiel für eine Politik, die in Berlin beschlossen werde und in Balve, auf kommunaler Ebene, bezahlt werden müsse. Er sah Ähnlichkeit zur flächendeckenden Einführung der Offenen Ganztagsschule. Die Stadt sei für Bau und Unterhalt zusätzlicher Gebäude sowie Finanzierung zusätzlichen Personals zuständig: „Wir bekommen nur einen Bruchteil des erforderlichen Geldes. Da lässt man uns ziemlich im Regen stehen.“
Das Prinzip, dass Kosten „von oben nach unten durchgereicht“ werden, sei einer von mehreren Gründen, warum die Stadt Balve die Grundsteuer erhöhe.
Doch das ist längst nicht alles, was aus Berlin, zuweilen auch aus Düsseldorf an Ungemach auf die kommunale Ebene durchschlägt. Ein Dauerärgernis ist wachsende Bürokratisierung von Entscheidungsprozessen. Mühling: „Das Deutschland-Tempo, das der Kanzler vorgegeben hat, hat man zwei Projekten durchgezogen: bei den LNG-Terminals. Das war von existenzieller Bedeutung. Und da frage ich mich: Warum geht das nicht bei der Rahmede-Talbrücke? Warum geht das nicht bei Bahnstrecken? Warum geht das nicht bei einem kleinen Hochbehälter im Balver Wald?“ Beim Hochbehälter müsse nicht nur der Eingriff in den Wald ausgeglichen werden – vielmehr sei die Stadt Balve auch in der Pflicht, zusätzlichen Wald zu pflanzen. Statt Deutschland-Tempo beobachtet Mühling eine zunehmende Verlangsamung von Genehmigungsverfahren.
Dennoch will sich Mühling nicht entmutigen lassen – beispielsweise beim Lückenschluss des Hönne-Radweges zwischen Volkringhausen auf Balver und Oberrödinghausen auf Mendener Seite. Er weiß, dass die Hönne-Engstelle am Klusenstein höchsten Naturschutz genießt: „Das muss sehr, sehr genau abgewogen werden.“ Dennoch arbeitet Balves Bürgermeister mit ungebrochener Energie am Lückenschluss. Dabei geht es ihm erklärtermaßen gar nicht so sehr um Tourismus-Förderung – für ihn hat Alltagstauglichkeit der Piste in der E-Bike-Ära Vorrang: „Damit entlasten wir dieses Gebiet vom Pkw-Verkehr.“ Das sei bedeutsam, weil Balve mehr Aus- als Einpendler verzeichne. Die Planung für den Hönne-Radweg werde gerade europaweit ausgeschrieben.
Als weiteres Langfrist-Projekt hob Mühling die bauliche Weiterentwicklung der Balver Innenstadt hervor. Das bisherige Förderprogramm laufe nach acht Jahren aus. Die Stadtverwaltung arbeite daran, „möglichst nahtlos“ Mittel aus einem ebenfalls auf acht Jahre angelegten Anschlussprogramm namens ISEK nutzen zu können. Die Politik soll das ISEK möglichst schon vor der Sommerpause 2024 verabschieden. Förderschwerpunkte könnten in diesem Fall bereits im Herbst 2024 beantragt werden. Dabei gehe es nicht nur um das geplante Quartier an der Hönne mit Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, sondern auch um ein Verkehrs- und Parkplatz-Konzept.
Parallel zur Aufwertung von Innenstadt und Ortsteilen läuft die Modernisierung der Feuerwehr an verkehrsgünstigen Standorten. Während die neue Wache in Sanssouci vor der Fertigstellung steht, ist der erste Spatenstich für das Wehr-Gebäude in Garbeck für 2024 vorgesehen. Zudem wird in Eisborn umgebaut.
Mühling betonte, dass die Planungen für städtische Gebäude bereits vor zehn Jahren auf mehr Energie-Effizienz abzielten, so für die Wärmeversorgung der Realschule per Holzhackschnitzel: „Wir haben nicht einen Klimaschutz-Manager – wir haben ganz viele.“ Obendrein seien Wärmedämmung und Bedeutung kommunaler Immobilien verbessert worden.
Verbesserungen des Hochwasserschutzes sind, nach der Flut-Katastrophe vom 14. Juli 2021, ebenfalls angestoßen; beendet sind sie noch nicht. Planung und Abstimmung brauchen Zeit, wie Mühling betonte; „auch die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern“. Trotz grundsätzlichen Verständnisses von Immobilienbesitzern werde scharf gerechnet. Mühling: „Ich will keine Almosen, aber irgendwo muss die Kirche auch im Dorf bleiben.“
Vier Abschnitte entlang der Hönne sollen künftig bei Hochwasser als Ausweichfläche genutzt werden können. Dazu kommen, neu, die Zuläufe Borke und Garbach. Der städtische Bau-Ingenieur Hartmut Scharf arbeitet an Gewässerentwicklungskonzepten. Im nächsten Jahr werden zwei Bereiche zur Genehmigung freigegeben, zudem werden Fördermittel beantragt: zwischen Volkringhausen und Sanssouci sowie zwischen Balver Höhle und Kläranlage. An der Kormke in Balve sind bereits Ergebnisse zu sehen: „Wir werden das im nächsten Jahr, wenn die nächsten Maßnahmen der Öffentlichkeit vorgestellt werden, auch noch mal bewerben.“