Balve/Essen. Mal Dürre, mal Starkregen: Was macht das mit Balves Kanalisation? Der Ruhrverband hat dringende Wünsche. Gefragt ist vor allem die Bürgerschaft.

Der Klimawandel stellt womöglich auch den Ruhrverband vor neue Herausforderung. Verbandssprecherin Britta Balt gibt Antworten auf wichtige Fragen.

Welche Folgen hat Starkregen für die Kanalisierung im Balver Stadtgebiet?

Sintflut im Hönnetal: Garbeck säuft ab. Das war am 14. Juli 2021. Seither hat es immer wieder Starkregen im Stadtgebiet gegeben - wenn auch nicht derart verheerenden Folgen.
Sintflut im Hönnetal: Garbeck säuft ab. Das war am 14. Juli 2021. Seither hat es immer wieder Starkregen im Stadtgebiet gegeben - wenn auch nicht derart verheerenden Folgen. © WP | jürgen overkott

Britta Balt: In Balve gibt es rund 107 Kilometer Kanalnetz, überwiegend im Mischsystem, das heißt Schmutzwasser und Niederschlagswasser werden gemeinsam einem Kanal zugeführt, danach in den Kläranlagen Balve und Binolen gereinigt und schließlich in die Hönne eingeleitet. Kläranlagen werden auf eine maximal aufzunehmende Wassermenge ausgelegt, genehmigt und entsprechend betrieben. Als Folge des Klimawandels nehmen auch in Balve Starkregenereignisse, bei denen mehr Niederschlag fällt, als die Kläranlagen aufnehmen können, immer mehr zu. Deshalb sind in das Kanalnetz Niederschlagswasserbehandlungsanlagen zur Zwischenspeicherung beziehungsweise Behandlung der überschüssigen Wassermengen integriert. Extreme Niederschlagsereignisse wie etwa das Hochwasser vom Juli 2021 können jedoch auch diese Kapazitäten übersteigen und dann nicht mehr vollständig von der Kanalisation aufgenommen und abgeführt werden. Ein Kanalnetz auf solche Extremereignisse auszulegen, wäre allerdings mit unverhältnismäßig großen Eingriffen in die Natur und Infrastrukturen und entsprechend hohen Kosten verbunden.

+++ DER RUHRVERBAND, DIE SAUERLAND-TALSPERREN UND DIE TROCKENHEIT +++

Balves Bürgermeister Hubertus Mühling nach der Hochwasser-Katastrophe (im Hintergrund die amtliche Karte mit dem HQ-100-Pegel)
Balves Bürgermeister Hubertus Mühling nach der Hochwasser-Katastrophe (im Hintergrund die amtliche Karte mit dem HQ-100-Pegel) © WP | jürgen overkott

Zielführender sind alternative Maßnahmen wie etwa die Entsiegelung von Flächen, auf denen das Regenwasser dann vor Ort versickern kann, sowie die Entkopplung von Dachflächen oder Drainagesystemen von der Kanalisation. Und als Basisschutz sollte jeder, der ein Haus besitzt, die Ausstattung der Immobilie mit einer Rückstausicherung in Betracht ziehen.

Welche Folgen hat Dürre?

Trocken gefallene Hönne in Höhe der Balver Höhle, September 2022
Trocken gefallene Hönne in Höhe der Balver Höhle, September 2022 © WP | jürgen overkott

Die Kanalnetz In Balve ist als Mischwassersystem aufgebaut. Das bedeutet, dass die Kanäle auf entsprechend große Wassermengen zur Entwässerung von Niederschlags- und häuslichem Abwasser ausgelegt sind. In Balve liegen die Kanalisationsdurchmesser zwischen 30 Zentimetern und 1,20 Metern. Die kleineren Kanäle werden auch bei Dürre durch das häusliche Abwassers (cira 125 Liter täglich pro Kopf) ausreichend gespült und damit auch Feststoffe weitergetragen. Allerdings sinkt dieser Spüleffekt mit zunehmendem Kanaldurchmesser, sodass die Gefahr von Ablagerungen im Kanal bei in Dürrezeiten steigt. Außerdem kann bei einem Wetterumschwung nach längerer Trockenheit (bedingt durch den sinkenden Luftdruck) die im Kanal befindliche Luft an die Oberfläche austreten, was in der Nähe von Kanaldeckeln zu Geruchsbelästigungen führen kann. Die Kanäle werden daher in regelmäßigen Abständen gespült, um Geruchsentwicklung und Verstopfungsgefahr durch Ablagerungen zu vermeiden.

Welche baulichen Maßnehmen stehen kurzfristig an?

Goldener Kanaldeckel des Ruhrverbandes für die Stadt Balve: Verbandsspitze, Stadt spitze und die drei Fraktionschefs treffen sich vorm Rathaus.
Goldener Kanaldeckel des Ruhrverbandes für die Stadt Balve: Verbandsspitze, Stadt spitze und die drei Fraktionschefs treffen sich vorm Rathaus. © WP | jürgen overkott

Der Ruhrverband betreut das Kanalnetz seit Januar 2023 und hat sich im Vorfeld der Übertragung bereits einen Überblick über den Verlauf der Investitionen verschafft. Die Stadtwerke Balve haben in der Vergangenheit regelmäßige Investitionen in den Erhalt der Kanalisation getätigt. Das so genannte Abwasserbeseitigungskonzept (ABK), nach dem die Investitionen geplant und jährlich umgesetzt werden, wird nun vom Ruhrverband in Absprache mit der Gemeinde weitergeführt. Alle Maßnahmen werden gemeinsam mit der Stadt entwickelt und priorisiert, die Abstimmung erfolgt im engen Kontakt zu den Stadtwerken und zu Bürgermeister Hubertus Mühling. Für dieses Jahr stehen diverse Haltungserneuerungen und eine Haltungsverlängerung „Am Kar“ in Volkringhausen an. In Zusammenarbeit mit der Stadt wird die Renaturierung „Am Krumpaul“ in Höhe der Realschule durchgeführt, die schon zum Teil fertiggestellt ist. Im Balver Stadtgebiet werden grabenlose Sanierungsarbeiten durchgeführt, das heißt hier werden sogenannte Liner (beispielsweise innenliegende Wicklungen oder Rohre) in das Hauptrohr eingezogen, um eindringendes Grundwasser abzuwehren, die Standsicherheit zu erhöhen und sonstige Schäden (zum Beispiel Risse) des Kanals zu beheben. Auch Schachtdeckelhöhenregulierungen sind noch im ganzen Stadtgebiet geplant, das heißt zu tiefe Kanaldeckel werden erneuert und an die Straßenoberfläche angepasst.

+++ BALVE, DER RUHRVERBAND UND EIN MILLIOENDEAL +++

Wie stellen sich Ruhrverband und Stadt Balve mittelfristig auf Veränderungen ein, die durch den Klimawandel bedingt sind?

Kläranlage Binolen bei Balve
Kläranlage Binolen bei Balve © WP | jürgen overkott

Nach dem Hochwasser 2021 wurde bei der Stadt Balve viel Aufmerksamkeit auf den Hochwasserschutz gelegt. Die Oberflächenwasserableitung liegt weiterhin in der Hand der Stadt Balve (Zuständigkeit Straßensinkkästen: Stadt Balve; Zuständigkeit Kanalisation: Ruhrverband), das heißt hier ist der Ruhrverband nur mittelbar betroffen. Durch die Renaturierungsmaßnahmen wurde Retentionsraum für die Hönne und andere kleine Vorfluter geschaffen. Im Kanalnetz werden in den nächsten Jahren hydraulische Engpässe betrachtet und mit baulichen Mitteln abgestellt. Wichtig ist bei allen Maßnahmen eine ganzheitliche Betrachtung, um möglichst effiziente und zweckmäßige Maßnahmen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu finden. Hier kommt dem Ruhrverband zugute, dass er auf jahrzehntelange Erfahrung in der Siedlungsentwässerung zurückgreifen kann.

+++ WIE DER RUHRVERBAND SICH UM DIE TALSPERREN KÜMMERT +++

Welche Wünsche hat der Ruhrverband an private wie gewerbliche Nutzer der Kanalisation?

Bürgerinnen und Bürger, die eine Immobilie besitzen, sollten sich schon in ihrem eigenen Interesse mit folgenden Fragen befassen:

1. Ist mein Haus rückstausicher gebaut worden oder muss ich nachjustieren? Wenn eine Rückstauklappe vorhanden ist, wird diese regelmäßig gereinigt und gewartet? Die ideale Lösung ist eine natürliche Rückstauebene, aber die ist baulich nicht überall zu realisieren.

2. Muss ich meine Hof- und Eingangsfläche komplett versiegeln? Kann ich diese nicht auch so anlegen, dass ein Teilversiegelung möglich ist und das Regenwasser vor Ort versickern kann?

Balver Betriebsausschuss besichtigt Kläranlage in der Helle (Archiv).
Balver Betriebsausschuss besichtigt Kläranlage in der Helle (Archiv). © WP | Alexander Lück

3. Behalte ich mein Regenwasser vorwiegend auf meinem Grundstück und gebe es dann dem Kanal zu, oder läuft es mit dem Gefälle direkt auf die Straße, wo es möglicherweise das tieferliegende Nachbargrundstück gefährdet? Auch das persönliche Verhalten lohnt sich zu hinterfragen: Was entsorge ich alles über die Hausentwässerung? Lebensmittelreste ziehen Ratten magisch an, deshalb gehören auch flüssige Speisen, etwa Suppen, in den Abfall und nicht in die Toilette! Dasselbe gilt natürlich auch für Medikamente, deren Wirkstoffe zum Teil nur schwer oder gar nicht aus dem Wasserkreislauf entfernt werden können. Große Probleme verursachen feuchte Hygienetücher, die sich (anders als herkömmliches Toilettenpapier) nicht auflösen, sondern zu unzerreißbaren Zöpfen verknoten und ganze Pumpwerke lahmlegen können. Auch Binden, Tampons, Wattestäbchen & Co. gehören nicht ins Klo, sondern in den Müll.

Die Zusammenarbeit mit den gewerblichen Nutzern ist sehr gut eingespielt. Hier gibt es regelmäßige Kontakte zum Ruhrverband sowie zum Teil Beprobungen durch unser Labor, da die Zusammensetzung des Abwassers für uns natürlich von großer Bedeutung ist.