Binolen. Geschafft! Uli und Maria Vanselow haben die Corona-Zwangspause genutzt, ihr Raumkonzept neu zu erfinden. Retro trifft HighTech. Was heißt das?
Welch ein Wetter! Der Frühling im Herbst lockte Scharen ins Hönnetal. Uli Vanselow zählte die Wanderer in Binolen am vorigen Wochenende nicht nach Dutzenden – er zählte sie nach Hunderten. „Alles war zugeparkt“, so erinnert sich der Hotelier und Gastronom , „alles.“ Der Parkplatz, die zusätzliche Stellfläche vorm abgebrannten Haus am Waldesrand, selbst die Wiesen waren voller Autos. Verdient hat der 66-Jährige an der Ausflugsarmada keinen Cent. Er darf nicht: Corona .
Doch Uli Vanselow ist kein Mensch, der jammert. Vielmehr suchen er und seine Tochter, Junior-Chefin Maria Vanselow, ihre Chancen . In monatelanger Arbeit haben sie, gemeinsam mit heimischen Handwerkern, ihren Gesellschaftsraum umgebaut, raus aus den 70ern, rein in die Zukunft.
Aus einem Raum wurden drei. Die wundersame Raumvermehrung folgt einem ungewöhnlichen Design-Konzept: Retro modern. „Wir haben die großen Hochzeitsgesellschaften nicht mehr“, stellen Vater und Tochter fest, „wenn es noch große Gesellschaften gibt, dann gehen sie in die Eventhallen.“ Für kleine Gruppen bis zu 25 Personen – vom Ehejubiläum bis zur Weihnachtsfeier – wirken die neuen Räume indes wie maßgeschneidert.
Die Optik zollt der Atmosphäre des Gebäudes Tribut. Es stammt von 1910. „Lass uns das Ganze mal richtig gemütlich machen“: Das ist die Design-Philosophie der Vanselows . Und dennoch haben sie modernste Technik in den drei kleinen, feinen Räumen untergebracht. Was haben sie gemacht?
Wir stehen am späten Vormittag im vorderen der drei Räume. Es riecht nach frisch verarbeitetem Holz. „Nur natürliche Materialien“, betont Uli Vanselow. Die mannshohe Wandvertäfelung ist dunkel, der Ton geht in Richtung Mahagoni, Familienbilder in nostalgischem Schwarz-Weiß hängen hoch – „wie früher, da hat man das auch so gemacht.“
Bodentiefe Fenster zur Terrasse
Dennoch wirkt der Raum licht. Kein Wunder: „Wir haben die Fenster bodentief geschnitten, und wir haben gläserne Türen.“ Die Türen geben den Platz zu hinteren Räumen frei, offene Fenster machen den Weg frei zu Terrasse und Biergarten.
Retro hin, Nostalgie her – wo, bitte, ist die moderne Technik? Uli Vanselow lächelt fein. „In diesen Räumen“, sagt er, „hörst Du keinen Hall.“ Die Schallschlucker sind dezent in den Wänden versteckt, auf den ersten Blick nicht sichtbar, der Fachmann indes erkennt sie an Holzplatten mit feiner Lochung. Die Gäste – egal ob Wanderer oder Kradfahrer, Kurzurlauber oder Geschäftsleute – sollen sich bequem unterhakten, „auch wenn der Nachbartisch quakt“, wie Uli Vanselow launig hinzufügt.
Wir gehen über sandfarbenes Parkett: Kontrast zu den dunklen Wänden. Die Farbe mag neu sein, das Holz ist alt. „Wir haben den Boden von 1936 wieder herausgeholt“, sagt Uli Vanselow . Das Parkett knarzt beim Gehen nostalgisch.
Schmuckstück Havanna-Lounge
Das Beste kommt, wie so oft, zum Schluss: die Havanna-Lounge. Uli Vanselow macht gleich klar, dass sich nicht um eine simple Raucher-Bude handelt: „Zigarette kommt da nicht rein.“ In dem Raum mit dunkelgrünen, handgearbeiteten Clubsesseln in britischem Stil wird Tabakqualm von Zigarren und Pfeifen wie Weihrauch zelebriert, dazu werden geistige Getränke gereicht, Whiskey und Rum, Gin ist tabu. „Das passt nicht“, meint Uli Vanselow. Durch den Raum schwebt ein feiner Zigarrenduft. Er strömt aus den Humidoren. Glas gibt den Blick auf warm beleuchtete Holzkisten mit heißer Ware frei.
Bei dem feinen Duft wird es bleiben. „Ich habe mit Matthias Camminady ein Belüftungssystem entwickelt, das dazu führt, dass die Luft in dem Raum immer sauber bleibt“, sagt Uli Vanselow. Das Prinzip der anspruchsvollen Lösung ist simpel: Frischluft statt Umluft. Uli Vanselow: „Da wirst Du sogar vor Corona geschützt.“