Balve. Wut und Verzweiflung: Heimische Gastronomen sehen sich zu Unrecht zum „Sündenbock“ gemacht. Warum der neue Lockdown so weh tut.
Die erneute Zwangsschließung der Gastronomie hat bei heimischen Betreibern von Hotels und Restaurants einen Mix von Wut und Verzweiflung ausgelöst.
Ulli Vanselow vom Haus Recke in Binolen ist sauer. Es ist seiner Stimme anzuhören, wie sehr ihn der erneute Lockdown von Hotels und Gaststätten empört. Der Senior-Chef des Traditionsbetriebs mitten im romantischen Hönnetal sieht sich um die Früchte seiner Arbeit gebracht. Die erste Zwangspause rund um Ostern hat er mit Mühe überstanden. Ulli Vanselow hat geschmerzt, sein Mitarbeiter-Team in Kurzarbeit schicken zu müssen. Der Außer-Haus-Verkauf frisch geräuchter Forellen aus eigenem Teich und alu-folierter Menüs hat ihm kaum etwas gebracht: „Das lohnt sich nicht. Da zahlst Du drauf“, stellt er nüchtern fest, „das dient in erster Linie der Kunden-Pflege.“
Ulli Vanselow hat sich aber nicht hängen lassen. Er hat in Frühstücksraum und Biergarten investiert, wohl wissend, dass die Terrasse im Sommer die Erweiterung des Gastraumes sein würde.
So hat der Gastronom sein Sommergeschäft gerettet. Die Umsatz-Delle des Frühjahrs haben in der warmen Jahreszeit auch Wandersleute und Motorradfahrer ausgeglichen. Das Sauerland hat sich, angesichts umfangreicher Reisewarnungen für ferne Reiseziele, als Alternative für Urlaube angeboten.
Der zweite Lockdown trifft Haus Recke zur Unzeit. „Alle Feiern werden storniert, runde Geburtstage, Goldene Hochzeiten, Betriebsjubiläen“, klagt Ulli Vanselow.
Junior-Chefin Maria Vanselow fügt bitter hinzu: „Ein halbes Jahr Umbauarbeiten, und wir können das Ergebnis niemandem zeigen.“ Angesichts der Maßnahmen schimpft sie: „Uns fehlen die Worte.“ Sie sieht die Gastronomie als „Sündenbock“ für steigende Infektionszahlen und spricht von „Willkür“. Vater Ulli macht Ministerpräsident Armin Laschet für die Misere seiner Familie verantwortlich – und „Mutti Merkel“.
Die Vanselows machen vorerst Betriebsferien, 14 Tage lang. Dann wollen sie sehen, was die Politik beschließt. Außer-Haus-Verkauf wird wieder eine Option sein. Ein Geschäft ist es nicht, aber die langjährige Kundschaft ist treu.
Ina Friedriszik und ihr Mann Heinz sind von der erzwungenen Schließung der Gastronomie ebenfalls nicht begeistert; sie ertragen die Situation gefasst. Mehr noch: Sie haben die Beschlüsse von Bund und Land erwartet. „Donnerstagmittag war das Haus Drei Könige zum letzten Mal auf“, sagt sie im Gespräch mit der WP, „ich habe nichts mehr bestellt an Ware. Ich war sehr, sehr vorsichtig beim Einkauf, so dass ich auch keinen großen Waren-Verlust habe.“
Offen bleibt, was Haus Syré passiert
Ina und Heinz Friedriszik haben für ihre Häuser in Balve und Neuenrade unterschiedliche Lösungen gefunden: „In der Pizzeria ,Ballova’ machen wir Außer-Haus und Lieferungen ab nächster Woche. Im Haus Drei Könige dürfen die Geschäftsleute noch übernachten, sie müssen sich aber selbst versorgen. Ich biete ihnen natürlich was in der Umgebung an. Im ,Kohl’ (in Neuenrade, Red.) machen wir auch Außer-Haus-Lieferungen, oder die Leuten können ihre Gerichte abholen.“ Wie es mit Haus Syré in Garbeck weitergeht, ist zunächst offen.
Friedrisziks Mitarbeiter sind erneut in Kurzarbeit. Aber: „Unser Team ist wirklich toll“, freut sich Ina Friedriszik, „alle halten zu uns. Sie stehen alle hinter uns.“
Von der Politik hätte sie indes mehr Rückhalt erwartet: „Wir halten Mindestabstände ein, und wir lassen im Restaurant Tische frei. Wir haben 40 Plätze in Drei Könige und dürfen nur 20 bedienen. Wir sind nicht der Knackpunkt.“