Arnsberg/Werl. . Drei Schläge mit dem Vorschlaghammer und die Ehefrau ist tot. Ein 63-jähriger Mann aus Ense im Kreis Soest muss sich wegen Mordes vor dem Landgericht Arnsberg verantworten. „Ich habe meine Frau aus Liebe getötet“, sagt der Diplom-Sozialarbeiter, “ich wollte sie vor Geldsorgen schützen“.

Ostersonntag. 11 Uhr. Polizeiwache Werl. Der diensthabende 39-jährige Hauptkommissar fühlt sich veralbert. Ein älterer Herr steht vor ihm: „Ich möchte einen Mord anzeigen.“

Kurzer Todeskampf des Opfers

Dass sich Gewalttäter bei der Polizei freiwillig stellen, ist auch in Werl selten. Er antwortet: „Was denn? Haben Sie ein Tier überfahren?“ Aus Spaß wird Ernst. „Ich habe meine Frau aus Liebe getötet, ich wollte sie vor Geldsorgen schützen.“ Rückblickend wundert sich der Kommissar bei seiner Zeugenvernehmung bis heute über den seltsamen Besuch: „Ich habe das zwar nicht verstanden, aber ich habe ihn vorläufig festgenommen. Die Atmosphäre war ausgesprochen entspannt.“

Auch interessant

Der Mann aus Ense, Kreis Soest, händigt ihm den Hausschlüssel aus, beschreibt haarklein den Weg zum Schlafzimmer im ersten Obergeschoss. Hier hat er seine 63-jährige schlafende Ehefrau bereits in der Nacht von Mittwoch auf Gründonnerstag um 23.45 Uhr mit einem Vorschlaghammer getötet. Mit drei Schlägen. Heimtückisch, niederträchtig. Der Rechtsmediziner spricht vor einem kurzen Todeskampf des Opfers: Es ist die langjährige Leiterin des Jugendamtes in Arnsberg.

Totenwache nach der Tat

Arnsbergs Bürgermeister Hans-Josef Vogel spricht in seinem offiziellen Nachruf von einem „plötzlichen und unfassbaren Tod“. Ja, es ist unfassbar. In Saal 3 sitzt der Diplom-Sozialarbeiter auf der Anklagebank. Freundlich, sympathisch, redegewandt. Zuletzt hat er sich beruflich um Problem-Jugendliche gekümmert. Jetzt brennt es bei ihm lichterloh. Zur Tat will er nichts sagen.

Seine Verteidigerin, Iris Grohmann aus Münster, verliest eine Erklärung von ihm. Er sei an diesem Abend emotional aufgewühlt gewesen, er habe seiner Frau Leid ersparen wollen. Als Motiv nennt er Steuerschulden über 59.000 Euro, die fällig seien. Eine Gehaltspfändung seiner Frau habe bevorgestanden. Bereits vor sechs Jahren habe sie panisch reagiert, als es um Schulden über 13.000 Euro gegangen sei. Er habe sie damals von der Möhnemauer geholt, weil sie sich habe umbringen wollen. Das zum Mordmotiv. Was passiert im Anschluss? Er sitzt nach seiner Beschreibung lange am Bett, hält Totenwache, weint viel. Ihn überkommt eine unheimliche Traurigkeit, und er will sich selbst das Leben nehmen.

Briefe an die beiden Söhne

Vorher schreibt er noch Briefe an seine beiden Söhne. Er gibt ihnen eine Liste zu erledigender Dinge an die Hand: Zeitung abbestellen, Leasing-Vertrag fürs Auto nicht vergessen, Erbe ausschlagen. Und der Hinweis: „Mama hat noch reichlich Urlaubsansprüche, die noch ausgezahlt werden müssen.“

Eine Entschuldigung fehlt nicht: „Es tut mir unsäglich leid. Ich habe Euch das Schlimmste angetan, was ein Vater seinen Kindern antun kann.“

Gewaltfreie Zone

Sein Versuch sich umzubringen, scheitert. Nach Einnahme von 60 Schlaftabletten wird der gebürtige Herforder, „ich stamme aus einer Mischehe, mein Vater war evangelisch geprägt, meine Mutter tief katholisch“, wieder wach. Mit dem jüngeren Sohn telefoniert er am Samstag, er will Sonntag zu den Eltern zum Essen kommen. „Ein normales Gespräch“, sagt der Tischler. „So als ob nichts gewesen wäre.“

Sein Bruder und er durchleiden im Zeugenstand schwere Minuten. Über Nacht ist das Familienleben zerstört worden. Unfassbar. Sie haben keine Erklärung für das Verbrechen. Der Ältere: „Wir sind in einer völlig gewaltfreien Zone ­aufgewachsen.“ Auch habe er den Eindruck gehabt, seine Eltern seien sich in den vergangenen Jahren wieder näher gekommen. ­Sicherlich hätte seine Mutter Sorge um ihre Reputation gehabt, wenn die Gehaltspfändung bekannt geworden wäre. Er wolle im ­Rückblick das Verhalten seiner Eltern nicht deuten: „Das, was passiert ist, hätte ich mir auch nicht vorstellen können. Ich maße mir kein Urteil an.“