Arnsberg. Das traditionelle Anschnitzen des Arnsberger Schützenvogel findet bei strahlendem Sonnenschein statt. Ein jahrhundertealter Brauch lebt weiter.

Wolfgang Becker

Arnsberg. Mit dem Anschnitzen des Schützenvogels nahmen die Bürgerschützen am Wochenende eine erste wichtige Hürde vor dem Arnsberger Hochfest. Bei herrlichem Frühlingswetter trafen sich die Vogelbauer im „Schützen-Garten“ oberhalb des Tollpöstchens, um den schweren Fichtenrohling aus „Vogelsitzbaumholz“ in die richtige Form zu bringen.

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    Doch der Reihe nach: Strahlend blauer Himmel, sommerliche Temperaturen und tolle Stimmung unter den Besuchern eröffnen am Samstagmorgen den legendären „Anschnitztag“. Bernd Dicke als Vorsitzender der Vogelbaukommission begrüßt die Gäste, darunter die beiden Hauptleute Jörg Werdite und Detlev Kulke sowie das amtierende Königspaar Martina und Basti Schöttler und Kompanieführer Gernot Blache von der „Vierten“ als Königskompanie 2023. Ein besonderer Gruß geht natürlich an die Vogelbauer, Markenzeichen: Kappe mit Aufschrift „Die mit dem Vogel“.

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    Mittendrin im Geschehen. Der schwere Fichtenrohling, der von den Vogelbauern fachmännisch begutachtet wird. Denn am Ende soll ja aus dem Holzstück ein prächtiger Schützenvogel entstehen, da heißt es genau aufzupassen, dass jeder Handgriff sitzt. Während draußen Hobel, Stichsäge und Winkelschleifer in Aktion sind und die Holzspäne umherfliegen lassen, verrät Vogelbauer-Chef Bernd Dicke im angrenzenden Gartenhäuschen einige Details des zukünftigen Wappentieres: „Der Vogel hat eine Spannweite von 1,80 Meter und misst 1,20 Meter in der Länge“. Das Holz stammt aus der „Nonnenkuhle“ und liegt seit dem vergangenen Jahr bei Kommissionär Markus Risse, der auch schon Anfang des Jahres die aus Sperrholzplatten zusammengepressten Flügel vorbereitet hat.

    Die Historie der Vogelbauer

    Im ausgehenden 17. Jahrhundert, so ist in alten Rechnungen aus dem Arnsberger Schützenarchiv nachzulesen, kosteten 1695 Vogel und Geck 20 Schilling, erst 80 Jahre später wurde dieser Betrag um vier Schilling erhöht, eine für die heutige Zeit undenkbare Preisstabilität. Als Vogelbauer werden damals Daniel Megn (1667), Mathiaß Möseler (1703) und Meister Hermann Krümer (1706) benannt, unvergessene Vogelbauer waren später Heinrich (Nobel) Schuhmacher und Karl Ortmann (Koffer).

    Nach getaner Arbeit wartet ein kühles Blondes auf die Anschnitzer.
    Nach getaner Arbeit wartet ein kühles Blondes auf die Anschnitzer. © Wolfgang Becker/WP | Wolfgang Becker

    „Wir machen alles in purer Handarbeit, darum würde ein solcher Vogel an die 3000 Euro kosten, wenn man ihn in dieser Größe und Qualität von einem Betrieb bauen ließe“, ist sich Bernd Dicke sicher. Denn besonders die filigran gefertigten Krallen erforderten ebenso wie der Schnabel einen großen Zeitaufwand. Der Kommissions-Chef, beruflich als Ingenieur in München tätig, nimmt den schweren „Vogelrohbau“ in den kommenden Tagen mit in die bayrische Landeshauptstadt und verpasst ihm dort mit Pinsel und Farbe den klassischen Anstrich. Als Höhepunkt wird dem Vogel dann kurz vor dem Schützenfest, das in diesem Jahr vom 6. bis 8. Juli gefeiert wird, noch die goldene Krone aufgesetzt und die silberne Erinnerungsmedaille umgehängt.

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    Zurück zum Anschnitzen: Auch das amtierende Arnsberger Königspaar Martina und Basti Schöttler legte sich unter den wachsamen Augen der Vogelbauer mächtig ins Zeug, denn die beiden Regenten wollen ihren Nachfolgern am Schützenfestmontag auf der Vogelwiese ein prächtiges Federvieh präsentieren. Dann war erstmal Pause, die Werkzeuge wurden beiseitegelegt, denn in der Gartenhütte warteten schon die traditionellen Leberwurstbütterkes und Schmalzbrote auf die hungrigen Schützenschwestern und -brüder. Dazu gab es natürlich standesgemäß auch den ein oder anderen Krug Gerstensaft vom Grevensteiner Südhang. Kurzum: Ein gelungener Anschnitztag, auch wenn der Vogel an diesem Morgen vielleicht schon geahnt hat, dass, auch wenn er noch so kunstvoll geschaffen ist, seine Tage gezählt sind.