Arnsberg. Ali und Lodiya Shihk Mohamad sind aus Syrien geflüchtet. In ihrem Friseursalon in Arnsberg sammeln sie Geld für Hilfsorganisationen

Es ist eines dieser Schicksale, deren Bilder man aus den Nachrichtensendungen vor Augen hat. Wir schreiben das Jahr 2015. In Syrien tobt der Bürgerkrieg. Ali Shihk Mohamad und seine Schwester Lodiya leben mit ihrer Familie im kurdischen Gebiet nördlich der Großstadt Aleppo. „Wir wurden von allen Seiten aus bombardiert und irgendwann haben wir uns dann zur Flucht entschieden“, berichtet der heute 24-Jährige über die Wirren des Kriegs.

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Über die Grenze flüchtete die Familie mit ihren letzten Habseligkeiten in die benachbarte Türkei. „Irgendwann haben wir von Personen erfahren, die uns versprachen, uns nach Europa zu bringen.“ Es waren Schleuser, die der Familie Plätze in einem Boot nach Griechenland verkauften. „Wir haben die Personen nie selbst gesehen. Über Mittelmänner und Telefonanrufe erfuhren wir, wann und wo wir sein sollten“, so Ali Shihk Mohamad. Er und seine Schwester sowie die Eltern wurden mit Autos abgeholt und zum Meer gebracht, wo auch schon das Boot wartete.

Flucht über das Meer

Recht schnell sei deutlich geworden, dass das Boot hoffnungslos überladen war. Wo sonst 20 Leute Platz gefunden hätten, seien mehr als 40 Menschen - darunter viele Kinder - eingepfercht worden. Mehrere Stunden bei Kälte im November dauerte die Überfahrt. „Wir hatten Angst und haben gefroren.“ Nach der Ankunft in Griechenland irrte die Familie ohne Geld und Unterkunft auf der Straße herum. „Ich hatte nur noch meine Kleidung, die ich trug“, berichtet Ali Shihk Mohamad. Erst nach Tagen erfolgte die Weiterreise mit dem Zug über den Balkan bis nach Deutschland.

„Wir wollten nach Deutschland, weil wir hier schon Bekannte und die Hoffnung hatten, ein neues Leben aufbauen zu können“, berichtet der gebürtige Syrer. Heute blickt Ali Shihk Mohamad mit einer nötigen Portion Gelassenheit auf seine Flucht. Vor allem wohl auch deswegen, weil es ihm und seiner Schwester gelungen ist, sich in Arnsberg eine völlig neue Existenz aufzubauen.

Friseurmeisterin Lodiya Shihk Mohamad macht einem Kunden Dauerwellen.
Friseurmeisterin Lodiya Shihk Mohamad macht einem Kunden Dauerwellen. © Arnsberg | Eric Claßen

„Als wir in Arnsberg angekommen sind, hatten wir zwar kein Geld und haben anfangs in einer Flüchtlingsunterkunft gewohnt. Aber wir haben sofort angefangen, Deutsch zu lernen, weil wir arbeiten wollten.“ Nach drei Monaten konnte die Familie mit deutscher Hilfe eine kleine Wohnung anmieten. Ali und seine Schwester lernten Deutsch, machten ihren Schulabschluss und hängten direkt eine Ausbildung dran. Beide arbeiten mittlerweile als Friseure in ihrem eigenen Geschäft, das sie im Mai 2023 in Arnsbergs Innenstadt eröffnet haben. Möglich war das, weil Lodiya Shihk Mohamad vor einem Jahr den Meisterbrief erworben hat.

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Mit Lodi Hair Styles am Arnsberger Brückenplatz - so der Name des Geschäfts - haben sich die Geschwister ihren Traum von der Selbstständigkeit erfüllt. „Meine Schwester ist die Chefin“, berichtet Ali. „Wir wollten und wollen Deutschland etwas zurückgeben dafür, dass sie uns geholfen und uns willkommen geheißen haben. Ich denke, dass Deutschland uns umgekehrt auch braucht!“ Trotzdem spüre er mittlerweile einen Wandel in der Gesellschaft. Die Diskussionen über die Ausgrenzung von Ausländern würden beide wahrnehmen. „Wir telefonieren mit meinen Großeltern, die in Syrien geblieben sind. Sie sagen, dass es in Deutschland trotzdem immer noch besser sei als in der Heimat, wo Krieg herrscht“, erklärt die 22-jährige Lodiya.

Wir wollen Deutschland etwas zurückgeben dafür, dass sie uns geholfen und uns willkommen geheißen haben.
Ali Shihk Mohamad - Friseur aus Arnsberg mit syrischen Wurzeln

Beide seien sehr traurig über die derzeitige Entwicklung in Deutschland und dass alle Flüchtlinge über einen Kamm geschert würden. „Wir sind ein gutes Beispiel für Flüchtlinge, die in der Gesellschaft voll integriert sind“, so Ali. „Jeder Mensch sollte doch das Recht haben, in Frieden und bei guter Gesundheit sein Leben führen zu dürfen“, sagt Lodiya. Sie seien sehr stolz darauf, was sie erreicht hätten und dass auch ihre Eltern Arbeit in Deutschland gefunden hätten.

Ali Shihk Mohamad hat mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen und hier in Deutschland sein dreifaches Glück gefunden. Denn nach der Hochzeit mit seiner Frau ist er seit vier Monaten Vater eines kleinen Sohns. Die Geschwister Shihk Mohamad wollen nun ein Zeichen setzen. Weil sie aufgrund der Arbeit nicht an der Demo „Arnsberg steht auf“ am 2. Februar teilnehmen können, möchten sie 50 Prozent der Tageseinnahmen an Hilfsorganisationen spenden. „Wir wollen notleidende Kinder unterstützen und für Flüchtlinge spenden. Das ist unser Beitrag für Vielfalt und Toleranz in diesem Land.“