Brilon. Heftige Debatte in Brilon: Die CDU-Fraktion ist gegen den Beitritt zur Trierer Erklärung gegen Rechtsextremismus. Die SPD reagiert entsetzt.
Es sollte einer der letzten Tagesordnungspunkte sein. Der Antrag der BBL, dass sich der Briloner Rat der Trierer Erklärung des Deutschen Städtetages anschließen möge. Die BBL merkt in ihrem Antrag an, dass sich schon andere Städte mit sehr großer Mehrheit dieser Resolution angeschlossen hätten. In der Briloner Ratssitzung sorgt dieser Antrag allerdings für einen hitzigen Streit.
Correctiv-Recherche: Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte war Thema
Zum Hintergrund: Mit deutlichen Worten hatte der Deutsche Städtetag das durch Correctiv-Recherchen bekannt gewordene Potsdamer Geheimtreffen mit AfD-Politikern und Rechtsextremisten verurteilt. „Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren“, heißt es in der „Trierer Erklärung“ des Städtetags. Und weiter: „Unsere Städte gehören allen Menschen, die hier leben. Wir akzeptieren nicht, dass Bürgerinnen und Bürger, dass Familien, dass sogar Kinder in unseren Städten Angst davor haben müssen, von hier vertrieben zu werden.“ Nach Recherchen des Netzwerks Correctiv hatten sich AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer im November 2023 in einem Hotel nahe Potsdam getroffen. Dort soll über die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sowie weiteren aus Sicht der Teilnehmenden unerwünschten Menschen gesprochen worden sein.
In Brilon stößt der Antrag der BBL, man möge sich der Resolution anschließen, auf Gegenwehr. Niklas Frigger (CDU) räumt ein, dass man sich zwar zu zahlreichen Themen unterstützend äußern könnte, allerdings würde diese Resolution nicht im direkten Zusammenhang mit der Stadt Brilon und den Angelegenheiten vor Ort stehen. Er setzt hinzu: „Der Grund für die Erklärung hat sich mittlerweile auch als falsch herausgestellt. Correctiv musste zugeben, dass das Thema so nicht verlautbart wurde. Wir können nicht zustimmen, wenn etwas sachlich falsch ist“, so Frigger und bezieht sich damit auf eine einstweilige Verfügung, die gegen Correctiv ausgesprochen wurde. Indes: In dem Streit vor Gericht ging es um drei Anklagepunkte ausschließlich das CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau betreffend. Zwei Anklagepunkte wurden abgewiesen, in einem Fall wurde eine einstweilige Verfügung ausgesprochen. Demnach hat das Medienhaus in seinem Bericht vom 10. Januar den Antragsteller in einer Passage falsch wiedergegeben, Vosgerau steht ein Unterlassungsanspruch zu. Dass das Treffen und die genannte Debatte stattgefunden haben, war nicht Gegenstand der Verhandlung.
Niklas Friggers Einwand, man könne der Erklärung nicht zustimmen, weil sie sich im ersten Absatz auf „das jüngst bekanntgewordene Treffen von AFD-Funktionären und Mitgliedern der Identitären Bewegung und die dort diskutierte Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland“, bezöge, stößt auf heftige Kritik seitens der SPD. Hubertus Weber wirkt fassungslos ob der Begründung der CDU. „Das sehen wir grundsätzlich anders an dieser Stelle. Die Trierer Erklärung wird von vielen mitgetragen, ich will mir von meinen Kindern und Nachbarn, von meinen Kollegen und Mitmenschen nicht sagen lassen, dass wir uns nicht gewehrt haben.“ Günther Wiese (SPD) schließt sich an: „Herr Frigger, bei Ihnen kommt das so rüber, als wäre das in Potsdam ein illustres Kaffeekränzchen gewesen. Aber das war ein Angriff auf die Demokratie. Wie können Sie in Ihren jungen Jahren darüber hinwegsehen?“ Eberhard Fisch (CDU) ruft: „Jetzt hör aber auf!“ Thomas Becker (CDU) unterstützt seinen Parteikollegen: „Niklas Frigger hat nur über den ersten Absatz gesprochen, der einen Sachverhalt darstellt, der so nicht stimmt. Absatz 2 bis 4 können wir so beschließen, aber wollen wir uns als Rat wirklich an der Verbreitung von Falschinformationen beteiligen?“ Karin Bange (CDU): „Man sollte nun nicht versuchen, uns in eine Ecke zu drängen. Es ist selbstverständlich, dass wir dieses Gedankengut nicht mittragen, wir sollten im Alltag dafür einstehen. Aber wenn wir nun eine Selbstverständlichkeit für eine Demokratie beschließen, dann kann ich nächstes mal auch einen Antrag stellen zu diesem oder jenem, was mir besonders wichtig ist. Wir können sowas nicht beschließen, weil das nicht Aufgabe des Stadtrates ist.“
Lesen Sie auch:
- Schneekrise in Winterberg: Touristen bleiben aus
- Bedrohung am Petrinum Brilon: Polizei zur Lage an der Schule
- Gefährlich: HSK-Straßenkreuze werden entfernt oder versetztJobabbau trifft Ritzenhoff hart: Stille in der Belegschaft
- Jägerin warnt vor versteckten Risiken in Sauerländer Wäldern
- Marsberger Trio fährt mit der Schrottkarre durch Europa
SPD wirft Niklas Frigger fehlende Haltung vor, die CDU kontert
Frauke Müthing (BBL) verteidigt den Antrag: „Das Treffen wird im ersten Absatz als Aufhänger genommen, um den Text vorzubereiten. Es geht hier nicht um Landes- oder Bundespolitik, sondern wie wir miteinander umgehen, da gab es in den letzten Sitzungen schon Anstöße.“ Immer neue Stimmen melden sich zu Wort. Aus den Reihen der SPD wird Niklas Frigger fehlende Haltung vorgeworfen. Eberhard Fisch (CDU) dazu: „Wir sind jetzt genau an dem Punkt, wo wir nicht hinwollten: wir diskutieren über misslungene Bundespolitik die zum Erstarken der AfD führt, Irrwitz finde ich. Genau das wollten wir hier verhindern. Grundsätzlich hat diese Erklärung mit dieser Körperschaft, mit diesem Rat nichts zu tun. Ich wollte vermeiden, dass wir uns über ein Klein-Klein der Bundespolitik unterhalten müssen. Ich werde dagegen stimmen, aber auch gegen jeden anderen Resolutionsvorschlag, der sich nicht unmittelbar zur Stadt Brilon verhält.“ Hubertus Weber will das Thema nicht ruhen lassen: „Der Rat sollte sich für dieses Thema positionieren, für Bürger und auch Ausländer positionieren, das ist Demokratie und Haltung und wenn ihr da nicht mitmacht, ist das eure Sache.“ Karin Bange erwidert: „Wenn ich schon Haltung höre. Haltung ist ausgelutscht, wenn ich bloß sage ‚Ich bin dagegen‘. Wollen wir uns jetzt in Israel auch einmischen? Wir kommen doch in Teufelsküche, wir müssen ja sonst in alle Richtungen Haltung zeigen.“
Bürgermeister Bartsch beendet die Diskussion
Fast zwanzig Minuten geht es hin und her. Bürgermeister Christof Bartsch bindet Diskussion ab. „Das Falscheste ist, jemanden in eine Ecke zu stellen. Es geht um das Grundsätzliche und wir merken den Rechtsruck in unserer Gesellschaft. Wir schließen uns der Erklärung eines kommunalen Spitzenverbandes an und dass das Auswirkungen auf Brilon hat und wir hier dieselben Auswirkungen spüren wie in Trier, ist klar.“ Schlussendlich schließt sich die Stadt Brilon der Resolution an, ohne die Stimmen der CDU.