Hochsauerlandkreis/Brilon. Nicole Heitzig ist Präsidentin des Jagdverbandes NRW. Sie sagt, wie Hundebesitzer und Waldbesucher Konflikte im Wald aus dem Weg gehen.

Viele Menschen nutzen den heimischen Wald zur Erholung und zur Freizeitgestaltung. Nicht immer achten sie allerdings darauf, dass der Wald auch ein schützenwertes Biotop und Rückzugsort für viele heimische Wildtiere ist. Wir haben Nicole Heizig aus Brilon gefragt, wie man sich so verhält, damit es nicht zu Konflikten oder gefährlichen Situation kommt. Sie ist Präsidentin des Landesjagdverbandes NRW und aktive Jägerin.

Appell: Jungtiere niemals anfassen

Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich auf verletzte Tiere oder allein gelassene Jungtiere stoße?

Am 1. März beginnt die Setz- und Brutzeit. Da kann es vorkommen, dass man zufällig auf Jungwild stößt. Auch in unmittelbarer Nähe von frequentierten Wegen können Jungtiere liegen. In diesem Fall bitte keinesfalls das Tier anfassen. Am besten ist es, sich leise zurückzuziehen und der Natur ihren Lauf zu lassen. Muttertiere kommen in den ersten Tagen nur zum Säugen zu ihren Jungen. Jungtiere bitte niemals anfassen. Das meiste Tierleid entsteht, wenn dagegen verstoßen wird und Tiere angefasst, gestreichelt oder aufgenommen werden. Regelmäßig werden die Jungtiere dann nicht mehr von ihrer Mutter angenommen, selbst wenn man sie wieder an die Fundstelle zurücksetzt, weil sie dann den menschlichen Geruch an sich tragen. Die Handaufzucht von Wildtieren ist immer die zweitbeste Lösung.

Das hat mein Hund sonst noch nie gemacht, ist ein durchaus bekannter Satz, den man heute öfter hört, nachdem ein Hund ein Wildtier gejagt und sogar verletzt hat.
Nicole Heitzig - Präsidentin Landesjagdverband NRW

Das gleiche Verhalten empfiehlt sich auch bei offensichtlich verletzten Tieren oder wenn der Verdacht besteht, das Jungtier könnte von der Mutter nicht mehr versorgt werden, weil es zum Beispiel verunglückt ist. Wenn ich zum Beispiel ein Tier finde, das angefahren wurde oder durch ein anderes Tier schwer verletzt wurde, sollte man den örtlichen Jäger verständigen. Falls dieser nicht bekannt ist, einfach die Polizei anrufen. Die hat eine Übersicht.

Achtung: Verletzungsgefahr durch Wildschweine

Wahrscheinlich ist es nicht nur für die Tiere selbst nicht gut, wenn man sie anfasst, sondern das kann auch für den Menschen gefährlich sein oder?

Verletzungsgefahr besteht beispielsweise bei Wildschweinen. Eine Wildschweinbache, also ein Muttertier, kann äußerst aggressiv werden, wenn sie ihre Frischlinge in Gefahr sieht. Außerdem können Krankheiten oder Parasiten von Wildtieren auf Menschen und Haustiere übertragen werden. Das kann zum Beispiel bei Fuchsbandwürmern, Räudemilben, Hasenpest und Aujetzkischer Krankheit passieren. Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine Viruserkrankung, die vor allem bei Haus- und Wildschweinen auftritt, die zwar für den Menschen nicht gefährlich ist, aber für Haustiere, wie zum Beispiel Hund, Katze, Rind oder Pferd, tödlich verlaufen kann.

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Nicole Heitzig aus Brilon ist Präsidentin Landesjagdverband NRW.
Nicole Heitzig aus Brilon ist Präsidentin Landesjagdverband NRW. © LJV NRW | SaM - Sascha Mueller-Harmsen

Was muss ich beachten, wenn ich mit meinem Hund unterwegs bin?

In NRW gibt es keine generelle Leinenpflicht in der Brut- und Setzzeit wie in anderen Bundesländern. Grundsätzlich dürfen sich Hunde auf Wegen aber nicht aus dem Einwirkungsbereich ihres Herrchens oder Frauchens entfernen. Gehorsame Hunde, die abrufbar sind und die Wege nicht verlassen, müssen daher nicht zwingend angeleint werden. Weniger gehorsame und triebstarke Hunde müssen an der Leine bleiben. Wer seinem Hund etwas mehr Bewegungsfreiheit geben möchte, kann eine längere Schleppleine einsetzen, sollte aber bitte das Ende in der Hand halten. Bei stark frequentierten Wegen gebietet auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung das Anleinen aller Hunde. Eine Anleinpflicht kann auch durch kommunale Hundeordnungen vorgeschrieben werden. Abseits von Wegen dürfen Hunde im Wald nur angeleint geführt werden. Im Offenland ist das Betretungsrecht auf Wege beschränkt. Hunde haben somit auf Wiesen und Weiden gar nichts verloren, weder frei noch angeleint. Hundekot auf Wiesen kann für Weidetiere - im Heu oder der Silage - zu gesundheitlichen Problemen führen. Wiesen und Weiden sind also weder Hundespielplatz noch Hunde-Klo. Wer seinem Hund freien Lauf gönnen will, muss einen speziellen Hundefreilaufplatz besuchen oder die Genehmigung des Grundeigentümers einholen.

Doch nicht nur Hundebesitzer sorgen für Konfliktpotential im Wald. Auch achtlos weggeworfener Müll ist nicht nur optisch unschön. Welche Gefahren sehen Sie für Wildtiere?

Grundsätzlich gilt, dass alles, was man in die Natur hineinbringt, auch wieder mit nach Hause genommen wird. Wenn Wildtiere Plastikmüll aufnehmen können sie daran qualvoll verenden. Ringe von Plastikflaschenverschlüssen können sich um die Schalen/Hufe von Jungtieren legen und später einwachsen und zu Deformationen führen. In der Natur gibt es zahlreiche Sonderregelungen für bestimmte Bereiche, die man unbedingt beachten sollte, wie beispielsweise ein Wegegebot in Naturschutzgebieten und ähnliches. Beachten sollte man auch: Vom 1. März bis zum 31. Oktober sind im Wald offene Feuer verboten. Dazu zählt auch das Rauchen.

Traurig: Hochträchtige Muttertiere können nicht schnell genug fliehen

Wie ist Ihre Erfahrung: Beherzigen die meisten Menschen, die sich in ihrer Freizeit im Wald aufhalten, diese Regeln oder gibt es da Probleme?

Es könnte besser laufen! Gerade während der Corona-Zeit haben sich viele Menschen einen Hund angeschafft. „Das hat mein Hund sonst noch nie gemacht“, ist ein durchaus bekannter Satz, den man heute öfter hört, nachdem ein Hund ein Wildtier gejagt und sogar verletzt hat. Auch wenn der im Einzelfall stimmen mag, in der Summe sind ungehorsame Hunde in der Natur ein großes Problem, denn das Wild verbraucht jetzt, in den letzten Wintertagen, auch seine letzten Energiereserven. Wird es dann mehrfach von umherlaufenden Hunden aufgescheucht oder gar gehetzt, verbraucht es zu viel Energie, die es gar nicht wieder aufnehmen kann. Das Wild verhungert in solchen Fällen buchstäblich. Zudem sind die Ricken kurz vor dem Setzen der Kitze „kugelrund“ und oft nicht so beweglich und schnell wie im restlichen Jahr. Jungtiere und hochträchtige Muttertiere können nicht vor freilaufenden Hunden weglaufen und sich auch nicht wehren. Bilder von diesem Tierleid liegen dem Landesjagdverband vor und es kommen leider in jedem Jahr neue dazu. Ich glaube, die möchte eigentlich niemand sehen…