Marsberg. Opa, Sohn, Enkel und ein 20 Jahre alter VW Passat: Familie Kneider aus Marsberg fährt in dieser Schrottkarre durch Europa. Es ist ein Wettrennen.

Der alte VW Passat ist rostig und zerbeult, und auch die Bremsscheiben haben schon bessere Zeiten gesehen: Das Auto, mit dem Familie Kneider aus Marsberg im Juni quer durch Europa fahren will, ist mehr als baufällig - eine richtige Schrottkarre. Genau das richtige für Karl-Heinz, Andreas und Jonah, um am „Carbage run“ teilzunehmen, einer Auto-Rallye mit Kult-Niveau. Carbage ist übrigens ein Kofferwort aus den englischen Wörtern Garbage (deutsch: Schrott) und Car (deutsch: Auto).

Mit der Schrottkarre durch Europa

2000 Kilometer wollen Vater, Sohn und Enkel im kommenden Juni mit dem alten Auto zurücklegen. Die Teilnahmebedingungen bei der Rallye sind streng: Nicht mehr als 1000 Euro darf das Auto noch wert und mindestens 20 Jahre muss es alt sein. „Es sollte auch schon mindestens 200.000 Kilometer runter haben“, erklärt Andreas Kneider. Das verbeulte, ehemalige Polizeiauto, das auf der Hebebühne in der Werkstatt des Familienunternehmens „Karosserie und Lackiercenter Identica Kneider“ steht, sieht vielversprechend aus. In einer Kleinanzeige habe er es im Internet gefunden, mit ein wenig Feilscherei wegen der Mäusenester im Innenraum wurde ein richtiges Schnäppchen daraus. „Die Mäuse sind zum Glück jetzt weg“, erklärt der 51-jährige Karosseriebauermeister lachend. Gemeinsam mit seinem Vater Karl-Heinz (73) und seinem Neffen Jonah (18) will er das alte Auto in den kommenden Monaten fahrtüchtig machen. Trotz aller Mängel muss der Wagen TÜV-geprüft und zugelassen sein, bevor er an den Start gehen kann.

Andreas Kneider und sein Vater Karl-Heinz Kneider. Mit dieser Schrottkarre fahren sie los.
Andreas Kneider und sein Vater Karl-Heinz Kneider. Mit dieser Schrottkarre fahren sie los. © WP | Rebekka Siebers

Am 23. Juni soll es losgehen, mit Startschuss in Belgien: Von da aus führt die fünftägige Route die Rallye-Teilnehmer durch 15 europäische Länder, von Belgien über die Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Ungarn, die Slowakei, die Tschechische Republik und Polen. „Wir zeigen Dir Europa aus einem gänzlich anderen Blickwinkel, indem wir nicht zu den bekannten Orten und auf viel befahrenen Autobahnen fahren“, werben die Veranstalter des „Carbage run“ auf ihrer Website. Für Andreas und seine Mitstreiter bedeutet das: Ihr Auto muss belastbar sein, über kaum vorhandene Straßen und steile Berge fahren können. „Auf der ganzen Strecke gibt es keine Pannenhilfe, keinen Abschleppwagen“, erklärt der 51-Jährige, „Wenn jemand liegen bleibt, wird sich untereinander geholfen, man tauscht Ersatzteile aus, schleppt sich gegenseitig ab.“ Deshalb gehören Werkzeuge, eine Kiste mit Ersatzteilen und Wechselreifen mit zur Ausrüstung, die auf dem alten Dachgepäckträger und im Kofferraum des alten Autos verstaut werden müssen.

Die Vorfreude bei Karl-Heinz (l) und Andreas Kneider auf die Autoreise durch Europa ist groß: Der „Carbage run“ ist nicht die erste Rallye, an der Vater und Sohn gemeinsam teilnehmen.
Die Vorfreude bei Karl-Heinz (l) und Andreas Kneider auf die Autoreise durch Europa ist groß: Der „Carbage run“ ist nicht die erste Rallye, an der Vater und Sohn gemeinsam teilnehmen. © WP | Rebekka Siebers

Fünf Tage auf Tour, geschlafen wird im Auto

Bei der Rallye wird die Strecke in Tagesetappen zurückgelegt, die Nächte wollen die Abenteurer auf einem Campingplatz verbringen. Deshalb gehören auch Schlafsäcke und ein Zelt mit zur Ausrüstung, in dem zwei Leute bequem Platz finden. Der dritte schlafe im Auto, wie Andreas erklärt: „Da wird dann zusammen gefrühstückt und danach bekommt man den Tagesroutenplan. Dann fährt man los und abends trifft man sich auf dem nächsten Campingplatz.“

Der alte VW Golf Passat ist verbeult und rostig. Familie Kneider will ihn in den nächsten Monaten fahrtüchtig machen und ihm neuen Glanz verleihen.
Der alte VW Golf Passat ist verbeult und rostig. Familie Kneider will ihn in den nächsten Monaten fahrtüchtig machen und ihm neuen Glanz verleihen. © WP | Rebekka Siebers

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chaukel-Kamel aus Holz und Stoff

Für die Teilnehmer des „Carbage run“ gibt es auch Preise zu gewinnen: das originellste Auto-Design wird mit 500 Euro prämiert. Welcher Wagen gewinnt, darüber werden die Teilnehmer demokratisch abstimmen. Das Marsberger Team ist ehrgeizig. Der alte VW Passat, an dem Andreas, Karl-Heinz und Jonah in den nächsten Monaten herumschrauben, soll ein ganz besonderes Design bekommen. Braune Lackierung, vielleicht ein paar Kakteen und das allerwichtigste - das Maskottchen: Ein altes Schaukel-Kamel aus Holz und Stoff. Ein Schatz, den die Familie ebenfalls als Inserat bei Ebay gefunden habe, erzählt Andreas: „Das wollen wir auf das Dach montieren und mit einem kleinen Motor ausstatten, damit es schaukelt.“ Und dann soll der Wagen fertig sein und als „Wüstenwind“ an den Start gehen. Bei der ganzen Rallye gehe es aber nicht ums Gewinnen, erklären die Marsberger: „Dabei geht es vor allem um den Spaß.“

Ein altes Schaukel-Kamel soll das Dach des Autos zieren, mit dem Familie Kneider im Juni am „Carbage run“ teilnehmen will.
Ein altes Schaukel-Kamel soll das Dach des Autos zieren, mit dem Familie Kneider im Juni am „Carbage run“ teilnehmen will. © WP | Rebekka Siebers

Der „Carbage run“ ist nicht die erste Rallye, an der Andreas und Karl-Heinz gemeinsam teilnehmen. Schon vor ein paar Jahren seien Vater und Sohn zusammen bei einer Oldtimer-Tour am Gardasee mitgefahren, in einem Begleitfahrzeug des ADAC. Ein einzigartiges Erlebnis, an das sich die beiden gern erinnern. Deshalb hätten sie auch nicht lange gezögert, als Bekannte ihnen von der Schrottkarren-Rallye durch Europa erzählten: „Da wussten wir sofort: Das machen wir!“, erzählt Karl-Heinz. An Weihnachten hätten sie sich angemeldet, wenige Tage später habe das alte Polizeiauto bereits in der Werkstatt gestanden. Seit Jahresbeginn tüfteln Rentner Karl-Heinz und Karosseriebauermeister Andreas an den Wochenenden oder nach Feierabend an dem alten Auto. Enkel Jonah steckt mitten in der Ausbildung, aber auch er kommt dazu, wenn er kann. Auf die kommenden Monate des Bastelns und Schraubens freuen sie sich sehr. „Das ist einfach eine schöne Zeit, die wir zusammen verbringen“, erklärt Karl-Heinz. Zeit, in der man sich häufig sieht, an einem Strang zieht. Das sei eigentlich auch das Wichtigste an dem gemeinsamen Projekt: viel Spaß und gemeinsame Zeit.