Medebach. Ein großer Hund beißt den kleinen Terrier „Jackie“. Das Tier muss eingeschläfert werden. Die Besitzer sind geschockt und traurig.

„Für uns ist es ein nicht endender Albtraum. Die Bilder werden wir nie aus dem Kopf bekommen.“ Was dem Paar oder vielmehr seinem kleinen Hund „Jackie“ vor einigen Tagen in einem Medebacher Ortsteil passierte, ist die Horrorvorstellung eines jeden Hundebesitzers schlechthin. Als die beiden mit ihrem drei Jahre alten, angeleinten Terrier-Pintscher-Mischling die Gassi-Runde beenden wollen, kommen zwei große Hunde auf sie zu. „Das waren zwei Kaliber im Bobtail-Format. Die Halterin war gut 70 Meter entfernt. Beide Hunde waren nicht angeleint. Ich habe noch gedacht: Mach Dich groß, das schreckt sie vielleicht ab – aber das hat sie nicht beeindruckt“, so das Herrchen von „Jackie“.

Der eine habe sich sofort den kleinen, etwa sechs Kilo leichten Mischling geschnappt, sich in ihn verbissen und ihn geschüttelt. „Er hat vorne nur noch immer wieder hilflos mit dem Kopf gewackelt, während er hinten gepackt wurde“, so der Hundehalter und seine Frau. Mit verzweifelten Tritten und Rufen versuchen sie, die Situation und ihren kleinen Vierbeiner zu retten. Vergeblich.

Ein Hund bellt und fletscht die Zähne (Symbolbild). In Medebach wird ein kleiner Terrier-Mix Opfer einer Beißattacke. Die Besitzer erzählen von dem Alptraum-Erlebnis.
Ein Hund bellt und fletscht die Zähne (Symbolbild). In Medebach wird ein kleiner Terrier-Mix Opfer einer Beißattacke. Die Besitzer erzählen von dem Alptraum-Erlebnis. © dpa | Soeren Stache

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Nach tierärztlicher Versorgung im Nachbarort fährt das Paar mit seinem Hund noch in die Tierklinik nach Marburg. Dort wird „Jackie“ schließlich aufgrund der schweren, inneren Verletzungen eingeschläfert. Sieben Monate war der Vierbeiner bei seiner neuen Familie; er kam aus dem Tierschutz und hätte es noch lange guthaben können.

Wir möchten das Thema ganz bewusst publik machen und alle Hundehalter dafür sensibilisieren, dass sie ihre Hunde anleinen und jederzeit im Griff haben sollten. Wenn wir dadurch auch nur einen einzigen ähnlichen Fall verhindern können, dann wäre der Tod von ,Jackie‘ wenigstens nicht ganz sinnlos.“
Besitzer des zu Tode gebissenen Hundes

Trotz der dramatischen Situation, trotz des Schreckens und der tiefen Trauer hält sich das Paar aus dem Raum Medebach mit Schuldzuweisungen zurück. Diese Frage werden andere Stellen klären müssen. Bei der Polizei haben die beiden Anzeige erstattet und der Beamte habe gesagt, dass sich solche Beißvorfälle derzeit häuften. Polizeisprecherin Lara Burmann bestätigt, dass der Vorfall aktenkundig sei und als Straftat gegen das Tierschutzgesetz verfolgt werde. Die Ermittlungen durch die Kripo laufen. Außerdem wurden das HSK-Veterinäramt und das Ordnungsamt der Stadt eingeschaltet.

„Wir möchten das Thema ganz bewusst publik machen und alle Hundehalter dafür sensibilisieren, dass sie ihre Hunde anleinen und jederzeit im Griff haben sollten. Wenn wir dadurch auch nur einen einzigen ähnlichen Fall verhindern können, dann wäre der Tod von ,Jackie‘ wenigstens nicht ganz sinnlos“, so das Paar.

Dieter Harbeke, Leiter des Medebacher Ordnungsamtes, nimmt diesen Vorfall zum Anlass, um noch einmal eindringlich an die Leinenpflicht zu erinnern. „In der Tat gab es in letzter Zeit mehrere Beißvorfälle in unserem Stadtgebiet. Daher noch einmal der dringende Appell an alle Hundebesitzer, die Tiere so zu halten, dass von ihnen weder für andere Tiere noch für Menschen eine Gefahr ausgeht. Das ist auch ganz klar im Landeshundegesetz geregelt.“

Stichwort Leinenpflicht

Nach diesem Gesetz erstreckt sich die Leinenpflicht auf alle öffentlichen Gebäude wie Rathäuser, Schulen und Kindertagesstätten sowie öffentliche Bereiche mit starkem Fußgängerverkehr wie Einkaufspassagen und Fußgängerzonen. Die Vierbeiner sind zudem in sämtlichen öffentlichen Parks, Grün- und Gartenanlagen mit Ausnahme für den Freilauf ausgewiesener Freiflächen an der Leine zu führen. Die Leinenpflicht besteht auch bei öffentlichen Versammlungen, in denen mit einem hohen Menschenaufkommen zu rechnen ist. Auf Kinderspielplätzen, Bolzplätzen und Friedhöfen ist das Mitführen von Tieren grundsätzlich verboten. Zudem sind Hundehalter angewiesen, sich mit den besonderen Bedingungen in den Kommunen vertraut zu machen. Denn die einzelnen Kommunen besitzen die Möglichkeit, zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben ergänzende Regelungen in einer ordnungsbehördlichen Verordnung z.B. zum Führen von Hunden zu treffen. Der Leinenzwang betrifft sämtliche Hunde.

Für den Bereich Wald und Forst gelten noch einmal gesonderte Regelungen, die auch von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Auf Waldwegen herrscht in NRW z.B. kein Leinenzwang auf Waldwegen, wenn die Hunde unter Aufsicht und Einwirkung ihres Besitzers stehen. Leinenpflicht besteht aber sehr wohl abseits der Waldwege und in Schutzgebieten nach Maßgabe der jeweiligen Schutzgebietsverordnungen.

Anzeige erstattet

Kommt es - wie im konkreten Beispiel - zu einem Beißvorfall, muss das Ordnungsamt einschreiten und eine Ordnungsverfügung erlassen. Das heißt: Der Halter/die Halterin wird noch einmal an die Leinenpflicht erinnert und der Hund muss bis auf Weiteres einen Maulkorb tragen. Dieter Harbeke: „Wir sind in solchen Fällen in der Pflicht, Schutz und Sicherheit für andere Tiere, aber auch für Menschen zu gewährleisten.“ Bis auf Weiteres heißt zum Beispiel, dass das Veterinäramt sich den Hund anschauen und einen Verhaltenstest mit ihm machen wird, so Kreissprecher Martin Reuther. Der Umstand, dass die beiden großen Hund nicht angeleint gewesen sein sollen, erfüllt außerdem den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. Die Höhe des Bußgeldes liegt im Ermessen der Behörde, kann aber im schlimmsten Fall bis zu 100.000 Euro betragen.

Vor Not nach den eigenen Leuten geschnappt

Für die Besitzer des getöteten Jackies ist all das kein Trost. Sie sorgen sich, dass durch frei laufende Hunde möglicherweise auch Kinder oder andere Tiere schwer verletzt werden könnten. Sie selbst mussten nach der ganzen Prozedur in Marburg das Winterberger Krankenhaus aufsuchen, weil sie Bisswunden an den Händen hatten. „Jackie“ hatte vor lauter Not und Angst im Auto nach seinen eigenen Leuten geschnappt...

Kleiner Trost: Um über den so plötzlichen und schmerzhaften Verlust ihres Vierbeiners hinwegzukommen, hat sich das Paar einen neuen Hund aus dem Tierschutz angeschafft: „Lea“, etwas acht bis neun Jahre alt, 38 cm groß und 8,6 Kilo schwer. Die Besitzer: „Wenn denn der Tod unseres kleinen Jackie schon einen Sinn gehabt haben soll, dann wenigstens den, dass wieder ein Tierschutzhund bei uns einzieht…“