Hochsauerlandkreis. Wurden mit einer Abschiebung aus dem HSK Rechte von Kindern verletzt? Das behauptet ein Verein. Doch der Fall ist komplexer, als es scheint.

Das Kinderrechteforum (KRF) erhebt schwere Vorwürfe gegen den Staat und den Hochsauerlandkreis als ausführende Behörde. So sieht das Kinderrechteforum in einer Abschiebung „einen klaren Verstoß gegen fundamentale Prinzipien des Grundgesetzes, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention“. Der Grund: Die Abschiebung eines Familienvaters mit seinen Kindern in den Kosovo sowie die am 14. März erfolgte Abschiebung der Mutter in ihr Heimatland Kasachstan. Ein Eilantrag gegen die Abschiebung wurde am 14. März abgelehnt, so Kreissprecher Martin Reuther.

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Das KRF ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Köln und setzt sich seit 2014 nach eigener Aussage für die Verwirklichung von Kinderrechten ein. Wer die Mitteilung des Kinderrechteforums liest, könnte den Eindruck bekommen, es läge ein handfester Skandal vor: Denn in Deutschland wird die Familie vom Grundgesetz geschützt. Die Trennung der Kinder von den Eltern ist nicht erwünscht. Das findet auch das Forum: „Die Abschiebung der Mutter in den Kasachstan und die bereits erfolgte Abschiebung des Vaters und der Kinder in den Kosovo führen zu einer unfreiwilligen und tiefgreifenden Trennung der Familie. Diese Handlung missachtet nicht nur das im Grundgesetz verankerte Recht auf Schutz der Familie (Art. 6 GG), sondern ignoriert auch die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere das Recht auf Achtung des Familienlebens.
Über die Familie hat das Kinderrechteforum nur Gutes zu berichten: „Die Familie hat bewiesen, dass sie ein integraler und wertvoller Teil unserer Gesellschaft ist. Der Vater war durchgehend berufstätig, die Kinder sind in Deutschland zur Schule gegangen und bestens integriert“, so die Aussage des Vereins. Die Familie sei gut integriert und in ihrer Wahlheimat Marsberg angekommen.

Mann ist mehrfach verurteilter Straftäter

Spricht man mit Martin Reuther vom Hochsauerlandkreis, dann hört sich die Sache auf einmal ganz anders an. Sie beginnt mit dem Familienvater Adnan J. (Name geändert) aus dem Kosovo. Adnan J. reist am 17. Juli 2019 mit einem Balkanvisum in Deutschland ein. Er findet Arbeit in Marsberg, zieht zum 1. Januar 2020 in den Hochsauerlandkreis. Am 21. März 2021 folgt ihm seine Frau im Rahmen der Familienzusammenführung. Allerdings ohne die Kinder: „Eine Familieneinheit hat also auch vorher schon nicht bestanden“, stellt Martin Reuther nüchtern fest. Erst ein knappes halbes Jahr später, am 13. August 2021, reisten auch die Kinder nach. Hier könnte die Geschichte eigentlich enden. Adnan J. stellt sich dann aber doch nicht als besonders „integraler und wertvoller Teil der Gesellschaft heraus“, wie es das Kinderrechteforum behauptet. Nach Angaben des Hochsauerlandkreises wurde Adnan J. vierfach verurteilt, zu insgesamt 140 Tagessätzen. Damit gilt er als vorbestraft. Neben Führerscheindelikten soll er laut Kreis auch einen Arbeitskollegen körperlich verletzt haben. Schließlich wurde am 3. April 2023 von der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises eine Ausweisungsverfügung gegen die Familie erlassen. Letztlich wurden Vater und Kinder am 15. Dezember des letzten Jahres in den Kosovo abgeschoben und die Familie hierdurch voneinander auf unbestimmte Zeit getrennt. „Wir haben der Frau daraufhin mehrfach eine freiwillige Ausreise zu ihren Kindern in den Kosovo angeboten. Auch in ihr Heimatland hätte sie freiwillig ausreisen können. Sie hat alle Angebote abgelehnt“, so Reuther abschließend.

Forum: Verurteilungen des Mannes differenziert zu betrachten

Trotz der Ungereimtheiten, bleibt das Kinderrechteforum bei Ihrer Auffassung. Ein Blick auf die Familiengeschichte zeige, schreibt der Verein auf Nachfrage der Westfalenpost dass der Familienvater im Juli des Vorjahres mittels eines Balkanvisums nach Deutschland gekommen ist, während seine Frau erst im darauf folgenden März nachzog und die Kinder sich ihnen einige Monate später anschlossen. Das KRF argumentiert, dass die deutsche Visumbehörde, indem sie der Familie J. Visa zur Familienzusammenführung erteilte, offiziell anerkennt, dass eine Familieneinheit existiert. Zudem seien durch die COVID-19-Pandemie bedingte Reisebeschränkungen und Quarantänevorschriften dafür verantwortlich, dass die Familie nicht früher zusammenkommen konnte. Das Forum beruft sich dabei auch auf die UN-Kinderrechtskonvention, die eine Trennung der Familie, sofern sie nicht dem Wohle der Kinder dient, vermeidet.

Nach Darstellung des Vereins seien auch die Verurteilungen des Mannes differenziert zu betrachten. Das KRF behauptet, dass der Mann provoziert worden sei und die Situation zwischen den Beteiligten bereinigt wurde. Ihrer Meinung nach dürfe die Straffälligkeit nicht als alleiniger Maßstab für Entscheidungen herangezogen werden, die das Leben und die Zukunft der Kinder betreffen.

Auf die Problematik der Rückkehr der Frau J. entweder zu ihren Kindern oder nach Kasachstan erwidert die Organisation, dass neben der psychischen Belastung für die Kinder auch rechtliche Hürden bestünden. So habe die Frau derzeit kein Anrecht auf ein Visum für den Kosovo, und eine Rückkehr nach Kasachstan würde sie von ihrem Ehemann und ihren Kindern trennen, abgesehen von den unsicheren Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven. Das KRF hält solche Forderungen zur Ausreise daher für nicht angemessen und die komplexe Lage der Familie werde dadurch nicht berücksichtigt.

Zusammenfassend bekräftigt das Kinderrechteforum seine Forderung nach einer Lösung, die die Menschenwürde und die Rechte der Kinder wahrt, und fordert die deutschen Behörden auf, sich für die Wiederherstellung der Familieneinheit der Familie J. einzusetzen.