Brilon. Mit zehn Jahren kam Yasin Akdeniz nach Brilon. Wie viele Muslime feiert er derzeit Ramadan. Er erzählt über den Fastenmonat und Heimatgefühle.

Wenn muslimische Gäste in diesen Wochen für den Abend im Restaurant Akdeniz in Brilon einen Tisch reservieren, dann bestellen sie ihr Essen gleich mit. Und dann sehen Chef Yasin Akdeniz und sein Team zu, dass das Gericht „auch wirklich pünktlich zu Iftar auf dem Tisch steht“. Iftar, das ist das traditionelle allabendliche Fastenbrechen, die täglich um wenige Minuten variierende Zeit nach Einbruch der Dunkelheit, wenn Muslime wieder essen und trinken dürfen. Und das zelebrieren sie.

Yasin Akdeniz ist Inhaber des Restaurants Akdeniz und des gleichnamigen Lebensmittelladens an der Altenbürener Straße. Schon seit über 20 Jahren ist er in der Lebensmittelbranche tätig, 1994 kam er als Zehnjähriger aus der Türkei nach Brilon. „Ich bin auf jeden Fall ein richtiger Briloner. Ich liebe diese Stadt und die Leute“, erzählt er. Das merken offenbar auch seine Kunden. „Über 60 Prozent meiner Kunden sind Deutsche, kommen von hier,“ erzählt er.

Zwei Tonnen Wassermelone pro Woche

Während des Fastenmonats Ramadan werde jedoch anders eingekauft als im übrigen Jahr. „Natürlich ist es sowieso saisonal unterschiedlich. In einem heißen Sommer verkaufen wir zum Beispiel locker zwei Tonnen Wassermelone pro Woche. Im Ramadan wird generell mehr von allem gekauft. Die Leute kommen ja sehr hungrig zum Einkaufen und dann kauft man automatisch größere Mengen. Das kennt ja sicher jeder von sich selber.“

Sami Özer von Celik mit einem Tablett voll Baklava, das sich so gut verkauft und mit dem Ramadankalender.
Sami Özer von Celik mit einem Tablett voll Baklava, das sich so gut verkauft und mit dem Ramadankalender. © WP | Felicitas Hendrichs

Der Hunger sei aber nicht der einzige Grund. „Zum Fastenbrechen werden oft auch besondere Gerichte gekocht. Manchmal mehrere. Freunde, Nachbarn werden eingeladen, da braucht man auch einfach mehr.“ Traditionell soll im Ramadan außerdem an Arme und Bedürftige gedacht werden, Speisen mit ihnen geteilt werden. Normalerweise erhält sein Geschäft einmal täglich frisches Brot. Während Ramadan sind es zwei Lieferungen: „Morgens und dann nochmal spät, damit die Leute zum Fastenbrechen frisches Brot haben.“

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Die Möglichkeit, spät am Nachmittag oder am frühen Abend nochmal frisches Brot kaufen zu können, würde aber längst nicht nur von Muslimen in Anspruch genommen. Neugierige oder gar skeptische Fragen zu Ramadan von seinen deutschen Kunden würde er schon seit Jahren nicht mehr hören: „Das gab es früher mal, aber inzwischen wissen die Leute Bescheid, vor allem meine vielen Stammkunden. Dass Fasten gesund ist, hat sich inzwischen ja herumgesprochen.“

Was in Brilon anders ist als in Großstädten

Über seine Stammkunden freut sich Akdeniz ganz besonders: „Man kennt sich, alles ist sehr familiär.“ Türkische Läden in Großstädten könnten zum einen von viel Laufkundschaft profitieren und zum anderen von der höheren Migrantenzahl. „Das ist hier in Brilon ja schon etwas anders - und trotzdem gibt es uns jetzt schon seit über 20 Jahren.“

Neben Brot würden im Ramadan vor allem Datteln in sehr großen Mengen gekauft. „Wir haben viele verschiedene Sorten im Angebot, da hat jeder seinen eigenen Geschmack.“ Mit Datteln fange das Fastenbrechen traditionell in der Regel an und überhaupt würden während des Fastenmonats viele der süßen Palmfrüchte verzehrt. „Die geben Kraft und stärken das Immunsystem,“ weiß der Lebnsmittelhändler.

Dattelauswahl bei Akdeniz.
Dattelauswahl bei Akdeniz. © WP | Felicitas Hendrichs

Auch Oliven seien während Ramadan noch gefragter als sonst, ebenso Gewürze. „In der klassisch orientalischen Küche werden noch viel mehr Gewürze verwendet als in der türkischen“, so Akdeniz. Man könne generell schon teils deutliche Unterschiede im Einkaufverhalten je nach kulturellem Hintergrund feststellen. „Wir Muslime haben zwar alle den gleichen Glauben, aber hinsichtlich Mentalität und Kultur sind wir oft sehr verschieden.“

Diese Unterschiede schätze er sehr, ebenso die Möglichkeit, in Deutschland sozusagen das „Best of“ aus seiner ursprünglichen und der hiesigen Kultur leben zu können. „Das empfinde ich als unglaubliche Bereicherung. Und wenn dann noch das Restaurant voll besetzt ist mit all den Gästen unterschiedlicher Herkunft, ist das für mich wertvoller als Gold.“

Zum Ramadan kommen kaum noch Fragen

Auch beim türkischen Laden Celik in der Derkeren Straße kommt während Ramadan das Brot zwei Mal täglich frisch ins Geschäft. Und auch hier: Viele deutsche Kunden, die ebenfalls von dem Angebot Gebrauch machen. „Wir verkaufen außerdem sehr viel Baklava.“, erzählt Inhaberin Emine Özer. „Das kommt morgens frisch und abends ist alles verkauft.“ Überhaupt würden während Ramadan Süßigkeiten stark nachgefragt. Emine und ihr Mann Sami, gelernter Gießereimechaniker, kamen 1992 aus der Türkei nach Deutschland, lebten zunächst in Meschede und seit mittlerweile 25 Jahren in Brilon. 2019 eröffneten sie das Lebensmittelgeschäft am aktuellen Standort. „Vorher habe ich dort zwei Jahre lang ein Bekleidungsgeschäft betrieben“, erzählt Sami Özer, der früher auch bei Hoppecke Batterien beschäftigt war.

Das Essen und die Getränke um mich herum blende ich dann einfach aus.
Yasin Akdeniz

Bei Celik ebenfalls ein Verkaufsschlager während des Fastenmonats: Tamarinde. Was in der europäischen Küche noch am ehesten als Zutat in der beliebten Worcestersauce bekannt ist, wird in vielen anderen Teilen der Welt zum Beispiel für Kuchen oder die Zubereitung von Limonaden verwendet. Übersetzt bedeutet Tamarinde so viel wie „Indische Dattel“, allerdings gehört die Pflanze zu den Johannisbrotgewächsen.

Auch bei Sami und Emine Özer gehören Datteln zu den am stärksten nachgefragten Produkten. „Außerdem eine ganz bestimmte Sorte Reis, der oft in dem Kochwasser von Geflügel zubereitet wird und dadurch ein ganz besonderes Aroma bekommt“, erzählt Sami Özer. „Bei uns zu Hause kochen wir auch mehr als sonst. Durch den Hunger kocht man einfach mehr, außerdem gibt es auch meistens zwei oder drei verschiedene Essen.“

Jedes Jahr fester Teil des Angebots: Der Ramadan-Kalender. Auf diesem können die Gläubigen jeden Tag auf die Minute genau ablesen, wann Fastenbeginn (Imsak) und Fastenbrechen (Iftar) ist. Den Kalender gibt es kostenlos und ist bei den Kunden stark nachgefragt. „Über die Hälfte unserer Kunden sind Deutsche“, sagt Emine Özer. „Wir haben aber auch eine wirklich sehr gute Lage.“ Seit das Ehepaar einen DPD und GLS Paketshop betreibt, sei der Umsatz nochmal gestiegen. „Wer ein Paket abholt oder abgibt, kauft eben oft nochmal eine Kleinigkeit“, sagt Sami Özer.

Auch die Özers stellen fest, dass praktisch kaum noch Fragen zu Ramadan gestellt würden. Eine sei aber doch gestattet: Ist es beim Anblick der vielen Leckereien im eigenen Laden nicht ganz besonders schwer zu widerstehen und das ganztägige Fasten durchzuhalten? Emine Özer lacht. Ja, in manchen Momenten sei das vielleicht so. Aber der Glaube mache es dann wieder leichter. Das bestätigt auch Yasin Akdeniz: „Das Essen und die Getränke um mich herum blende ich dann einfach aus.“