Brilon. Direkt aus Brilon: Audio Physic's handgemachte Lautsprecher erobern die Welt. Ein Blick hinter die Kulissen des Unternehmens.

Von außen deutet kaum etwas darauf hin, dass sich in dem unscheinbaren Zweckbau am Almerfeldweg in Brilon eine Firma von Weltruf verbirgt. Lediglich ein kleines Schild an der Fassade gibt den Hinweis, dass es sich hier um den Hersteller Audio Physic handelt, der seit fast 40 Jahren hochwertige Lautsprecher in Handarbeit produziert und an Hifi-Enthusiasten über Fachhändler auf der ganzen Welt vertreibt.

Thomas Saheicha hat die Geschäftsführung des Unternehmens erst im Jahr 2022 von Wolfgang Lücke übernommen. Saheicha kommt vom schottischen Hifi-Hersteller Linn, ebenfalls bekannt für hochweriges Audio-Equipment. Der Geschäftsführer möchte sich nicht festnageln lassen, für welche genaue Zielgruppe die Lautsprecher eigentlich produziert werden. Denn Schnäppchen sind die Lautsprecher nicht: Der Einstieg ist zwar bereits ab 1600 Euro möglich, man kann aber auch bis zu 40.000 Euro für ein Lautsprecherpaar aus Brilon ausgeben. Doch Saheicha findet: „Wir machen Lautsprecher für Menschen, die gerne Musik hören“. Wer noch mehr Geld auf der hohen Kante hat, kann sogar 160.000 Euro für die limitierten Medeos-Lautsprecher: „Da haben wir wirklich alles hineingesteckt, was aktuell möglich ist“, so Saheicha. Die Coronajahre sorgten für Wachstum: „Wir konnten unseren Umsatz um 40 Prozent steigern“, so Thomas Saheicha

Thomas Saheicha ist seit 2022 Geschäftsführer der Firma Audio Physic aus Brilon.
Thomas Saheicha ist seit 2022 Geschäftsführer der Firma Audio Physic aus Brilon. © WP | Franz Köster

Tatsächlich steht in der Firmenphilosophie der Lautsprecher eigentlich gar nicht im Mittelpunkt, sondern die Musik. Denn so absurd es klingt: Die Lautsprecher soll man gar nicht hören. Damit ist gemeint, dass das Ohr die Lautsprecherposition im Raum nicht orten kann. Im Zusammenspiel der Stereolautsprecher entsteht quasi eine fiktive, also nur gedachte Bühne im Raum, bei der man die Instrumente und Stimmen sowohl in der Breite, aber auch in der Tiefe wahrnehmen kann. Wenn also ein großes Orchesterstück abgespielt wird, kann der Hörer -- wie im Konzertsaal -- einzelne Instrumente aus der Tonmischung und ihren Platz auf der Bühne räumlich identifizieren. Letztlich ist es das Ziel aller großen Lautsprecherhersteller, diese Bühne so gut wie möglich darzustellen. „Der Lautsprecher ist ‚akustisch tot“, so die Erläuterung des Experten. Dafür sorge auch ein innovativer Materialmix aus Glas und Holz sowie diverse Dämmtechniken im Inneren der Innengehäuse, die im benachbarten Josefsheim in Bigge produziert werden. Um der idealen Bühne so nahe wie möglich zu kommen, experimentiert Audio Physic durchgängig mit verschiedenen Materialien: „Es gab in den letzten Jahren keine großen Innovationen auf dem Lautsprechermarkt, aber vieles wird weiterentwickelt“ sagt Laheicha. Und davon profitieren teilweise sogar die Käufer alter Lautsprecher: „Fast alle Lautsprecher von uns sind reparierbar, oft können wir alte Lautsprecher sogar modernisieren“, so der Geschäftsführer. So ließen Kunden schon mal den Mitteltöner auf den neuesten Stand bringen: „Das sehen wir natürlich auch unter dem Nachhaltigkeitsaspekt“, so Saheicha.

So sieht ein ausgewachsener Lautsprecher der Firma Audio Physic von Innen aus. 
So sieht ein ausgewachsener Lautsprecher der Firma Audio Physic von Innen aus.  © WP | Franz Köster

Chefentwickler Manfred Diestertich ist der kreative Geist hinter den Lautsprechern. Immer auf der Suche nach Materialien, die den Klang verbessern sollen. So stieß er vor Jahren auf ein ganz besonderes Material: „Wir setzen in unseren Lautsprechern zum Beispiel auch auf Keramikschaum. Die streuen den Klang, sorgen auch für Festigkeit im Gehäuse“, so Diesterich, der dabei ein Stück des grauen Materials in der Hand hält. Das poröse Material ist jedoch deutlich schwerer, als es aussieht. „Ziel ist nicht nur das unhörbare, sondern auch das absolut undurchlässige Gehäuse. Idealtypisch ist ein Gehäuse, durch das absolut kein Schall mehr dringen kann“, so der Entwickler. Aktuell arbeitet der Fachmann an einer neuen Technik für den Mitteltöner. So wird ein Magnetostat mit einer hauchdünnen Folie abgedichtet und in einer speziellen Halterung angebracht: „Dadurch erhöht sich das Ansprechverhalten, die Lautsprecher reagieren schneller auf die Signale und der Lautsprecher spielt auch schon bei geringen Lautstärken voll aus“, so Diesterich über die Vorteile des Systems. Dabei ist das Hören aus Sicht des Lautsprecherherstellers höchst subjektiv: „Nicht alles, was wir hier einbauen, hat auch einen tatsächlich messbaren Einfluss auf den Klang, aber es hört sich trotzdem besser an“, so Diesterich. Klar ist aber: Jedes Gerät, aber auch jeder Raum, in dem Musik gehört werden soll, hat am Ende Einfluss auf die Akustik und damit darauf, wie der Hörer die Musik wahrnimmt. Deswegen setzt Audio Physic beim Vertrieb auch ausschließlich auf eine Fachhändlerstrategie: „Es reicht nicht einfach, Lautsprecher in den Raum zu stellen. Die ganze Kette aus Raum und Geräten muss ganzheitlich betrachtet werden“, so Saheicha. Dies könne nur ein Fachhändler ordnungsgemäß umsetzen.

Feedback wird ernst genommen

Tatsächlich kann man im Hifi-Bereich geradezu unbegrenzt viel Geld ausgeben, um die Signalkette von Zuspieler bis zum Lautsprecher so perfekt wie möglich zu gestalten. Das geht von Plattenspielern, die mit Stickstoff gekühlt werden, bis hin zu sündhaft teuren Kabeln zum Preis von 10.000 Euro pro Meter, die den Klang angeblich optimieren sollen. Das ist jedoch auch unter Hifi-Experten hochumstritten. Natürlich wird jede Neuentwicklung auf Herz und Nieren getestet. Zuerst im Haus selbst, von dort geht es zu den Fachhändlern, die dem Hersteller aus Brilon ihr Feedback geben: „Es kommt auch vor, dass wir danach noch was verändern“, so der Geschäftsführer. Man nehme das Feedback sehr ernst.

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Denn Audio Physic lebt auch von seinem Image als High-End-Manufaktur, auch wenn Saheicha diesen Begriff nicht so gerne hört. So ist nicht nur die Lautsprechertechnik hochwertig, auch das Gehäusefinish ist luxuriös. Saheicha holt, während er das sagt, ein kleines Stück Holzverkleidung aus dem Lagerregal: „Dieses Stück wurde dreizehnmal poliert. Das dauert ganze zwei Wochen“.

Matthias Böde von der Hifi-Fachzeitschrift Stereo, die ebenfalls wie die Westfalenpost zur Funke Mediengruppe gehört, begleitet die Firma schon länger: „Audio Physic entstand unter der Maßgabe, durch die konsequente Anwendung moderner hörakustischer Erkenntnisse – etwa hinsichtlich der zeitrichtigen Wiedergabe – und technischer Entwicklungen im Bereich der Messtechnik die Qualität der Musikreproduktion entscheidend voranzubringen. Diesen Ansatz, der viele Freunde fand, hat sich das Unternehmen bis heute bewahrt und wird ihm etwa in Form fortwährender Forschung und nach eigenen Vorgaben maßgeschneiderter Chassis gerecht“, so seine Einschätzung . Auch wenn der ehemalige „Leuchtturmstatus“ durch das Nachziehen der Mitbewerber in den vergangenen Jahren etwas verblasst sei, so Böde, gelten Audio Physics Lautsprecher nach wie vor als hochklassige Produkte mit besonderer Entwicklungstiefe.

Aufstellort hat großen Einfluss auf den Klang

So ein Lautsprecher, das ist auch eine Anschaffung fürs Leben. Das weiß auch Saheicha. Für alle, die sich so eine große Anschaffung erst mal nicht leisten möchten, hat er aber auch ein paar Tipps bereit, wie auch die Normalo-Stereoanlage vielleicht etwas verbessert werden kann: „Am besten, man schaut sich alles mal genauer an: Sind die Kabel oder Anschlüsse vielleicht korrodiert?“, so der Experte. Aber auch der Aufstellungsort ist wichtig: „Es kann einiges bringen, wenn man mal mit den Positionen im Raum herumexperimentiert. Steht der Lautsprecher vielleicht zu nah an der Wand oder ungünstig in der Raumecke“, so der Hinweis von Saheicha. Gerade bei Bassreflexboxen habe der Ausstellungsort einen massiven Einfluss auf den Klang. Das müsse aber jeder für sich selbst herausfinden, so der Geschäftsführer.

Vierzehn Mitarbeiter arbeiten bei dem Lautsprecherhersteller, die meisten schon seit vielen Jahren. Einen direkten Ausbildungsweg zum „gelernten Lautsprecherbauer“ gibt es jedoch nicht. So ist einer der Mitarbeiter in der Werkstatt, die übrigens auch genau so aussieht, wie man sich eine Werkstatt vorstellt, gelernter Mechatroniker, ein anderer hat im Hochbau gearbeitet, ein anderer ist Schreiner. Eine Gemeinsamkeit, die alle Mitarbeiter verbindet, gibt es jedoch trotzdem. Und die hat mit Handwerk eigentlich gar nicht so viel zu tun: „Wer hier arbeiten möchte, muss wirklich Musikenthusiast sein“ sind sich alle Mitarbeiter einig. Auch hier steht der Lautsprecher nicht im Mittelpunkt und am Ende ist es vielleicht auch genau das, was sich bei Audio Physic so gut anhört.