Marsberg/Diemelsee. Keine Schiffstouren mehr: Der Diemelsee-Tourismus gerät unter Druck, denn die MS Muffert war ein Tourist-Magnet. Was die Gastronomen befürchten.
Eine Nachricht, die unzählige Menschen in der Region erschüttert hat: Das Fahrgastschiff MS Muffert, das seit über 40 Jahren seine Rundfahrten auf dem Diemelsee macht und Wanderer von einem Seeufer zum anderen befördert, darf ab sofort nicht mehr fahren. Neue Verordnungen zur Besatzung auf Binnenschiffen zwingen den Inhaber des kleinen Personenschifffahrtsbetriebs Stefan Koch zur Aufgabe. Für den Diemelsee-Tourismus, die ansässigen Gastronomien und Hotelbetriebe hat diese Entwicklung weitreichende Folgen.
Gastronomen sind besorgt: Ohne Schiff weniger Tagestourismus
Ein Unternehmen, das die Konsequenzen schon jetzt unmittelbar zu spüren bekommt, ist das Café und Restaurant Fährhaus. Es liegt nah am Schiffsanleger auf der Seeseite Helminghausen, auch ein Biker-Café gehört zu dem Betrieb. Für das Restaurant habe es schon die ersten Stornierungen von Busreiseunternehmen gegeben, erklären die Betreiber Bettina Benuar und Jochen Topp. Für eine Gruppe von ca. 50 Personen habe der Reiseveranstalter eine Seerundfahrt mit anschließender Einkehr im Fährhaus organisiert und dort entsprechend reserviert. Kaum sei die Seerundfahrt eingestellt worden, sei die Stornierung hinterhergekommen, so die Wirtin. Busreiseunternehmen, die für größere Gruppen Tagesausflüge an den Diemelsee mit einer Seerundfahrt auf der MS Muffert und anschließendem Restaurantbesuch organisieren, gehören für die örtliche Gastronomie in der Saison eigentlich zur Tagesordnung. „Viele werden jetzt erst gar keine Anfrage mehr stellen“, befürchtet Bettina Benuar. „Und die Saison fängt gerade erst an.“ Mit dem Wegfall der Personenschifffahrt schwinde das Attraktions-Angebot am Diemelsee auf der Seite des Marsberger Stadtgebiets bedenklich, findet das Betreiberteam des Fährhauses. Für die Region sei das ein enormer Verlust: „Ich frage mich dann nur, was die Gäste dann noch hier wollen“, so Bettina Benuar.
Auch Marjolein und Christiaan Strik, die seit vielen Jahren die Pension Diemelkroon betreiben, hat die Nachricht hart getroffen: „Stefan und die Muffert gehören einfach zum Diemelsee.“ Zwar kämen ihre Gäste in der Regel nicht extra wegen der MS Muffert, aber die Seerundfahrten würden von vielen ihrer Besucher gern genutzt. Trotzdem sehen die beiden Pensionsbetreiber klare Folgen für den Tourismus vor Ort: „Jeder, der am Diemelsee etwas Gewerbliches macht, ist davon betroffen“, erklärt Christiaan Strik. Doch auch persönlich sei die Nachricht für das Paar sehr schmerzlich: Erst im Juli 2022 hatten die beiden auf der MS Muffert ihre Traumhochzeit gefeiert. „Die Trauung auf dem Schiff war etwas ganz Besonderes, ein außergewöhnliches Erlebnis.“ Auch diese Option gebe es für Paare in Zukunft dann nicht mehr, das sei für viele eine große Enttäuschung.
Seehotel rechnet in Folge mit Rückgang des Tagesgeschäfts
„Dass Herr Koch sein Geschäft mit der Personenschifffahrt auf dem Diemelsee einstellt, ist sehr gut nachvollziehbar“, erklärt Gerd Göbel, Miteigentümer von Göbels Seehotel und Gesellschafter der Hotelreihe Göbel Hotels, zu der auch der erst kürzlich eröffnete Chalet Park am Diemelsee gehört. Das 4-Sternehotel im Ortsteil Heringhausen ist ebenfalls ein beliebter Anlaufpunkt für Fahrgäste der MS Muffert. Dass mit dem Schiff eine für den Hotelbetrieb bedeutende Attraktion am Diemelsee verloren gehe, zeige sich zum Beispiel im Leistungspaket für Gäste, bei welchem ein Ausflug auf dem Schiff dazugehört. „Jetzt sind wir gezwungen, Alternativen zu suchen, die direkt am Diemelsee schwer zu ersetzen sind“, erläutert Gerd Göbel. Er befürchtet den Verlust vieler Besucher: „Wir können uns vorstellen, dass mit dem Wegbrechen der Seerundfahrten eine Verlagerung der Gästeströme nach Willingen forciert wird. Geld, dass in der Region am Diemelsee nicht ausgegeben wird und fehlt.“
Mit Blick auf die kommende Saison rechne man im Seehotel mit einem Rückgang des Tagesgeschäfts, wie Hoteldirektor Dieter Fritsche erklärt: „Ein Rückgang der Hotelübernachtungen kann auch eine Folge dessen sein.“ Die gesetzliche Verordnung, die für das Ende der MS Muffert verantwortlich ist, könne auch die Tourismusförderung in der Region in Zukunft vor Herausforderungen stellen, so die Einschätzung des Hoteldirektors. Es bedürfe dann neuer Strategien, um das touristische Angebot der Region aufzustocken, um den Wegfall der Seerundfahrten zu kompensieren.
Bürgermeister ergreifen Initiative: „Diese Entscheidung brauchen wir jetzt“
Auch Volker Becker, Bürgermeister der Gemeinde Diemelsee, rechnet durch den Wegfall der MS Muffert mit weitreichenden Folgen für den Tourismus am See: „Das wird Auswirkungen auf die Gastronomie haben, die Hotellerie, Übernachtungs-Angebote. Wir werden schnell merken, dass die Gäste sich umorientieren.“ Nicht nur für die Busreiseunternehmen falle mit der MS Muffert ein wichtiges Ziel weg, sondern auch für viele andere Interessenten, z.B. Tagesgäste, Familien mit Kindern, Wanderer. Angebote wie das Fährschiff-Wandern, bei welchem die MS Muffert ein fester Bestandteil ist, könnten dann nicht mehr stattfinden. Und für viele See-Besucher sei eine Rundfahrt auf dem Fahrgastschiff als Programmpunkt einfach unverzichtbar, erklärt Volker Becker: „Wenn sowas hier nicht mehr angeboten wird, werden sich viele Gäste eben andere Ziele mit mehr Angeboten suchen.“ Auch für Organisationen wie die Verbände der Caritas, die für ihre Gruppen regelmäßig Tagesausflüge an den Diemelsee mit einer Seerundfahrt organisieren, sei das Ende der MS Muffert eine schlimme Nachricht.
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Diemelsee-Schifffahrt braucht eine schnelle Lösung
Deshalb sei es umso wichtiger, dass möglichst schnell eine Lösung gefunden werde, so der Bürgermeister der Gemeinde Diemelsee. Dementsprechend habe er gemeinsam mit Thomas Schröder, dem Bürgermeister der Stadt Marsberg, Initiative ergriffen und stehe in intensivem Austausch mit verschiedenen politischen Akteuren. Einige haben bereits ihre Unterstützung zugesichert, darunter zum Beispiel der hessische Kultusminister Armin Schwarz, der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese und der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz. Gemeinsam suche man auf Hochtouren nach Lösungen, so Thomas Schröder. Derzeit prüfe das Büro von Friedrich Merz zusammen mit dem Verkehrsministerium die Möglichkeiten einer Ausnahmeregelung für die MS Muffert. Auch die Option, dem Diemelsee den Status als Bundeswasserstraße zu entziehen, werde dort geprüft, wie Thomas Schröder berichtet. Ziel sei es in jedem Fall, eine Lösung zu finden, um die Schifffahrt auf der MS Muffert auf dem Diemelsee zu erhalten. Und die Zeit drängt, wie Bürgermeister Volker Becker betont: Denn wer den Diemelsee als Reiseziel erst einmal von seiner Liste streiche, sei nicht so schnell wieder zurückzugewinnen. „Diese Entscheidung brauchen wir jetzt, nicht erst in einem halben Jahr“, so Volker Becker.
Auch aus den privaten Reihen der Sauerländer engagieren sich immer mehr Menschen für den Erhalt der Seerundfahrten auf der MS Muffert. Helminghäuser Norbert Märtin hatte sich zuletzt in einem offenen Brief an Politik und Presse gewandt und angekündigt, für die Weiterfahrt des beliebten Fahrgastschiffes kämpfen zu wollen. Passend dazu startete sein Sohn Robert Märtin eine Petition, mit der er innerhalb von 48 Stunden bereits über 5000 Unterschriften gesammelt hat Über die Plattform change.org ist die Petition unter dem Titel „Erhaltung der Seerundfahrten auf dem Diemelsee mit der MS Muffert“ weiterhin im Internet zu finden.