Marsberg/Diemelsee. Die Fahrt auf der MS Muffert ist für Norbert Märtin eine Familientradition. Bürokratie bremst das Schiff aus, doch der Marsberger gibt nicht auf.

„Die Fahrgastschifffahrt auf dem Diemelsee muss bleiben!“ Damit beginnt Norbert Märtin aus Marsberg seinen offenen Brief, den er unter anderem an die Bundestagsabgeordneten sowie an die Presse richtet. Darin schildert er sachkundig, wieso er eine Sonderregelung für die Diemeltalsperre für sinnvoll und vor allem nötig hält. Im WP-Gespräch wird er persönlicher, denn ihn verbindet eine lange und liebevolle Vergangenheit und Bindung zur MS Muffert und Stefan Koch. Darf das Schiff nicht mehr auf dem Diemelsee fahren, wäre das für Norbert Märtin und seine Familie eine Katastrophe.

Johannes steht immer vorne, darf die Kapitänsmütze tragen

Jedes Wochenende in der Saison verbringt der 70-jährige Norbert Märtin auf der MS Muffert gemeinsam mit seinem Sohn Johannes. Sein Sohn lebt unter der Woche im Wohnheim St. Hildegard der Caritas in Brilon, kommt an den Wochenenden zu seinen Eltern. Dann fahren sie auf der MS Muffert. „Stefan Koch ist eine Bezugsperson für meinen Sohn. Johannes steht immer vorne, darf die Kapitänsmütze tragen. Das Ganze ist eine höchstpersönliche Sache für uns“, sagt Norbert Märtin. Als sie die Nachricht erreicht, dass die Schifffahrt eingestellt werden soll, sind er und seine Familie erschüttert. Seinem Sohn hat er noch nichts davon erzählt. „Ich weiß gar nicht, wie ich ihm das beibringen soll.“

Schon als Kind und Teenager arbeitet Norbert Märtin für den Bootsverleih

Auch für seine Enkel will der Marsberger sich einsetzen, denn sie lieben die Seerundfahrten auf dem Diemelsee.
Auch für seine Enkel will der Marsberger sich einsetzen, denn sie lieben die Seerundfahrten auf dem Diemelsee. © WP | Privat
Die MS Muffert schippert wieder über den Diemelsee
Die MS Muffert schippert wieder über den Diemelsee © WP Brilon | Uwe Pollmeier

Norbert Märtin selbst hat zwar als Kind und Teenager im Ruhrgebiet gelebt, in den Sommerferien hilft er aber damals noch Richard Zoche und arbeitet beim Bootsverleih. Seitdem bricht der Kontakt zum Bootsverleih nie richtig ab. Norbert Märtin kann viel über die MS Muffert erzählen, von den ersten Fahrten damals und dem Umbau. „Da steckt ganz viel Geschichte in dem Boot.“ Als Märtin in Rente geht, arbeitet er sogar noch einmal für den Bootsverleih, bis zur Pandemie. Doch mit seiner Familie, nicht nur mit Johannes, sondern auch mit den Enkeln aus Franken und Jena fährt er regelmäßig mit der MS Muffert. Als die Nachricht kommt, dass Personenschifffahrten nicht mehr möglich seien für Stefan Koch, sagt sein Enkel zu Norbert Märtin: „Opa, da musst du kämpfen!“ „Also tue ich das“, sagt er.

MS Muffert für Touristen und Gastronomen wichtig

In seinem offenen Brief, den er ganz ohne Stefan Kochs Wissen geschrieben hat, geht er nicht nur auf die Besonderheit des Schiffes für seine Familie ein, sondern auch auf die Wichtigkeit der MS Muffert für den Tourismus und alle anderen Akteure am Diemelsee. „Auf den täglichen Rundfahrten im Stundentakt während der Saison gewinnt der Bootsführer einen guten Überblick über das Geschehen, Veränderungen und Missstände oder Gefahrenquellen am Diemelsee. Aus meinen Erfahrungen ist die vertrauensvolle Kommunikation zwischen Stefan Koch und Schifffahrtsverwaltung, DLRG, Touristik, Polizei, Feuerwehr, Kommunal-Verwaltungen usw. sehr positiv für die Allgemeinheit zu würdigen.“ Gleichzeitig weiß Märtin, dass nicht nur die Touristen aus den Niederlanden das Schiff vermissen würden, sondern auch Gruppen der Lebenshilfe aus Korbach oder der Caritas Brilon. „Ich habe ein Auge dafür und mir ist oft aufgefallen, dass viele Menschen aus der Lebenshilfe Ausflüge hier machen. Die haben dann nichts mehr hier.“

Reizendes Boot mit überschaubaren Ausmaßen

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Gleich zwei Faktoren, die der MS Muffert zum Verhängnis geworden sind, will er näher beleuchten. Er schreibt: „In der Überschrift heißt es „Fahrgastschifffahrt“. Wer aber tatsächlich die einstündige Rundfahrt auf dem Diemelsee genossen hat, der wird von einem „familiären Ausflug in einem „Rundfahrtsboot“ sprechen und dabei den Bootsführer Stefan in bester Erinnerung behalten.“ Dies sei der entscheidende Unterschied zu den großen Rundfahrtschiffen: „Die Muffert ist ein reizendes Boot mit überschaubaren Ausmaßen. Wo denn bei dieser geringen Bootsgröße und Passagierzahl eine Notwendigkeit bestehen soll, einen Maschinenführer und Schifffahrtssachkundigen zusätzlich zum vorhandenen Personal zu beschäftigen, ist mir unbegreiflich. Die Dimensionen des Bootes allein für sich genommen sprechen schon dagegen.“

Wetter sollte für MS Muffert nicht gefährlich werden

Faktor zwei, neben dem Boot: Das Gewässer. Märtin: „Leider trägt dieses reizende Gewässer Diemelsee die offizielle behördliche Bezeichnung „Bundeswasserstraße“. Das bedeutet auch dann, dass bestimmte Regeln gelten wie z. B. die Verordnung über die Besatzung und über die Befähigungen der Besatzung von Fahrzeugen in der Binnenschifffahrt (Binnenschiffspersonalverordnung - BinSchPersV). Speziell für Talsperren gibt es dann noch Talsperrenverordnungen.“ Und dort könnte laut Märtin auch der Ausweg liegen: „Der Bund macht für die Diemeltalsperre und die dortigen Seerundfahrten eine Sonderregelung, die die Personalaufstockung um zwei Stellen als Ausnahmeregelung hinfällig macht.“ Für Märtin nur vernünftig: Im Gegensatz zu vielen Bundeswasserstraßen entfielen hier Gefahrenquellen die mit dem Wetter zusammenhängen würden. „Die einzigen konkurrierenden Verkehre sind die der DLRG und Wasserschutzpolizei und des Wasser- und Schifffahrtsamtes.“ Ein wesentlicher Unterschied zu den Verkehren auf Bundeswasserstraßen würde auch im Faktor Zeit liegen: „Der zeitliche Rahmen der Fahrgastschifffahrt beschränkt sich jahreszeitlich von den Oster- bis zu den Herbstferien und tagsüber auf die Zeiten mit Tageslicht von 11 bis 16 Uhr. Unsichtiges Wetter ist äußerst selten in dieser Zeit anzutreffen.“

Appell an Öffentlichkeit und Politik

Darum appelliert er an die verantwortlichen Entscheidungsträger des Bundestages aus der Region, in den Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen und sonstigen Institutionen, sich für eine Sonderregelung für die Fahrgastschifffahrt auf der Diemeltalsperre einzusetzen, die einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb erlaubt.

Das ist alles familiär hier, wir essen Schmandkuchen und Eis und fahren gemeinsam auf der MS Muffert. Dass das jetzt nicht mehr erlaubt sein soll, ist einfach Quatsch. Das passt nicht.
Norbert Märtin

Norbert Märtin will kämpfen. Die Bindung zur MS Muffert und Stefan Koch ist zu eng. „Das ist alles familiär hier, wir essen Schmandkuchen und Eis und fahren gemeinsam auf der MS Muffert. Dass das jetzt nicht mehr erlaubt sein soll, ist einfach Quatsch. Das passt nicht.“ Norbert Märtin hat zwar Hoffnung, dass sich etwas tun könnte, doch die Zeit drängt. „Ich denke, wenn die MS Muffert erst einmal ein Jahr stillliegen würde, dann würde sie nicht mehr reaktiviert. Wir müssen jetzt handeln.“

Wer Norbert Märtin helfen möchte, kann dies mit einer Petitons-Unterschrift tun. Die Petition hat sein Sohn Robert ins Leben gerufen. https://www.change.org/p/erhaltung-der-seerundfahrten-auf-dem-diemelsee-mit-der-ms-muffert