Brilon. Anke Linke öffnet ihr Secondhand-Lädchen in Brilon wieder. Bei ihr spielt der Nachhaltigkeitsgedanke eine wesentliche Rolle.
Bei Anke Linke finden Kleidungsstücke, Bücher, Spielzeug und vieles mehr jetzt wieder ein neues Zuhause. Nach längerer krankheitsbedingter Unterbrechung kann die 41-Jährige am 1. Februar ihr liebevoll eingerichtetes Secondhand-Lädchen im Schützengraben in Brilon wieder eröffnen. „Ich sage immer, mein Laden ist eine kleine Schatzkammer, weil ich hier Sachen habe, die man so sonst nicht mehr oft findet“, sagt Anke Linke.
Mit Secondhand-Mode gegen den „Fast Fashion“-Trend
Mit ihrem Laden schwimmt Anke Linke sowohl mit als auch gegen den Trend: Die Beliebtheit und Akzeptanz von Waren aus zweiter Hand wächst zwar. Noch schneller wächst jedoch der Markt für die sogenannte „Fast Fashion“, also tendenziell minderwertige Kleidung zu niedrigen Preisen mit kurzer Lebenszeit. Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) kauft der deutsche Durchschnittsverbraucher 60 Kleidungsstücke pro Jahr, Tendenz steigend. Dabei werde jedes fünfte Kleidungsstück praktisch nie und bis zu 40 Prozent nur selten getragen. Mit katastrophalen Folgen für die Umwelt.
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„Auch bei mir werden des Öfteren kistenweise Sachen abgegeben, die ich dann aussortieren muss,“ so Linke. Denn längst nicht alles findet auch einen Platz im Verkaufsraum: „Alles, was ich anbiete, ist sehr hochwertig und gepflegt. Da muss man auch nicht erst mit einem Textilerfrischer dran. Dafür sind die Preise natürlich auch etwas höher.“
Secondhand, Flohmärkte, eBay: Das alles sei früher eigentlich nur ein Hobby gewesen. „Da hatte ich immer großen Spaß dran“, erzählt die 41-Jährige. Irgendwann wurde dann für den alten Secondhand-Laden in Brilon ein Nachmieter gesucht.
„Da habe ich weder lange überlegt, noch mit meinem damaligen Mann drüber gesprochen,“ erinnert sich Anke Linke. Sie sei einfach ins kalte Wasser gesprungen und habe am 7. Juli 2010 ihr Hobby zum Beruf gemacht – zunächst am damals übernommenen Standort in der Niederen Straße und schließlich im eigenen Haus im Schützengraben 25.
Schmerzen hindern Anke Linke lange Zeit den Laden zu öffnen
Der 7. Juli ist für Anke Linke bis heute ein Feiertag. Ein Geburtstag sogar, bezeichnet sie den Laden neben ihren fünf Kindern doch als ihr „sechstes Baby“. Zu diesem Jubiläum gibt es jedes Jahr einen großen Ladenflohmarkt bis in den Außenbereich: „Der Laden ist mein Ein und Alles, weil ich aufgrund meiner Krankheitsgeschichte nicht viel anderes machen kann.“
Anke Linke leidet seit einer Schwangerschaft an einem Lipödem dritten Grades, zwei Mal pro Woche muss sie zur Lymphdrainage. An manchen Tagen kann sie vor lauter Schmerzen kaum einen Schritt gehen, die Treppe runter zu ihrer „Schatzkammer“ ist dann ein fast unüberwindbares Hindernis. Da würde sie sich manchmal mehr Verständnis von Kunden wünschen, wenn sie geschlossen hat.
Für ihre rund 200 Stammkunden versucht sie trotzdem alles möglich zu machen. So hat sie schon vor einer ganzen Weile Statusverkäufe über WhatsApp eingeführt. Wer möchte, wird von ihr gespeichert und kann sich so die vielen Artikel anschauen, die sie im Verlauf des Tages online stellt - und dann natürlich auch per WhatsApp kaufen: „Ich bin ja praktisch rund um die Uhr mit dem Laden beschäftigt. Sachen müssen kontrolliert und auf Vollständigkeit überprüft werden, ich muss etikettieren, aussortieren und vieles mehr. Und nebenbei machen wir ja auch noch Haushaltsauflösungen.“
Auf Verständnis hofft sie auch wegen einer kleinen Neuerung: „Ich werde zuzüglich zur Provision eine kleine ‚Ladenmiete‘ für Artikel nehmen müssen. Für bis zu zehn Artikel zum Beispiel 4,50 Euro.“ Die Kostensteigerungen gingen schließlich auch an ihr nicht vorbei.
Ihre Kinder sind die „Produkttester“
Ihre ehrlichsten „Produkttester“ seien ihre fünf Kinder im Alter von vier bis 22 Jahren: „Die geben mir von Spielzeug bis zu Kleidung immer eine faire Rückmeldung, was noch aktuell ist.“ Bis heute sei die Arbeit zwar eher ein schlecht bezahltes Hobby geblieben, aber sie liebe es trotzdem. „Secondhand war für mich immer schon Trend“, sagt Anke Linke. Schließlich könne man mit Klamotten aus zweiter Hand so viel für die Umwelt beitragen.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) wird global nicht einmal ein Prozent ausrangierter Kleidung zu neuem Material für die Textilproduktion, während rund 14 Prozent der weltweit eingesetzten Insektizide dort verbraucht werden. Die Freisetzung von Mikroplastik beim Waschen, unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Billiglohn-Ländern, der hohe Wasserverbrauch für die Baumwollproduktion - Wer denkt schon über den Produktionsprozess nach, wenn Er oder Sie das fünfunddreißigste T-Shirt in den Schrank hängt? Gerade Babys und Kleinkinder können dabei von Secondhand-Mode profitieren. Sie reagieren oft besonders empfindlich auf die vielen Chemikalien in neuen Textilien. Secondhand-Kleidung wurde aber in der Regel schon so oft gewaschen, dass sie für die Kleinen deutlich sicherer ist - die Vorteile liegen auf der (zweiten) Hand.