Brilon. Sekt und Segen: Die Kirchengemeinde Brilon lädt zum Gottesdienst für Verliebte ein. Pfarrerin Antje Jäkel erklärt, weshalb die Kirche das macht.

Es ist eine ungewöhnliche Aktion: Für Sonntag, 18. Februar, 10 Uhr, lädt die Evangelische Kirchengemeinde in Brilon zu einem Segnungsgottesdienst für Liebende mit anschließendem Sektempfang ein. Für Pfarrerin Antje Jäkel ist dieser Gottesdienst aber mehr, als nur eine öffentlichkeitswirksame Idee. Sie glaubt fest an die Kraft des Segens. Für sie ist er kein Garant für „Alles klappt danach“ oder „Unheil bleibt fern“. Für sie ist er eher ein Energiedrink für schlechte Zeiten.

Wie ist es zu der Idee gekommen, einen solchen Gottesdienst anzubieten? Gab es das schon einmal, wenn ja, mit welcher Resonanz?

Soweit ich weiß, gab es das in Brilon bisher noch nicht. Aus anderen Gemeinden kenne ich das aber schon. Ich hatte bei der Vorbereitung des Predigtplans überlegt, das direkt am Valentinstag anzubieten. Da dieser aber mitten in der Woche liegt, hielt ich das Wochenende für sinnvoller. Ich finde es wichtig, neue Formate auszuprobieren. Kirche hat so viel zu bieten und das würde ich gerne im Rahmen meiner Möglichkeiten versuchen. Deswegen müssen wir als Gemeinde auf die Suche gehen und schauen, was die Menschen sich vor Ort von Kirche wünschen, was sie brauchen und was sie anspricht.

Anmeldungen erwünscht

Wer am Sonntag, 18. Februar, 10 Uhr, an dem Gottesdienst teilnehmen möchte, sollte sich vorher anmelden unter 02961 50020 oder unter gemeindeamt@kirchebrilon.de.
Sollte aber jemand spontan vor der Tür stehen, dann ist das auch kein Problem.
Der Segnungs-Gottesdienst für Liebende steht unter dem Motto „Ich will Dich segnen“ und „Du sollst ein Segen sein“.

Welche Zielgruppe haben Sie vor Augen? Wünschen Sie sich langjährige Paare, frisch Verliebte, bald Verheiratete, junge, alte Teilnehmer, sind auch gleichgeschlechtliche Paare erwünscht?

Eine konkrete Zielgruppe hatte ich nicht vor Augen. Es sind wirklich alle willkommen. Egal ob 14 Jahre alt, die erste richtige Verliebtheit oder 75 Jahre, mit über 50 Ehejahren. Gleichgeschlechtliche Paare sind natürlich willkommen. Ich habe auch schon gleichgeschlechtliche Paare getraut, das spielt bei uns in der Kirchengemeinde überhaupt keine Rolle. Ich freue mich einfach auf jeden einzelnen, der Lust und Zeit finden. Vielleicht wird es eine bunte Mischung, vielleicht bleiben viele auch erst einmal fern. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es generell Anklang findet. Ich stehe ja noch ganz am Anfang und eine ganz liebe Frau aus Brilon hat mal zu mir gesagt: „Frau Jäkel, alles probiert man dreimal aus, bevor man aufgibt!“ Und das ist ja jetzt erst der erste Versuch.

Um den Segen Gottes bitten! Paaren legt Pfarrerin Antje Jäkel beim Segnungsgottesdienst in der Evangelischen Kirche die Hände auf.
Um den Segen Gottes bitten! Paaren legt Pfarrerin Antje Jäkel beim Segnungsgottesdienst in der Evangelischen Kirche die Hände auf. © Getty Images | Tinnakorn Jorruang

Erklären Sie doch bitte einmal, was es mit dem Segen an sich auf sich hat? Ist das nur ein Ritual, ein frommer Wunsch oder welche Kraft steckt dahinter?

Ich als Pfarrerin glaube an die Kraft des Segens. Er ist wie eine Umarmung von einem Menschen, den man mag. Ich merke auch tatsächlich immer wieder, dass gerade dieses Handauflegen die Menschen emotional berührt - auch die Kirchenfernen. Es hat irgendwie eine eigene Dynamik. Ich denke, ein Zuspruch oder eine Zusage, tut auch niemandem weh und jeder möchte doch gerne beschützt und behütet sein. Wir wünschen uns das ja auch von unseren Liebsten, dass sie heile nach Hause zurückkehren und gesund bleiben. Wir alle möchten durch schwierige Zeiten kommen. Vor denen kann sich auch niemand schützen. Aus einem Segen kann Kraft schöpfen und sich auch mal tragen lassen. Er ist natürlich kein „Alles klappt danach“ oder „Unheil bleibt fern“-Garantie. Es ist eher ein Energiedrink für schlechte Zeiten. Etwas, das einen daran erinnern soll, dass man nicht alleine ist.

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Das ist eine schöne Formulierung! Haben Sie denn schon einmal den Segen Gottes verspürt? Hat er sie schon mal gefestigt, Sie stark gemacht, Ihnen geholfen?

Ja, ich habe den Segen tatsächlich schon an mehreren Stellen in meinem Leben gespürt – jedenfalls ist es das, was ich als Segen interpretiere. Zum einen sind das die Geburten meiner beiden Mädels. Ich habe mich trotz aller Herausforderung so gesegnet gefühlt, dass ich das große Glück hatte, dass mir diese beiden kleinen Wesen geschenkt wurden. Es ist eben nicht selbstverständlich. Es gibt so viele Menschen, die dieses Geschenk gerne gehabt hätten, es aber aus unterschiedlichen Gründen nicht empfangen konnten oder durften. Das war und ist nach wie vor unbeschreiblich und dafür bin ich sehr dankbar, auch wenn es manchmal anstrengend ist.

Hilft Ihnen das Gefühl, dass der Segen Gottes auf Ihnen ruht, auch im Alltag?

Ja, und manchmal sind es ganz unscheinbare Momente, die ich in den letzten Jahren aber sehr zu schätzen gelernt habe. Oder Menschen, die einem guttun. Gerade, wenn ich am liebsten alles hingeschmissen hätte. Ich habe zwölf Jahre Studium und Ausbildung hinter mir. Dann ist man endlich fertig, will voller Euphorie durchstarten und endlich das machen, wofür man so lange gearbeitet hat. Und dann bekommt man zehn Austritte auf einmal und liest, wie unattraktiv die Kirche ist. Das fand ich am Anfang schon echt sehr frustrierend und habe mich gefragt, wieso ich das alles überhaupt mache. Und dann sind da diese Menschen, in deren Nähe man sich einfach wohlfühlt. Aus diesen langen oder kurzen Begegnungen schöpfe ich Kraft und Energie. Da denke ich oft: Was ein Segen, dass mir diese Person gerade jetzt über den Weg gelaufen ist. Manchmal wissen sie es selbst vermutlich gar nicht. Ich finde aber, dass das Schönste, was man jemandem geben kann, ist Zeit. Wenn man zwischen all den ganzen Verpflichtungen sich Zeit für jemandem nimmt, ist das doch die größte Anerkennung. Das ist für mich persönlich ein großer Segen, dass ich das Glück habe, dass Menschen, die mir am Herzen liegen, sich Zeit für mich nehmen.

Blick in die evangelische Kirche Brilon. . 
Blick in die evangelische Kirche Brilon. .  © WP | Thomas Winterberg

Kommen wir noch einmal auf den Gottesdienst und das Segnen der Paare zu sprechen. Braucht Liebe überhaupt kirchlichen/göttlichen Beistand – wenn ja, warum?

Brauchen, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich denke, dass viele Menschen sagen würden, dass man auch gut ohne auskommt. Meine Frage wäre eher: Was spricht dagegen? Ich kann daran glauben oder nicht, aber es schadet doch keinem, sich segnen zu lassen. Es ist doch schön, wenn man jemandem wünscht, dass die Beziehung hält und sie durch die schweren Zeiten getragen werden. Vermutlich ist das einfach eine Frage der Perspektive.

Wird es bei dem Gottesdienst auch eine spezielle Musikauswahl geben – wenn ja, welche?

Welche Lieder es im Gottesdienst geben wird, weiß ich noch nicht. Aber es wird auf jeden Fall anders sein als in den Sonntagsgottesdiensten. Wir haben zwei ganz tolle Musikerinnen da, auf die ich mich schon sehr freue.

Ist so eine Form des Gottesdienstes auch der Versuch, eine jüngere Klientel zu erreichen?

Ich glaube eigentlich, dass gerade die Jüngeren nicht so viel damit anfangen können. Vielleicht ist es auch ein Fehler, aber ich achte selten auf das Alter, wenn mir Ideen kommen. Mir geht es eher darum, Gott im Leben der Menschen sichtbar und vielleicht auch ein bisschen greifbarer zu machen. Ich möchte, dass die Menschen wissen, dass Kirche für sie da ist. Wir sind eine Gemeinschaft und die Kirche hier vor Ort kann nur bestehen, wenn jeder sich mit einbringt. Wenn wir Rückmeldung bekommen, was gebraucht wird. Deswegen ist es schön, wenn Menschen, egal welchen Alters, sich engagieren und einbringen, was ihnen fehlt. Unsere neue Kirche ist zudem so konzipiert, dass sie jeden ansprechen soll. Wir können frei entscheiden, wie wir sie für den jeweiligen Gottesdienst gestalten wollen. Das hat sehr viele Vorteile. Ich selbst habe denke oft an Kinder, da ich zwei Kleinkinder zu Hause habe. Deswegen bieten wir am Muttertag auch einen Gottesdienst an, der „Segen von Anfang an“ heißt. Hier können werdende Eltern kommen oder Eltern mit Neugeborenen und Geschwisterkindern. Die Welt hat so viele schwarze Flecken und ständig liest und hört man von Krieg, Leid und Gewalt - mal abgesehen davon, dass die Kirche auch ihren Teil dazu beigetragen hat. Das alles kann ich nicht ändern. Doch hier vor Ort möchte ich es machen, so gut es eben geht. Möchte für die Menschen da sein, den Glauben teilen und vor allem Gemeinschaft schaffen.

Was sind heute die größten Herausforderungen für Paare?

Ich kann nicht für alle sprechen, aber ich glaube, es ist die Schnelllebigkeit der Zeit und der Alltag. Ich habe in meiner Ehe manchmal das Gefühl, dass die Zeit im Alltag so schnell geht, dass wir manchmal auf der Strecke bleiben. Man hat einfach immer etwas zu tun. Sich da immer wieder zu finden und miteinander ins Gespräch zu kommen, ist schon eine Herausforderung. Man arbeitet, ist Schwester, selber Tochter, Freundin und Mutter. Man versucht, sich um alles gleichzeitig zu kümmern. Da funktioniert der Alltag mit dem Partner. Man ist ein eingespieltes Team. Als Paar kommt man aber schon hier und da zu kurz. Am Anfang einer Beziehung ist immer alles so aufregend und die Konzentration ist auf den Partner fokussiert. Im Laufe der Jahre ist diese Aufregung nicht mehr so groß und manchmal vermisst man vielleicht auch diese Schmetterlinge im Bauch und dieses aufregende Gefühl, wenn er endlich auf die Nachricht geantwortet hat. Außerdem ist es in der heutigen Zeit viel leichter, getrennte Wege zu gehen. Meine Oma brauchte damals noch die Erlaubnis von ihrem Mann, um arbeiten zu gehen. Heute hat sich das - Gott sei Dank! - geändert und jeder kann sein eigenes Leben führen. Das sorgt aber auch dafür, dass es leichter ist, ohne den Partner klarzukommen.

Gibt es ein Patentrezept für eine glückliche Partnerschaft?

Ich denke nicht, dass es da ein Patentrezept gibt. Wenn jemand eins kennt: Ich bin auf jeden Fall interessiert. Ich denke, dass Kommunikation tatsächlich ein wichtiger Bestandteil ist. Man muss über die Dinge sprechen, aber sie gleichzeitig nicht tot quatschen. Das ist und bleibt eine Herausforderung. Wir als Menschen ändern uns ja auch ständig, entwickeln uns weiter oder machen manchmal auch einen Schritt zurück. Manchmal entwickeln sich zwei Menschen vielleicht auch komplett entgegengesetzt und irgendwann finden sie einfach nicht mehr zueinander. Ich denke, davon ist keiner befreit, da wir nicht wissen, was die Zukunft bringt. Man kann nur durch reden und arbeiten immer wieder versuchen, auf den gemeinsamen Weg zu kommen. Man muss sich jedes Mal wieder bewusst dafür entscheiden, an der Beziehung zu arbeiten und diese aufrechtzuerhalten. Sich immer wieder reflektieren und vielleicht dadurch Unstimmigkeiten rechtzeitig beseitigen. Meine Oma sagte immer: „Geht nie streitend zu Bett!“ Ob das immer gelingt, ist die andere Frage, aber einen Versuch ist es wert.

Was geben Sie Paaren am Ende des Gottesdienstes mit auf den Weg?

Ich glaube, dass auch hier nach so einem Gottesdienst, jeder etwas anderes sagen würde, was sie mitgenommen haben. Ich möchte ihnen mitgeben, dass sie sich gesegnet und geliebt fühlen dürfen und können. Dass sie nicht allein sind, gerade in den schwierigeren Zeiten. Da sollen sie sich an diesen Moment erinnern und was sie dabei gefühlt haben. Vielleicht ist das der Anknüpfungspunkt, um wieder ins Gespräch zu kommen.