Hochsauerlandkreis/Paderborn. Über die Hälfte der Kinder im Klinikum Hochsauerland leiden an schweren Atemwegserkrankungen. Eine Kinderärztin spricht über die aktuelle Lage.

Schnupfen, Husten, Fieber - was bei Erwachsenen oftmals als leichter grippaler Infekt daherkommt, kann für Kinder deutlich gefährlicher werden. Nach Angaben des Robert-Koch-Institut (RKI) hat die Welle der RSV-Erkrankungen begonnen. Sie macht sich auch in der Kinderabteilung des Klinikums Hochsauerland und in der Kinderklinik in Paderborn bemerkbar.

RSV-Virus befällt den Atemtrakt und ist für Kinder gefährlich

Bei RSV handelt es sich um eine Abkürzung für das Respiratorisches Synzytial-Virus. Dieses befällt den Atemtrakt, vor allem die Schleimhäute der oberen Atemwege, sowie Luftröhre und der Bronchien. Das ist für Kinder weitaus gefährlicher als für Erwachsene. Denn es legt sich vor allem auf die kleinsten Bronchien. Und die sind bei Kindern nun mal sehr viel kleiner als bei Erwachsenen. Die Schleimhäute schwellen an, die Atemwege werden regelrecht zugepresst.

In Paderborn ist die Kinderklinik voll ausgelastet

Die Sprecherin der Frauen- und Kinderklinik St. Louise für Kinder- und Jugendmedizin bestätigt, dass die Lage derzeit angespannt sei. „Wir sind voll ausgelastet“, sagt sie. Vor den Feiertagen und auch während Weihnachten habe es viele Akutaufnahmen gegeben, sie spricht von rund 60 Patientenkontakten pro Tag. „Viele Kinder kommen mit dem RS-Virus, einer Lungenentzündung oder Bronchitis.“ Die Kinderklinik in Paderborn bekomme aktuell viele Anfragen aus Lippstadt und sogar Bielefeld, ob noch Patienten aufgenommen werden könnten. „Das ist aber normal und nichts außergwöhnliches zu diesem Zeitraum“, beruhigt die Krankenhaussprecherin.

Über die Hälfte der Kinder im Hochsauerlandklinikum mit Atemwegserkrankungen

Auch in der Klinik für Kinder und Jugendmedizin des Klinikums Hochsauerland am Standort Karolinen-Hospital werden aktuell vermehrt Kinder mit schweren Atemwegserkrankungen stationär versorgt. „Geschätzt trifft dies auf über die Hälfte der bei uns in stationärer Behandlung befindlichen Kinder zu“, sagt Dr. med. Jila Schauerte, Chefärztin der Klinik für Kinder und Jugendmedizin. „Die Anzahl der Atemwegserkrankungen mit schwerem Verlauf ist hoch, aber für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich und gefühlt leicht weniger massiv als beispielsweise im vergangenen Winter.“

Dr. med. Jila Schauerte, Chefärztin der Klinik für Kinder und Jugendmedizin
Dr. med. Jila Schauerte, Chefärztin der Klinik für Kinder und Jugendmedizin © Meschede | Privat

Weitere Viren nachgewiesen - Corona tritt ebenfalls auf

Während die konkreten Virusinfektionen in den normalen Arztpraxen kaum nachgewiesen werden, ist das im Krankenhaus anders. „Bei den Kindern, die aufgrund von Atemwegserkrankungen in stationärer Behandlung sind, wurden zuletzt in vielen Fällen RSV-Infektionen nachgewiesen, aber auch Coronaviren oder eine Kombination aus Corona- und RS-Viren, sowie Coxsackie- und Rhinoviren. Influenzaviren waren dagegen bisher unterrepräsentiert“, berichtete Dr. Schauerte.

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Kinder mit viralen Atemwegsinfekten, die stationär behandelt werden, erhalten laut Schauerte eine Therapie, die die Symptome lindert, „beispielsweise mit Inhalationen, Infusionstherapie sowie anderen schleimlösenden Maßnahmen. Bei schwereren Atemproblemen erhalten die Kinder zudem Sauerstoff und bei einigen ganz schweren Fällen erhalten sie auch intensivmedizinische maschinelle Atemunterstützung.“

Hygienemaßnahmen in der Coronazeit schwächten Immunsysteme

Nach Einschätzung von Dr. Schauerte haben die Hygieneschutzmaßnahmen in der Coronazeit dazu beigetragen, dass Kinder mehr vor Infekten behütet wurden. „Deswegen haben sich bei kleineren Kindern die Immunsysteme oft nicht so ausbilden können wie unter normalen Umständen. Daher beobachten wir beispielsweise bei Drei-bis Fünfjährigen nun häufiger fieberhafte Erkältungseffekte in rascher Folge.“

Doch nur ein Bruchteil der Atemwegsinfekt wird für die kleinen Patienten gefährlich. Daher, so Schauerte, könnten Eltern für die Anfänge einer Atemwegsinfektion und beginnendem Husten auf bewährte Hausmittel zurückgreifen. „Es gibt im Internet abrufbare Rezepte für Zwiebel-Zucker- oder Zwiebel-Honig-Hustensaft. Der Saft ist süßlich, schmeckt den Kindern meist gut und wirkt schleimlösend.“

Das gehört in die Hausapotheke:

Ansonsten sollte in der Hausapotheke abschwellende Nasentropfen oder Nasenspray für das entsprechende Alter der Kinder vorhanden sein. „Denn wenn das Kind nachts mit verstopfter Nase oder Ohrenschmerzen aufwacht, können abschwellende Nasentropfen, die nur kurzzeitig angewendet werden dürfen, oder Nasentropfen auf Koch- oder Meersalzbasis hilfreich sein“, rät Dr. Schauerte. Auch Paracetamol- oder Ibuprofen-Zäpfchen, -Saft oder Schmelztabletten sollten in der Hausapotheke vorrätig sein, um bei Schmerzen oder schlechtem Schlaf aufgrund von hohem Fieber rasch Linderung zu verschaffen.

Wann es kritisch wird:

Hat der kleine Patient aber länger als drei Tage Fieber oder trinkt schlecht, sollten Eltern ihren Kinderarzt aufsuchen, rät die Ärztin. Kritisch wird es auch, wenn das Kind eine angestrengte Atmung zeigt, „beispielsweise mit Einziehungen am Schlüsselbein oder unter den Rippen oder wenn das Kind beim Ausatmen hörbar pfeift.“

Verlegungen nur in Ausnahmefällen verspricht Schauerte

Schauerte betont, das Team der Klinik für Kinder und Jugendmedizin setze alles daran, die zur stationären Behandlung eingewiesenen kleinen Patientinnen und Patienten vor Ort zu versorgen. In Einzelfällen konnten aber Verlegungen zuletzt nicht gänzlich vermieden werden. Doch dafür ist aktuell nicht das RS-Virus der Grund, wie es beispielsweise im Sommer 2022 in vielen Kliniken war. „Wir mussten verlegen, wenn aufgrund hoher Isolationserfordernisse bestimmte Betten in Mehrbettzimmern nicht belegt werden konnten oder spezialisierte Therapien der Maximalversorgung, zum Beispiel Herzuntersuchungen in der Kinderkardiologie, notwendig wurden.“

HINTERGRUND

Treten starke Beschwerden außerhalb der Sprechstunden des Kinderarztes auf, steht den Eltern der kinderärztliche Notfalldienst der kassenärztlichen Vereinigung zur Verfügung. Generell ist der kassenärztliche Bereitschaftsdienst deutschlandweit unter der Telefonnummer 116 117 erreichbar. Dort wird den Eltern mitgeteilt, an welchen Arzt sie sich wenden können, wenn ihr gewohnter Kinderarzt geschlossen hat.

In Arnsberg ist im Ärztehaus am Karolinen-Hospital die kinderärztliche Notfalldienstpraxis der KVWL zu folgenden Zeiten erreichbar: mittwochs und freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 9.30 bis 13 Uhr und von 16 bis 19 Uhr. Die Notfallambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin (erreichbar über die Zentrale Notaufnahme im neuen Notfall- und Intensivzentrum) ist Anlaufstelle bei lebensbedrohlichen Notfällen und schweren akuten Erkrankungen und Verletzungen, die einer stationären Versorgung bedürfen.