Arnsberg/Hallenberg. Ein spektakulärer Fall: Erst flüchtet der Täter von Hallenberg nach England, wirre Aussagen machen ein Urteil schwer. Jetzt herrscht Klarheit.
Es ist ein spektakulärer Prozess, der Tatvorwurf wiegt schwer: Die Staatsanwaltschaft wirft einem 42-jährigen Iraner sexuellen Missbrauch einer Schutzbefohlenen vor. Er soll mit seiner minderjährigen Stieftochter in der Region Hallenberg mehrfach Geschlechtsverkehr gehabt und sie geschlagen haben, auf seinem Handy stellte die Kripo drei Dutzend Kinderporno-Clips sicher. Ein erster Prozess war 2017 gescheitert, weil der Angeklagte am dritten Verhandlungstag nicht mehr erschienen war und sich ins Ausland abgesetzt hatte. Zuvor hatte die Stieftochter ihre Vorwürfe während der Verhandlung revidiert.
Der Iraner war nach England geflüchtet
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Aufgrund eines internationalen Haftbefehls klickten die Handschellen. Der Iraner war nach England geflüchtet. Die britischen Behörden nahmen den Angeklagten fest und lieferten ihn in diesem Jahr nach Deutschland aus.
Er habe das damals 10-jährige Mädchen im Iran mehrfach missbraucht
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichtes Arnsberg benötigte nun drei lange Verhandlungstage um Klarheit um die verwirrenden Aussagen einer heute 18-Jährigen und deren Mutter rechtlich bewerten zu können. Schließlich ging es um mehrfach begangene Verbrechen, die der neue Lebensgefährte (42 Jahre) der Mutter (36 Jahre) ihrer Tochter gegenüber begangen haben sollte. Beide hatten ihn bei ihrer Anzeige vor der Polizei schwer belastet: Er habe das damals 10-jährige Mädchen im Iran mehrfach und während ihrer Flucht aus dem Iran in ihrem ersten Auffanglager in Leipzig weiterhin sexuell missbraucht. Das sei so weitergegangen, als sie eine Wohnung im Raum Hallenberg bezogen.
Er versuchte das Mädchen zu beruhigen
Das vermeintliche Opfer gab bei ihrer polizeilichen Vernehmung detailgenau die sexuellen Übergriffe an. „Wir haben oft Sex gehabt und ich glaubte, es müsse so sein. Trotzdem habe ich ihm gesagt, dass ich das nicht will. Er versuchte mich zu beruhigen und gab vor, mich zu lieben und es sei ganz normal. Meiner Mutter sollte ich aber trotzdem nichts erzählen. Er hat es immer mit mir gemacht, wenn meine Mutter nicht zu Hause war.“
Nach der Anzeigenerstattung wurde Untersuchungshaft angeordnet. Das aber wollten weder die Mutter noch die offenbar Geschädigte. Sie wiederriefen ihre Anschuldigungen, woraufhin der Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Beide wollten, dass er zwar bestraft werde, aber nicht ins Gefängnis komme. Anlass für ihre erneute belastende Aussage waren zwei Ohrfeigen des Angeklagten, die er der 18-Jährigen gegeben hatte. Vor der erneuten Anzeige hatte die Jugendliche von einem Gespräch zwischen ihr und dem Angeklagten zur Beweissicherung heimlich eine Tonbandaufnahme gefertigt. In diesem Dialog ging es um seine Verfehlungen der 18-Jährigen gegenüber. Es wurde eindeutig klar, dass er das damalige Kind und später die Jugendliche sexuell missbraucht hatte. Zudem hatte der Angeklagte von seinem Treiben Aufnahmen mit seinem Handy gemacht. Das vermeintliche Opfer warf ihm in diesem Gespräch vor, sie mehrfach missbraucht zu haben. „Du wolltest es doch“, gab er ihr zur Antwort.
Aufnahmen bestätigen den Tatverdacht
Trotzdem bestritt der Angeklagte vor Gericht die Vorwürfe der Staatsanwältin. Die erneute Anzeige brachte den 42-Jährigen wieder in Untersuchungshaft. Nach der intensiven, langen Beweisaufnahme vor Gericht gab es für die Staatsanwältin keine Zweifel an den Vorwürfen. „Es steht eindeutig fest, dass der Angeklagte die heute 18-Jährige über viele Jahre sexuell missbraucht hat. Er ist deshalb wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen und wegen Körperverletzung (Ohrfeigen) zu verurteilen“, beantragte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Sehr mies sei, dass der Stiefvater die Verantwortung der Geschädigten habe zuschieben wollen. Er habe das Kind und dann die Jugendliche manipuliert. Sie beantragte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.
Der Täter ist sich keiner Schuld bewusst
Der Verteidiger tat sich schwer, für seinen Mandanten entlastende Momente zu präsentieren. Sein Mandant habe in einem Land gelebt, wo die Scharia herrscht, wo man mit einer 9-Jährigen Geschlechtsverkehr haben dürfe. „Er ist sich keiner Schuld bewusst“, so der Verteidiger, der keinen Antrag auf eine Strafhöhe stellte. Das sogenannte „Letzte Wort“, das jedem Angeklagten vor dem Urteil zusteht, um Erklärungen abzugeben, war ungewöhnlich lang. Der Angeklagte sprach sage und schreibe ca. 90 Minuten. Allerdings kaum über die Tat, sondern über Nebensächlichkeiten. Die Ermahnungen seines Verteidigers ignorierte er und sprach munter weiter. Die 2. Große Strafkammer bestätigte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Angeklagten wegen der begangenen Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Das Gericht ordnete die Entnahme einer Blutprobe zur Sicherung der DNA-an.